Private Ermittler - 2000 Seiten, 16 Krimis in einer Sammlung. Alfred Bekker

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Private Ermittler - 2000 Seiten, 16 Krimis in einer Sammlung - Alfred Bekker


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      "Ah, ich komme mit dem neuen Euro-Geld einfach noch nicht richtig zurecht!", meinte die alte Dame, nachdem die Kinder gegangen waren und sie sich Lorant zuwandte.

      "Naja, hoffen wir, dass es fürs Erste die letzte Währungsreform ist!"

      "Ja, da sagen Sie was!"

      "Frau Jakobs, ich muss Sie sprechen."

      "Kartoffelsalat mit Bockwurst ist jetzt alle! Aber Koteletts habe ich!"

      Lorant schüttelte den Kopf. "Es geht um Ihren Gast, diesen Tätowierten."

      "Herrn Kaminski?"

      "Ja."

      "Was ist mit ihm?"

      "Seit wann ist er hier?"

      "Oh, schon lange. Sechs Wochen glaube ich."

      "Hat der so lange Urlaub?"

      "Na, der redet nicht viel. Jedenfalls nicht mit mir."

      "Tja, mit mir leider auch nicht."

      "Warum fragen Sie mich das alles?"

      "Nur so."

      "Wissen Sie, wo sie das gerade sagen. Dieser Herr Kaminski kam mir von Anfang an bekannt vor. Die ganze Zeit habe ich überlegt: Jau, den Mann hast du doch schon mal gesehen. Und wissen Sie wat? Gestern sitze ich da und schaue mir Fotoalben von früher an. Und da sehe ich plötzlich, woher er mir bekannt vorkam. Er sah genau so aus wie der Mann meiner jüngeren Schwester, als der in demselben Alter war. Von seiner Rente hat der ja auch nicht mehr viel gehabt, der Willi. Zwanzig Jahre ist der mindestens schon tot. Aber diese Ähnlichkeit mit diesem Kaminski... "

      "Ja, ja..."

      "Das war neulich auch das Thema in der Sendung von Pastor Fliege: Doppelgänger! Nicht verwandt und doch das gleiche Gesicht."

      Immerhin wusste Lorant nun, dass der Tätowierte -—Kaminski -—lange genug in der Gegend gewesen war, um für alle Morde als Täter in Frage zu kommen.

      "Ich gehe aufs Zimmer und hau mich ein bisschen aufs Ohr", sagte Lorant.

      "Ja, wie Sie wollen, Herr Lorant!"

      Lorant ging die Treppe hinauf.

      Kaminskis Zimmer lag am Ende des Flurs. Jedenfalls vermutete Lorant das, denn er hatte ihn einmal dort hineingehen sehen. Als Lorant vor der Tür stand, holte er ein Nageletui hervor. Er hatte sich ein spezielles Set zum Öffnen von Türen angelegt. Im nächsten Moment konnte er das Zimmer betreten. Mit der Aussage eines notorischen Säufers würde er diesen Mörder kaum überführen können. Da musste er schon etwas mehr auf den Schreibtisch von Kriminalhauptkommissar Meinert Steen legen, wenn er sich nicht einfach nur lächerlich machen wollte.

      Lorant ließ den Blick schweifen.

      Von Ordnung hielt Kaminski augenscheinlich nicht viel. Überall lagen T-Shirts und andere Kleidungsstücke herum. Auf dem Tisch standen mehrere Bierdosen.

      Lorant wandte sich dem Schrank zu und öffnete ihn. Der Koffer fiel ihm fast entgegen. Lorant nahm ihn, legte ihn aufs Bett und öffnete ihn. Kleidungsstücke waren ohne jede Ordnung hineingepresst worden, so dass der Koffer nicht zu schließen war. Aber Lorant fand auch noch etwas anderes.

