Private Ermittler - 2000 Seiten, 16 Krimis in einer Sammlung. Alfred Bekker

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Private Ermittler - 2000 Seiten, 16 Krimis in einer Sammlung - Alfred Bekker


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      Bernhardines Sluiters Gesicht veränderte sich. Lorant hatte sie noch nie zuvor so erlebt. Sie wurde blass. Ihre sonst so streng kontrolliert wirkenden Gesichtszüge verloren jegliche Fassung. Allerdings währte das nur einen Augenblick lang, dann hatte sie die Kontrolle wiedererlangt.

      "Nein, das hat er nicht."

      "Sie wissen, dass man solche Tests durchführt, um anhand von genetischem Material wie einem Haar, einem Fingernagel, dem Speichel einer Zigarettenkippe zu bestimmen, ob zwei Menschen miteinander verwandt sind?"

      "Ja, ich bin ja nicht von gestern, Herr Lorant", erwiderte Bernhardine Sluiter ungewöhnlich kratzbürstig.

      Sie ließ sich in einen der tiefen Sessel fallen und wirkte in diesem Moment ziemlich kraftlos. Ganz im Gegensatz zu ihrer sonstigen Verfassung.

      "Möglicherweise kommt da noch Ärger auf Sie zu", murmelte Lorant.

      "Inwiefern?"

      "Angenommen, Ihr Mann hätte ein uneheliches Kind gehabt, von dem Sie bisher keine Ahnung gehabt hätten, dann wäre das natürlich auch erbberechtigt und müsste eventuell ausgezahlt werden..."

      Sie sah Lorant überrascht an. Dann schüttelte sie den Kopf. "Das glaube ich nicht."

      "Aber wenn sich der Verdacht auf jemand anderen bezog..."

      "Sie sprechen von Rena?"

      Jetzt hat sie es ausgesprochen, nicht ich, dachte Lorant.

      Er nickte.

      "Warum hat er Ihnen von seinen Vermutungen nichts gesagt?"

      "Wahrscheinlich deshalb, weil er Rena sehr mochte und sich meine Reaktion ausmalen konnte..."

      "Worin hätte die bestanden?"

      Ein formelles Lächeln erschien auf Bernhardine Sluiters Gesicht. "Lassen wir dieses Thema, Herr Lorant."

      "Wie Sie wollen."

      "Ich WILL es so", bestätigte sie.

      "Dann noch etwas anderes: Ihr Mann war Mitglied in einem Boßel-Verein, der sich 'Soipkedeeler' nannte."

      "Ja."

      "Sie nicht?"

      "Ich war ein paar Mal mit zum Boßeln, aber ich vertrage die Trinkerei nicht. Mein Magen ist etwas angegriffen. Wissen Sie, ich wirke vielleicht so, als würde ich alles gut wegstecken, egal, was da kommt. Das Ergebnis sind zwei Magengeschwüre."

      "Wissen Sie jemanden, der mir mehr über diesen Verein erzählen kann?"

      "Gehen Sie zu Franz Hinderks, der wohnt zwei Straßen weiter."

      "Das werde ich tun."

      ––––––––

      33.

      Franz Hinderks war ein freundlicher Rentner. Zwei Stunden lang musste Lorant sich diverse Anekdoten über Gretus Sluiter und das Boßeln anhören. Über Dr. Purwin hatte Hinderks auch seine festen Ansichten. "Der hat hier nicht richtig dazugepasst!", meinte der Rentner. "Einfach zu steif und ungesellig.

      "Und Eilert Eilers?"

      "Der konnte 'ne Menge vertragen, kann ich Ihnen sagen. Was der in sich hineingeschüttet hat, ohne auch nur im geringsten zu schwanken, das glaubt man nicht, wenn man es nicht vorher gesehen hat!"

      "Können Sie sich einen Grund denken, weshalb allen drei Opfern dieser Mordserie eine Boßel-Kugel demonstrativ beigelegt wurde?"

      "Nee, da kann ich mir keinen Reim drauf machen. Also, bei uns geht's ja nur um den Spaß und dass einer von uns was damit zu tun hat, da lege ich meine Hand für ins Feuer, dass das nicht sein kann!"

