Im gleißenden Licht der Sonne. Clare Clark

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Im gleißenden Licht der Sonne - Clare  Clark


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Ehrfurchtsvolles. Matthias’ Bruder würde mit Antiquitäten handeln, Matthias mit moderner Kunst.

      »Das müssen wir feiern«, sagte Julius. »Bleib doch auf einen Schluck. Oder, noch besser, bleib zum Essen.«

      »Aber du willst gerade ausgehen.«

      »Zu einem Abendessen, auf das ich nicht die geringste Lust habe. Frau Lang wird anrufen und mich wegen Krankheit entschuldigen. Ein so bedeutendes Ereignis muss man unbedingt würdigen.«

      Matthias protestierte, er wolle sich nicht aufdrängen, und es sei viel zu spät, und außerdem sei er nicht passend gekleidet, doch Julius bestand darauf. Er trug Frau Lang auf, eine Flasche des 1900er Château Margaux zu öffnen, und sah mit Vergnügen zu, wie Matthias den ersten Schluck nahm, die geschmeidigen Tannine schmeckte, den langen, üppigen Abgang.

      »O mein Gott«, sagte Matthias lachend. Julius stimmte mit ein.

      »Auf die Galerie für alte & neue Kunst.« Er hob das Glas. Erst als die Flasche leer war, vertraute Matthias ihm an, dass er sich mit seinem Bruder bereits über die Zukunft ihres Geschäfts in die Haare geraten war. Gregor wollte, dass Matthias ihn beim Handel mit dekorativen Antiquitäten unterstützte, er hatte einen profitablen Vertrag mit einem großen Berliner Warenhaus an Land gezogen. Julius stellte sich vor, wie Matthias in dem mit Imitaten griechischer Skulpturen angefüllten Lichthof des Warenhauses Wertheim mit Amphoren hantierte, und schüttelte entsetzt den Kopf.

      »Aber das geht doch nicht. Das wäre ja fast so, als würdest du an der Haustür Enzyklopädien verhökern.«

      Matthias zuckte die Achseln. »Gregor hat das Armsein satt. Er findet es verrückt, seinem Herzen zu folgen, wenn es auch einen leichteren Weg gibt. Möglicherweise stimmt das ja auch.«

      »Das meinst du doch nicht wirklich.«

      »Nein. Aber vielleicht werde ich es mit der Zeit lernen.«

      »Oder du suchst dir einen anderen Partner. Einen Partner, der dich unterstützt und der dasselbe will wie du.«

      »Bei dir klingt es, als gäbe es solche Männer an jeder Ecke.«

      »Es gibt genug davon, Matthias, man muss nur wissen, wo man zu suchen hat«, entgegnete Julius. Er beugte sich über den Tisch. »Ich kenne viele Leute, Matthias.«

      Matthias schüttelte den Kopf. »Das ist sehr nett von dir«, sagte er steif. »Aber ich kann dir nicht derart zur Last fallen.«

      »Warum nicht? Ich bin im Moment noch nicht in der Lage, selbst zu investieren, aber unter meinen Freunden gibt es Sammler, vermögende Männer, die immer nach …«

      »Hör auf. Bitte.«

      »Ich verstehe dich nicht«, entgegnete Julius verwirrt. »Ich will dir doch helfen.«

      »Das weiß ich, und ich bin dir sehr dankbar, aber ich kann es nicht annehmen, verstehst du das nicht? Ich bewundere dich sehr und will nicht dein Protegé sein, dein … dein wohltätiges Projekt, ich möchte mir deinen Respekt verdienen. Dir eines Tages ebenbürtig sein, wenn ich kann. Oh, ich weiß, wie arrogant das klingt, aber so meine ich es nicht, ich will nur … ich will es selbst schaffen, ich möchte dir beweisen, dass ich es aus eigener Kraft kann.« Er machte ein betroffenes Gesicht. »Hoffentlich habe ich dich jetzt nicht beleidigt.«

      »Natürlich nicht«, sagte Julius leise. »Verzeih mir. Ich bin derjenige, der eine unpassende Bemerkung gemacht hat.«

      Später gingen sie noch auf einen Schlummertrunk ins Hotel Eden. Julius sah keinen Grund, das Haus zu verlassen, aber Matthias bestand darauf. Er bestellte erlesenen Cognac.

      »Den besten, den Sie haben«, sagte er zum Kellner und lächelte Julius zu. »Wir trinken immer deinen Wein, aber heute Abend lade ich ausnahmsweise einmal dich ein. Danke, mein Freund. Auf dich. Auf uns.«

      Es war schon sehr spät, als Julius in die Meierstraße zurückkehrte, und er war ziemlich betrunken. Frau Lang schnaubte tadelnd, als sie ihn hereinließ, und er lachte und drückte ihr einen herzhaften Schmatz auf die Wange.