      Ein gepolstertes Kuvert. Es war unverschlossen. Lorant schüttete den Inhalt auf den Tisch. Es handelte sich um Zeitungsausschnitte. SCHWERER UNFALL BEIM BOßELN, lautete eine der Überschriften. MOTORRADFAHRER VERUNGLÜCKT, hieß eine andere Headline. Lorant las weiter: 'Am Samstag kam es zu einem schweren Unfall, als ein 28jähriger Motorradfahrer mit seiner 24jährigen Beifahrerin auf dem Rücksitz in eine Gruppe von Boßel-Freunden hineinfuhr. Der Kradfahrer geriet durch das Auffahren auf eine der Hartholzkugeln ins Schleudern und landete im Graben. Schwer verletzt wurden der Fahrer und seine Beifahrerin mit dem Rettungshubschrauber abtransportiert. Der Zustand des 28jährigen ist stabil, seine Beifahrerin verstarb noch auf dem Weg in die Klinik. Ein Polizeisachverständiger stellte fest, dass die Geschwindigkeit des Motorrades deutlich überhöht gewesen sei. Der Fahrer habe offenbar die Warnhinweise der Boßel-Freunde nicht beachtet, von denen übrigens durch den Unfall niemand in Mitleidenschaft gezogen wurde.'

      Das ist es also!, dachte Lorant. Das Motiv für einen Mord.

      Rache...

      Lorant sah weitere Ausschnitte durch.

      Einer enthielt auch ein Bild von Kaminski.

      Etwas dicker war er damals gewesen.

      MOTORRADFAHRER ÜBERLEBTE SCHWEREN UNFALL, stand unter dem Bild. Es hatte sogar ein Gerichtsverfahren gegeben. Kaminski hatte die Schuld an dem Unfall bekommen. Unter anderem war ihm ein einjähriges Führerscheinverbot aufgebrummt worden. ANGEKLAGTER BRICHT BEI PROZESS VOR DEM VERKEHRSGERICHT ZUSAMMEN: SIE WAR DOCH DIE GROßE LIEBE FÜR MICH...

      Die Boßel-Freunde waren von jeder juristischen Mitverantwortung freigesprochen worden.

      Die alleinige Schuld an dem Unfall wurde der überhöhten Geschwindigkeit des Motorrads und der mangelnden Aufmerksamkeit des Fahrers angelastet.

      Und dieser amtlich beglaubigten Schuldzuweisung hatte Kaminski offenbar nicht leben können. Manche brachten sich in derartigen Situationen selbst ums Leben. Andere versuchten, die Gerechtigkeit auf ihre Weise wieder herzustellen. Oder das, was sie dafür hielten. Lorant hatte derartige Fälle schon als Akten auf dem Schreibtisch gehabt. Damals, in seiner Polizei-Zeit.

      Mord und Selbstmord. Manchmal nur zwei Seiten ein und derselben Medaille.

      Melinda alias Frauke Oltrogge muss die Zusammenhänge geahnt haben, als sie meinem Gespräch mit Tjaden zuhörte, überlegte Lorant. Ein motorradfahrender Rächer, für den Boßeln etwas mit Tod zu tun hat. Darüber wollte sie vermutlich mit mir reden.

      Lorant sah sich weiter um, nahm sich den anderen Flügel des Schranks vor.

      Was er dort entdeckte, überraschte ihn nicht mehr im Mindesten.

      Boßel-Kugeln.

      Nagelneu.

      Insgesamt acht Stück.

      Wie ich sehe, hattest du noch eine Menge vor, Kaminski!, dachte Lorant.

      ––––––––

      38.

      Lorant griff zum Handy, überlegte kurz, ob er die Nummer der Auricher Kripo wählen sollte, um Steen eins auszuwischen. Aber nein, dachte er dann, du bist der Sieger, du hattest Recht und du musst niemandem mehr etwas beweisen, Lorant! Also sei ein großzügiger Sieger. Leben und leben lassen. Keine gute Devise?

      Es gab da einen James-Bond-Film, der einen geringfügig anderslautenden Titel trug.

      Leben und sterben lassen.

      Die Versuchung war wirklich groß, Steen eins reinzuwürgen. Lorant überwandt seinen inneren Schweinehund und wählte Steens Nummer.

      Das Schicksal meinte es gut mit Lorant.

      Jansen war am Apparat.

      "Ist Hauptkommissar Steen nicht da?"

      "Hat schon Feierabend."

      "Dann haben Sie jetzt Ihren großen Auftritt, Jansen."

      Lorant erläuterte ihm in knappen Worten, worum es ging und dass sofort jemand herkommen müsste, um die Beweise zu sichern. Beweise gegen den wahren Boßelkugel-Killer.

      Plötzlich hörte Lorant auf sprechen.

      "Sind Sie noch dran?", fragte Jansen in sein Ohr hinein.

      Lorant glaubte, ein Geräusch gehört zu haben. Eine Fußbodenbohle hatte geknarrt, wie durch einen ungeschickten Schritt.

      Lorant wirbelte herum.

      Die Tür flog


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