      "Aber es muss eine Verbindung zwischen diesen Morden und dem Boßel-Sport geben!"

      "Glauben Sie vielleicht, hier wird jemand umgebracht, weil ihm der Sieg nicht gegönnt wird?"

      Lorant zuckte die Achseln. "Ich weiß ja nicht, mit welchem Fanatismus Sie das betreiben!"

      "Fanatismus! Das ist das völlig falsche Wort. Es geht um Geselligkeit und Spaß! Im Herbst geht man hinterher Grünkohl mit Pinkel essen, im Frühjahr ist Spargel dran. Wer gewinnt, das ist doch völlig zweitrangig!"

      "Vielleicht könnten Sie mir eine Mitgliederliste überlassen."

      "Ich weiß nicht..."

      "Ich glaube nicht, dass einer Ihrer Boßelbrüder ein Mörder ist, aber vielleicht kann mir der eine oder andere noch wertvolle Hinweise geben. Schließlich wollen Sie doch auch, dass Gretus Sluiters Mörder gefasst wird!"

      Franz Hinderks machte ein sehr betroffen wirkendes Gesicht.

      "Es hat mich ziemlich mitgenommen, als Bernhardine mir gesagt hat, dass sie glaubt, ihr Mann sei nicht an den Folgen eines Unfalls gestorben, sondern umgebracht worden. Ich konnte mir erst gar nicht vorstellen, dass so etwas in unserer friedlichen Gegend hier passieren könnte..."

      "Aber es ist so. Hier geht ein Mörder um und weil die Polizei es nicht schafft, ihn zu stellen, hat Frau Sluiter mich engagiert."

      "Ja, ich weiß..."

      "Wenn Sie schon mir nicht trauen, dann sollten Sie Frau Sluiter..."

      "Es ist nicht so, dass ich Ihnen nicht traue, Herr Lorant!", unterbrach ihn der Rentner. Schließlich gab sich Franz Hinderks einen Ruck und händigte ihm eine aktuelle Mitgliederliste der Söipkedeeler aus.

      "Ich hoffe, Ihnen damit auch wirklich geholfen zu haben, Herr Lorant."

      "Das wird sich herausstellen", war Lorants zurückhaltende Antwort.

      ––––––––

      34.

      Als Lorant am Abend zum Gasthaus von Beate Jakobs zurückkehrte, saß der rotgesichtige, dickbäuchige Bauer mit der Prinz Heinrich-Mütze am Skattisch und drosch zusammen mit drei anderen Männern die Karten, dass es knallte.

      Beate Jakobs begrüßte Lorant sehr freundlich.

      "Moin, Herr Lorant."

      "Moin", antwortete Lorant. Inzwischen hatte er sich daran gewöhnt, dass der Gruß 'Moin' zu jeder Tageszeit gesagt wurde und offensichtlich mit dem hochdeutschen 'Guten Morgen' nur eine gewisse klangliche Verwandtschaft teilte.

      "Sie können doch so toll Klavier spielen", begann die Wirtin.

      "Naja..."

      "Doch, doch, nun untertreiben Sie mal nicht! Man sollte sein Licht nicht unter den Scheffel stellen!"

      "Eine Tonleiter kriege ich noch hin."

      "Die Herren am Kartentisch hätten es gerne, wenn Sie was für sie spielen würden."

      Plötzlich war es ganz ruhig am Tisch geworden. Die Männer blickten Lorant erwartungsfroh an.

      "Ich wusste gar nicht, dass Sie Jazz mögen."

      "Wie wär's denn mit dem 'Bottermelk-Tango' von Hannes Vader!", schlug einer der Männer vor.

      "Den kenne ich leider nicht."

      "Und soo'n anständigen Shanty?"

      "What shall we do with the drunken sailor?"

      Das Vier-Mann-Publikum johlte.

      Lorant versuchte sich zu erinnern, wann er das letzte Mal so eine Publikumsresonanz erzeugt hatte. Aber mit wahrer Kunst schaffte man so etwas nicht so leicht. Lorant setzte sich ans Klavier, spielte die ersten Akkorde. Die Männer grölten mit. Ein paar Kurze hatten sie wohl schon intus. Das hatte vielleicht ihre Stimmen geölt, trug


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