Private Ermittler - 2000 Seiten, 16 Krimis in einer Sammlung. Alfred Bekker

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Private Ermittler - 2000 Seiten, 16 Krimis in einer Sammlung - Alfred Bekker


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nackten Frau aufgedruckt war. Ein Schattenriss. Instinktiv nahm Lorant das Briefchen, öffnete es. Von den Streichhölzern war keines benutzt worden. Auf der oberen Innenseite stand COME TO THE X-RAY CLUB!!! mit drei Ausrufungszeichen.

      Sieh an, da verbringt also ein lediger Arzt seine wenigen freien Stunden!, dachte Lorant. Was er mit dieser Information anfangen würde, wusste er noch nicht. Er legte das Briefchen zurück, hörte gleichzeitig die Polizeisirenen.

      Für einen Blick ins Schlafzimmer blieb leider keine Zeit mehr. Lorant sah zu, so schnell wie möglich wieder zurück in die Praxis-Räume zu gelangen.

      Beamten in Uniform und in Zivil stürmten herein.

      "Sie sind der Mann, der uns angerufen hat?", wurde Lorant angesprochen.

      "Bin ich."

      "Jansen, Kripo Emden."

      "Wo bleibt denn Ihr Herr und Meister, Kriminalhauptkommissar Steen?"

      "Nur Geduld, Herr..."

      "...Lorant."

      "Hauptkommissar Steen wird gleich eintreffen. Warten Sie hier bitte so lange. Ich habe mit ihm telefoniert, und er hat mir gesagt, dass er Sie unbedingt sprechen will!"

      "Oh, welche Ehre!"

      "Kein Grund, sich etwas darauf einzubilden!"

      Lorant zuckte die Achseln.

      Die Praxis von Dr. Purwin glich einem Taubenschlag. Der Gerichsmediziner wurde verständigt. Draußen suchten weitere Beamte nach Spuren. Offenbar war jeder verfügbare Beamte im ganzen Kreisgebiet mobilisiert worden. Ein so großer Aufwand verwunderte Lorant etwas.

      Schließlich traf Steen ein. Zunächst nickte er Lorant nur knapp zu, ließ sich dann das Arbeitszimmer zeigen.

      Nach ein paar Minuten kam er zurück und wandte sich an Lorant. "Kommen Sie, wir gehen ins Wartezimmer."

      "Nichts dagegen."

      Augenblicke später ließen sie sich in den Ledersesseln nieder.

      "Sie haben hier wirklich nichts angefasst, Lorant?"

      "Für wen halten Sie mich."

      Lorants Handy klingelte. Er ging an den Apparat, wies den Anruf mit einem Knopfdruck ab. "Das sind Ihre Kollegen. Die haben wohl die Wahlwiederholungstaste von Purwins Telefon gedrückt."

      "Er hat mit Ihnen zuletzt telefoniert?"

      "Ja."

      "Warum?"

      "Er wollte mir etwas sagen, was für den Mordfall Sluiter wichtig sei."

      "Und was?"

      "Wenn ich das wüsste. Ich war auf dem Rückweg aus Oldenburg und versprach, in einer Stunde hier zu sein. Dann habe ich ihn so gefunden."

      Steens Gesicht wurde dunkelrot. "Sie waren in Oldenburg", sagte er gedehnt. Dabei spielte er nervös mit seinem Dienstausweis herum.

      "Ja, stimmt", bestätigte Lorant.

      "Dann sind Sie für den Trouble verantwortlich, den wir heute hatten!"

      Lorant lächelte dünn. "Haben Ihre Kollegen Ihnen ein bisschen Feuer unter dem Hintern gemacht?"

      "Spielen Sie sich nicht so auf, Lorant. Viel haben Sie in diesem Fall auch noch nicht erreicht."

      "Naja, wenn Sie jetzt auch schon davon überzeugt sind, dass es einen FALL überhaupt gibt, dann bin ich schon ganz zufrieden. Frau Sluiter hat wochenlang versucht, diese Meinungsänderung bei Ihnen zu bewirken und ist kläglich gescheitert."

      Meinert Steen holte eine Zigarettenschachtel hervor, steckte sich eine Zigarette in den Mund und zündete sie an. Wenn Lorant etwas nicht ausstehen konnte, dann war es Zigarettenrauch. Und so klinisch rein, wie Praxis und Wohnung des ermordeten Arztes Dr. Purwin aussahen, hätte das dem Toten auch nicht gefallen. Kein Respekt mehr vor den Verblichenen!, dachte Lorant und hustete demonstrativ.

