Private Ermittler - 2000 Seiten, 16 Krimis in einer Sammlung. Alfred Bekker
Читать онлайн книгу.denke, ich kapier schon."
Die Drinks kamen. Jonny stellte sie auf den Schanktisch. Tom Tjaden nahm den seinen, hielt ihn kurz hoch und prostete Lorant zu. "Auf was immer Sie wollen, Herr Lorant!"
"Auf die Wahrheit!"
"Meinetwegen."
"Ihr Bar-Tender war nicht besonders auskunftsfreudig."
"Darum habe ich ihn eingestellt. Diskretion ist eine seiner wichtigsten Eigenschaften."
"Verstehe."
"Sie haben sich nach Eilert Eilers erkundigt?"
"Ja."
"Was ist mit ihm?"
"Ich war eigentlich hier, um Fragen zu stellen, nicht um welche zu beantworten."
Tom Tjaden nippte an seinem Drink und lachte auf. "Also gut. Eilert ist einfach so von einem Tag auf den anderen verschwunden. Zur selben Zeit fehlte auch Geld in der Kasse."
"Und da haben Sie gleich einen Zusammenhang gesehen."
"Ist das so abwegig?"
"Nein, natürlich nicht."
"Andererseits hätte das Geld nie ausgereicht, um irgendwo anders eine neue Existenz aufzubauen oder so etwas. Zirka fünfhundert Euro waren es und ich bin mir nicht einmal hundertprozentig sicher, ob Eilert Eilers wirklich dahinter steckte. Ich habe ja schließlich noch mehr Mitarbeiter."
"Klar."
Tjaden zuckte die Achseln. Für einen Moment wirkte sein Gesicht fast nachdenklich. "Aber mal abgesehen von diesem Betrag, den ich aus der Portokasse nehme..."
"So gut laufen die Geschäfte?"
"...es macht einen doch stutzig, wenn einer von heute auf morgen einfach nicht mehr auftaucht."
Lorant begann, von der Leiche in Huntetal zu berichten und erwähnte dabei auch die beigelegte Boßel-Kugel. "Bis die Gerichtsmediziner das Gesicht rekonstruiert haben, wird es wohl noch ein bisschen dauern, aber ich bin überzeugt davon, dass es sich um Eilert Eilers handelt."
"Sind Sie ein Hellseher oder so etwas? Ich habe ein Etablissement mit einer etwas anderen Publikumsausrichtung auf Borkum. Vielleicht könnten Sie da mal auftreten..."
"Drei Menschen wurden ermordet. Jedem von ihnen wurde eine Boßel-Kugel beigelegt: Gretus Sluiter, der Mann aus Huntetal, von dem ich glaube, dass es sich um Eilers handelt und..."
Tjaden hob die Augenbrauen.
"Wer noch?"
"Dr. Frank Purwin aus Moordorf. Er ist das letzte Opfer. Kurz bevor er mir etwas sagen konnte, wovon er meinte, dass es in Bezug auf Sluiters Tod wichtig wäre, wurde er mit einem Baseballschläger umgebracht."
"Was Sie nicht sagen..."
Tjaden machte ein Pokerface. Es war unmöglich, ihm anzusehen, ob er von Purwins Tod schon vorher gewusst hatte oder nicht. Aber selbst wenn, war das kein Indiz gegen ihn, wusste Lorant. Schließlich verbreiteten sich hier Neuigkeiten und Gerüchte im Eiltempo. So schnell, als ob der Wind sie über das flache Land blasen würde.
Lorant fuhr fort: "Vor der Praxis hat die Polizei eine deutlich sichtbare Bremsspur gefunden, die wahrscheinlich von einem Motorrad stammt."
"Na, und?"
"Ich hatte gerade eine Begegnung mit Ihrem Rausschmeißer."
"Victor?"
"Auch ein Motorrad-Fahrer."
Zum ersten Mal kam jetzt ein ärgerlicher Unterton in Tom Tjadens Worte. Seine Stirn zog sich zusammen. Falten durchzogen sein Gesicht und bildeten markante Linien. Mit der wahrscheinlich durch irgendwelche Beauty-Tricks herbeigeführten Glätte war es also nicht so weit her. Tjadens wahres Alter wurde jetzt ziemlich offensichtlich. Ein Trost, dachte Lorant.
