Private Ermittler - 2000 Seiten, 16 Krimis in einer Sammlung. Alfred Bekker
Читать онлайн книгу.im Bus eine Prügelei angezettelt hatte... Nur das jetzt nicht!
Das Klingeln war ziemlich hartnäckig.
Rena überlegte einige Augenblicke lang, ob sie überhaupt an den Apparat gehen solle.
Standen ihr diese raren Momente der Ruhe nicht zu? Ein Moment, um die Wunden zu lecken und wieder einigermaßen zu Verstand zu kommen?
Schließlich ging sie doch zum Telefon, nahm ab.
"Rena Sluiter am Apparat."
"Rena, endlich!"
Es war Tom Tjadens Stimme. Rena schlug der Puls zum Hals.
"Tom, du musst verrückt sein, hier anzurufen!"
"Wir müssen dringend reden. Dieser Privatdetektiv war bei mir im X-Ray und hat ordentlich für Wirbel gesorgt!"
"Ich habe nichts damit zu tun!"
"Sie zu, dass du ihn stoppst, Rena, sonst kann ich für nichts mehr garantieren!"
Rena hörte ein paar Nebengeräusche, die sie stutzig machten. Darunter eine ziemlich laute WC-Spülung.
"Tom, wo bist du? Telefonierst du vom Klo aus?"
"Hör zu, gestern war dieser Lorant hier, heute stellen mir die Bullen den Laden auf den Kopf. Da besteht doch ein Zusammenhang!"
"Und du sitzt mit dem Handy auf dem Klo und rufst MICH an. Du musst wahnsinnig sein..."
"Rena, hör zu..."
Die junge Frau hörte eine andere männliche Stimme im Hintergrund fragen: "Sind Sie jetzt fertig, Herr Tjaden?"
Dann war die Verbindung unterbrochen.
Rena stellte fest, dass ihre Hand zitterte, als sie den Hörer wieder einhängte. Sie biss sich auf die Lippen. So doll, dass es wehtat. Eine alte Angewohnheit von ihr. In diesem Moment klingelte es an der Tür. Das brachte Rena zurück ins Hier und Jetzt.
Sie zog ihren sehr eng sitzenden Pullover glatt, strich sich eine verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht und ging zur Haustür. Ihre Hände waren schweißnass. Sie versuchte sie am Stoff ihrer Jeans trocken zu reiben.
Dann öffnete sie.
Ein relativ unscheinbarer Mann stand draußen vor der Tür. Er trug ausgebeulte Jeans und ein ausgebeultes Jackett.
"Guten Tag, mein Name ist Lorant. Ihre Schwiegermutter hat mich engagiert, um den Tod von Gretus Sluiter aufzuklären."
Wenn man vom Teufel spricht, dachte Rena.
Rena hob die Augenbrauen, versuchte dabei ein so gleichgültig wirkendes Gesicht wie möglich zu machen. Nur glatt wirken, nur keine verräterischen Falten zeigen...
Lorant fuhr fort: "Ich hätte ein paar Fragen an Sie. Darf ich herein kommen?"
"Sicher. Allerdings kommen gleich meine Jungs nach Hause. Ich werde nicht viel Zeit für Sie haben."
"Dauert auch nicht lange."
"Um so besser."
Was weiß dieser Mann inzwischen schon alles?, ging es Rena im selben Augenblick durch den Kopf. So unscheinbar dieser Schnüffler auch schien, er wusste genau, was er tat.
Ahnt er etwas von Tom und mir?, überlegte sie.
Sie hielt selbst das nicht mehr für ausgeschlossen.
Nur ruhig bleiben!, sagte sie zu sich selbst. Langsam atmen, nicht rot werden... Was auch immer für phänomenale Fähigkeiten dieser Lorant haben mag - Gedankenlesen wird kaum dazu zählen!
––––––––
30.
Lorant wurde ins Wohnzimmer geführt. Ungefragt nahm er Platz, ließ sich in einem der tiefen Sessel nieder. Rena Sluiter hingegen blieb stehen.
Sie sieht blass aus, dachte Lorant. Wie jemand, der gerade eine zutiefst schockierende Nachricht erhalten hat...