      »Herrje, Frau Lang, hat Ihre Mutter Ihnen nie gesagt, Sie sollen nicht so die Stirn runzeln, weil Sie sonst Falten bekommen?«, fragte er sie, fasste sie um die Taille und wirbelte sie mit einigen unbeholfenen Walzerschritten herum.

      Nachdem Matthias nach Berlin gezogen war, hoffte Julius, er würde ihn von nun an öfter sehen. Doch seine Besuche wurden spärlicher. Die neue Galerie schien seine gesamte Zeit in Anspruch zu nehmen. Er schneite immer noch gelegentlich herein, brachte Julius Bilder zur Begutachtung, doch allzu oft hatte er kaum seinen Mantel abgelegt, als er schon wieder aufbrach.

      »Bleib doch auf ein Glas«, sagte Julius jedes Mal, aber Matthias lehnte immer ab, war immer auf dem Sprung. Vielleicht lag es an Berlins mörderischem Tempo oder an der berühmten Berliner Luft, jedenfalls schien er trotz seines gnadenlosen Terminkalenders niemals müde zu werden. Wenn Julius seine Begeisterung sah, die freudige Erregung, die sein Gesicht leuchten ließ, kam er sich neben ihm manchmal sehr alt vor.

      »Da steckt doch wohl kein Mädchen dahinter, oder?«, fragte er eines Abends beim Abschied.

      Matthias warf ihm einen verwunderten Seitenblick zu. »Ein Mädchen? Nein, natürlich nicht.«

      »Tja, ich hoffe, um diese Tageszeit sind es nicht die Geschäfte.«

      »Ich bin bei Walter Ruthenberg zum Essen eingeladen.«

      Jetzt war es an Julius, verwundert zu sein. Er hatte nicht gewusst, dass Matthias und Ruthenberg immer noch zusammenarbeiteten, geschweige denn so vertrauten Umgang pflegten, dass sie sich duzten. »Tatsächlich?«, sagte er kalt auflachend. »Dann solltest du vorher noch etwas essen. Ruthenberg ist für seine Genügsamkeit bekannt.«

      »Sein Wein kommt nicht an deinen heran, das stimmt.«

      Es war also nicht das erste Mal. Julius hätte gern gewusst, wann und wie oft sie sich schon getroffen hatten. Stattdessen zwang er sich zu einem Lächeln. »Dann komm morgen zu mir zum Essen. Um das Gleichgewicht wiederherzustellen.«

      Matthias beugte sich über sein Gemälde, das Gesicht abgewandt. Einen kurzen, befremdlichen Moment lang hatte Julius Angst, er würde ihn auslachen, aber als Matthias aufsah, blickte er ihm freundlich, sogar zärtlich in die Augen. »Das mache ich gerne«, sagte er. »Sogar sehr gerne.«

      Matthias war zu früh dran. Julius sah ihn von der Galerie aus, wie er an der Tür zum Morgensalon lehnte, die Hände in den Hosentaschen. Über die Schulter lächelte er Julius zu, der quer durch die Halle auf ihn zukam.

      »Ich habe dich warten lassen, tut mir leid«, begrüßte ihn Julius.

      »Ach wo. Das entzückende Fräulein Grüber hat mich unterhalten.«

      »Das entzückende Fräulein Grüber hätte schon vor einer Stunde nach Hause gehen sollen.«

      Die Stenotypistin errötete und griff nach ihrem Mantel. Im Arbeitszimmer mixte Julius Negronis und reichte einen davon Matthias.

      »Wie lief es bei Ruthenberg?«, erkundigte er sich. »Wie war das Abendessen?«

      »Er war sehr gastfreundlich. Das Abendessen eher … schlicht.«

      »So schlicht und schwer verdaulich wie seine Bücher«, meinte Julius. Er wartete darauf, dass Matthias lachte. Doch dieser schüttelte den Kopf.

      »Tut mir leid, Julius, ich weiß, er ist dein großer Rivale, aber ich bewundere seine Arbeit sehr. Sie hat etwas Redliches.«

      Julius konnte sich nicht erinnern, dass Matthias ihm je so offen widersprochen hatte. Verärgert kippte er seinen Cocktail hinunter. »Redlich, tatsächlich? So denkst du also?«

      »Ehrlich gesagt, ja. Er schreibt mit solcher Sorgfalt, solcher Genauigkeit.«

      »Er schreibt wie ein Schuljunge. Er schreibt über Kunst, als ließe sie sich erklären, sich mit Konstrukten des rationalen Denkens begreifen, aber Kunst ist nicht wie Geschichte oder Physik, sie kann nicht auf Fakten oder Formeln reduziert werden. Es


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