      "Sie sind nicht mehr ganz auf dem Laufenden, Herr Lorant."

      "So?"

      "Inzwischen ist die Tatwaffe gefunden worden, mit der Gretus Sluiter wahrscheinlich umgebracht wurde."

      "Ach!"

      "Ein Ruderholz. Es waren noch Blutspuren dran."

      "Nach so langer Zeit?"

      "Der Mörder hat es unter ein Boot geschoben, das umgedreht an Land lag. Er muss es aus einem der anderen Boote genommen haben. Vielleicht hatte es auch jemand liegengelassen. Dann hat er es genommen, um Sluiter zu erschlagen und unter dem Boot verschwinden lassen. Sieht fast nach einer Spontanhandlung aus. Jedenfalls nicht nach einer durchdachten und von Anfang an geplanten Aktion."

      "Zumindest nicht in diesem Punkt", musste Lorant zugeben.

      "Sie waren in Oldenburg beim Kollegen Vanderbehn?"

      "Ja."

      "Und der hat Ihnen eine Liste von Vermissten gezeigt?"

      "Schon möglich!"

      "Nun halten Sie nicht so hinter dem Berg damit, Lorant! Wir sollten zusammenarbeiten."

      Lorant hob die Augenbrauen. Er fragte sich, ob das Angebot seines Gegenübers ernst gemeint war. Wahrscheinlich nicht, dachte Lorant. Es gefällt ihm nur nicht, dass ich auf eigene Faust ermittle und ihm ein Stück voraus bin.

      Spring über deinen Schatten, Lorant!, meldete sich eine Stimme in ihm. Es geht darum, einen Mörder zu fangen. Ihn daran zu hindern, weitere Menschen umzubringen.

      Dass er das tun würde, hatte Lorant im Gefühl. Er hatte keine Erklärung dafür, nichts, was sich irgendwie durch Fakten belegen ließ. Es war einfach nur seine Ansicht. Der Mörder hatte noch nicht erreicht, was erreichen wollte.

      Wer ist das Publikum?, durchzuckte es Lorant wie ein greller Blitz. Vergiss diese Frage nie. Sie ist der Schlüssel. Ganz bestimmt...

      "Also gut", sagte Lorant schließlich. Er erhob sich, ging ein paar Schritte in Richtung des Fensters, um der immer dichter werdenden Qualmwolke zu entfliehen. "Unter den Vermissten gibt es einen, der hier aus der Gegend kommt. Eilert Eilerts, 52 Jahre alt und zuletzt als Bar-Mixer im X-Ray beschäftigt."

      "Die Liste kenne ich auch", sagte Steen. "Und selbstverständlich bin ich auch mit dem Fall Eilerts vertraut. Ich möchte auf keinen Fall, dass sie seine Familie aufsuchen und ihr erzählen, dass die Leiche in Huntetal vielleicht derjenige ist, den sie vermissen... Noch ist nämlich nichts erwiesen. Wir müssen die Gesichtsrekonstruktion der Gerichtsmediziner in Bremen abwarten."

      Abwarten, abwarten, abwarten...

      Auch eine Ermittlungsmethode, dachte Lorant. Aber eine, von der er sich geschworen hatte, sie möglichst nicht mehr anzuwenden. Jahrelang hatte er das tun müssen. Aber diese Zeiten waren längst vorbei.

      "Ich soll die Hände in den Schoß legen."

      "Wenn Sie's übers Herz bringen, Lorant..."

      "Kann ich nicht versprechen."

      "Sie erschweren uns ansonsten die Arbeit."

      "So ein Quatsch."

      Eine Pause entstand.

      Die Tür des Wartezimmers wurde geöffnet. Jansen kam herein. "Wir haben die wahrscheinliche Tatwaffe gefunden."

      Steen sprang auf. "Und?"

      "Ein Baseballschläger. Lag etwas entfernt in einer Grabenböschung, so als hätte ihn jemand in aller Eile weggeworfen und gehofft, dass er im Graben versinkt. Letzte Sicherheit gibt natürlich erst ein Vergleich des DNA-Materials."

      "Logisch."

      "Und noch was... Auf dem Hof gibt's eine Bremsspur, die wahrscheinlich von einem Motorrad stammt."

      "Wahrscheinlich von einer Harley!", meinte Lorant.


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