"Wollen Sie jetzt Motorradfahrer im Kreis Aurich oder darüber hinaus verdächtigen? Damit Sie's gleich wissen: Ich habe sogar ZWEI Motorräder. Eine Harley und eine Kawasaki." Er atmete tief durch, fuhr sich mit einer fahrigen Geste über das Gesicht. "Leider komme ich nicht so viel dazu, mit den Maschinen durch die Lande zu gurken, wie ich mir das vorstelle. Aber das ist ein anderes Thema..."
"Ich wollte Sie keinesfalls in irgendeiner Weise angreifen!"
"Ach, nee? Keine Sorge, ich nehme Ihnen den Drink schon nicht wieder weg!"
"Na, da bin ich aber beruhigt."
Tjaden merkte, dass er wohl etwas zu laut geworden war. Einige der Gäste waren selbst von den nackten Tatsachen der blonden Schönen auf der Bühne abgelenkt worden und hatten sich umgedreht. Tjaden vollführte ein paar beschwichtigende Gesten, die ihn fast wie einen Dirigenten erscheinen ließen. "Alles in Ordnung. Sehen Sie wieder in die andere Richtung, da ist es interessanter!"
Eines der Girls saß in unmittelbarer Nähe. Sie war Lorant gleich aufgefallen. Eine Dunkelhaarige mit aufregender, sehr kurviger Figur. Sie trug ein knappes Kostüm. Lorant fragte sich, ob sie ihren Auftritt noch vor sich hatte. In dem Fall lohnte es sich vielleicht, noch etwas im X-Ray zu verweilen.
"Glotz mich nicht so an, Melinda!", fuhr Tjaden sie an.
"Ist ja gut!"
Tjaden leerte sein Glas. Lorant nahm auch einen Schluck. Der Drink war ihm entschieden zu süß. Die schöne Melinda verzog sich mit einem Schmollmund.
"Seien Sie froh, dass ich Ihnen diese Fragen stelle, Herr Tjaden. Die Polizei wird dasselbe wissen wollen - auch wenn's bei deren Arbeitsgeschwindigkeit noch eine Weile dauern kann."
Tjaden verzog das Gesicht.
"Ich zergehe vor Dankbarkeit."
"Victor hat zusammen mit einem Komplizen Ubbo Sluiter verprügelt. Ich kam gerade dazu und mir hätte Ihr Rausschmeißer beinahe eine Kugel zwischen die Ohren gebrannt."
Tjaden hob die Augenbrauen. "Bin ich das Kindermädchen dieses jungen Mannes?"
"Ich dachte, es interessiert Sie trotzdem - falls Sie es nicht schon wussten. Victor hat Ubbo Sluiter übrigens angedroht, dass es ihm wie seinem Vater ergehen könnte."
"Sie meinen, Victor hat diesen Sluiter, Eilers und den Doc umgebracht?"
"Ich bin überzeugt davon, dass es derselbe Täter war."
"Ich kann Ihnen leider nicht weiterhelfen, Herr Lorant."
"Sie könnten mir sagen, ob Eilert Eilers boßelte."
"Keine Ahnung. Da müssten Sie seine Familie fragen."
"Haben Sie sich dort eigentlich mal gemeldet, nachdem er verschwand? Um sich zu erkundigen, meine ich."
"Ja. Aber dabei ist nichts herausgekommen."
"Ich möchte, dass Sie mir Victors vollständigen Namen und seine Adresse geben."
"Tut mir leid."
"Wie?"
"Ich habe ihn für ein Handgeld engagiert. Keine Ahnung, wer er ist und wo er herkommt."
"Bei der Polizei werden Sie sich nicht so einfach rausreden können."
"Dass lassen Sie mal meine Sorge sein, Lorant."
Lorant lächelte dünn. "Ich werde dann ja sicher in der Zeitung davon lesen, wenn Sie festgenommen werden."
Tjaden kochte innerlich. Es kostete ihn sichtlich Mühe, sich zu beherrschen. Seine Hände krampften sich zu Fäusten zusammen. Am Hals pulsierte eine Ader.
"Besser Sie gehen jetzt, Lorant."
Lorant deutete zur Bühne.
"Ich würde mir diese Melinda gerne noch ansehen. Wann tritt die auf?"
"Ich sage so etwas nicht zweimal, Lorant!"
"Schade... Ich hätte dann