"Wir hatten leider bislang noch nicht das Vergnügen, uns ausführlich über den Tod Ihres Schwiegervaters unterhalten zu können", begann Lorant. "Aber das können wir ja jetzt nachholen."
"Wie gesagt, ich habe nicht viel Zeit."
"Ich denke, sie wird reichen."
"Dann kommen Sie doch bitte endlich zur Sache, Herr Lorant."
"Gerne." Lorant machte eine kurze Pause und fuhr dann fort: "Ihre Schwiegermutter ist davon überzeugt, dass Gretus Sluiter ermordet wurde. Sie auch?"
Rena verschränkte die Arme vor der Brust und ging vor der Fensterfront auf und ab.
Sie setzte mehrmals an, bevor sie schließlich zu sprechen begann. Ihre Stimme war belegt. "Ich will ganz offen sein, Herr Lorant."
"Darum bitte ich."
"Ich war dagegen, Sie zu engagieren, aber meine Schwiegermutter ist eine sehr willensstarke Frau, wie Sie inzwischen auch gemerkt haben dürften."
"Allerdings."
"Ich weiß nicht, ob mein Schwiegervater durch einen Unfall ums Leben geommen ist oder ermordet wurde. Aber wie auch immer, ich denke, dass man die Ermittlungen der Polizei überlassen sollte."
"Meiner Auftraggeberin reichten deren Bemühungen nicht aus."
"Nun, meine Schwiegermutter lässt sich von niemandem Vorschriften machen. Von mir am wenigsten. Also ist es unsinnig, weiter über diesen Punkt zu diskutieren. Sie sind engagiert und ich hoffe, dass Sie im Interesse der Familie einigermaßen diskret bleiben."
Lorant wechselte jetzt das Thema.
"Sie haben vom Tod Doktor Purwins gehört?"
Rena Sluiter nickte. "Ja, das habe ich."
"Waren Sie bei ihm in Behandlung?"
"Nein, aber mein Mann und die Kinder."
"Und Ihr Schwiegervater?"
"Ich glaube schon."
"Warum Sie nicht?"
"Muss ich mich jetzt für meine Arztwahl bei Ihnen rechtfertigen?"
"Entschuldigen Sie, es war nur eine Frage. Sie müssen darauf nicht antworten -—so wie Sie im übrigen ja nicht verpflichtet sind, überhaupt eine meiner Fragen zu beantworten. Es ist nur so, dass es auf dem Land ja relativ häufig ist, dass eine ganze Familie zu demselben Hausarzt in Behandlung geht, wenn irgendwo der Schuh drückt oder der Hals kratzt. Aber wenn Sie kein Vertrauen zu Dr. Purwin hatten, dann..."
"Herr Lorant, ich habe den Eindruck, dass Sie irgendwie um den heißen Brei herumreden. Es wäre sehr freundlich, wenn Sie jetzt endlich auf den Punkt kämen, anstatt sich über Fragen zu ergehen, die nun wirklich vollkommen privater Natur sind."
Sie blieb jetzt genau dort stehen, wo sich die bis zum Fußboden reichenden Gardinen trafen. Das Bild erinnerte Lorant an einen Fernsehwerbespot, der jahrzehntelang im Deutschen Fernsehen gezeigt worden war. ADO-GARDINEN -—DIE MIT DER GOLDKANTE. Um zu beurteilen, ob diese Gardinen eine Goldkante besaßen, war Lorant einfach nicht Gardinenfachmann genug.
"Ist da unten irgendetwas?", fragte Rena Sluiter.
Lorant blickte auf, Rena direkt ins Gesicht.
"Nein, ich war einen Moment lang in Gedanken." Lorant erhob sich, steckte die Hände in die Hosentaschen. Dann fuhr er nach kurzer Pause fort: "Dr. Purwin wollte mir etwas Wichtiges sagen. Bevor ich ihn erreichte, wurde er ermordet."
"Wie tragisch!"
"Ich fand den Toten, informierte die Polizei. Aber er hatte einen Zettel bei sich, der mit ziemlich großer Sicherheit für mich bestimmt gewesen ist."
"Und