Private Ermittler - 2000 Seiten, 16 Krimis in einer Sammlung. Alfred Bekker

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Private Ermittler - 2000 Seiten, 16 Krimis in einer Sammlung - Alfred Bekker


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losgelassen. Sein Vorgesetzter hatte ihm damals verboten, sich weiter mit dem Fall zu beschäftigen, und zunächst hatte er dazu auch nicht die Kraft gehabt. Der Prozess gegen Dinescu hatte sich hingezogen und war für Berringer eine einzige Qual gewesen. Das Urteil hatte allerdings alles andere als einen Schlusspunkt gesetzt.

      Nicht für Berringer.

      Nur der Handlanger war zur Rechenschaft gezogen worden, und der Name des eigentlich Verantwortlichen wurde nicht einmal in den Prozessakten erwähnt.

      Denn Dinescu schwieg.

      Eisern.

      Er wusste, weshalb. Vielleicht fürchtete er um das Leben von Angehörigen, falls er etwas über seinen Auftraggeber verriet.

      Berringer hatte sich schließlich mehr oder minder damit abgefunden, dass es einfach keine Möglichkeit gab, an Dinescus Auftraggeber heranzukommen, und dass es vielleicht besser war, sich mit der Gegenwart zu beschäftigen, anstatt in der Vergangenheit zu versinken.

      Nun aber ...

      Es ist nur ein Strohhalm, sagte er sich. Nicht mehr ...

      „Ich möchte mehr über Garol ImEx wissen!“, verlangte Berringer mit einer Vehemenz und Entschlossenheit, die Dietrich etwas zurückzucken ließ.

      „Wir stehen noch ganz am Anfang, Berry. Und diese Firma ist vielleicht dubios, aber sie spielt bei der Sache wohl eher eine Nebenrolle.“ Kühlen Kopf bewahren, versuchte sich Berringer zur Ordnung zu rufen. Die Fakten analysieren. Stur und akribisch. So kommt man am weitesten. Alles andere bewirkt nur, dass man sich das Hirn vernebelt und das Offensichtliche übersieht ...

      „Mit welcher Waffe wurde auf Gerath geschossen?“, fragte er. Berringer kam es vor, als ob sich sein Mund ganz automatisch bewegte. Jahrelange Berufsroutine als Ermittler – ob nun im Polizeidienst oder als Privatschnüffler. Das war es, was ihn in diesem Augenblick erst einmal rettete.

      „Es war ein Jagdgewehr.“

      „In beiden Fällen?“

      „Ja.“

      „Wurden Patronenhülsen gefunden?“

      „Ja, am Tatort des ersten Attentats, in dem kleinen Waldstück, von dem Herr Gerath angab, von dort aus beschossen worden zu sein.“

      Berringer trat an die Fensterfront. Der Blick schweifte über die Krefelder Innenstadt.

      Ein Heißluftballon hing tief über dem Wasserturm, ein zweiter deutlich höher in der Nähe des Königpalasts. Eine große Altbierbrauerei war der Sponsor.

      „Dass ein Jagdgewehr verwendet wurde, spricht nicht dafür, dass ein professioneller Killer der Täter ist“, meinte Berringer schließlich. „Und die Patronenhülsen hätte der sicher aufgesammelt.“

      „Das hat mich auch gewundert“, gestand Dietrich.

      „Könntest du dir auch in Geraths persönlichem Umfeld jemanden vorstellen, der seinen Tod wünscht – oder ihn vielleicht einfach nur demütigen will?“

      „Wie gesagt, wir stehen noch ganz am Anfang, Berry. Tatsache ist, dass wir in dieser Mafiasache nicht weiterkommen, weil da eine Mauer des Schweigens ist. Und was Gerath angeht, so hat er zwar selbst die Vermutung geäußert, dass es diese Organisation auf ihn abgesehen hätte, aber ich habe auch bei ihm das Gefühl, dass er mir nicht alles gesagt hat. Da sind einfach noch zu viele Widersprüche.“

      „Vielleicht lassen die sich ja aufklären.“

      „Berry!“ Dietrich schaute Berringer direkt an. „Ich habe nichts dagegen, wenn wir zusammenarbeiten. Du kennst den gesetzlichen Rahmen, in dem du dich bewegen darfst. Du kennst ihn zumindest besser als die meisten anderen, die in dem Gewerbe tätig sind. Die glauben, dass sie schon Detektiv sind, wenn sie nur den Gewerbeschein in der Tasche haben. Na ja, das ist bei dir anders, Berry. Ich brauche dir also keine langen Vorträge zu halten ...“

      „Dann lass es am besten auch!“, fuhr ihn Berringer in die Parade.

      „Schon gut.“ Dietrich hob eine Hand. „Ich möchte, dass du mich umgehend informierst, wenn du etwas herausgefunden hast.“

      „Sofern das den Interessen meines Auftraggebers nicht zuwiderläuft – ja.“

      „Ich weiß nicht, weshalb es dessen Interesse zuwiderlaufen sollte, am Leben zu bleiben.“

      „Ich meine ja nur.“

      Dietrich nickte leicht. „Schön, dass wir uns da so einig sind, Berry.“ Er griff erneut zur Zigarettenschachtel. Björn Dietrichs Phase der Nikotinabstinenz schien vorbei zu sein. Mit etwas unter zehn Minuten hatte sie ihre maximale zeitliche Länge erreicht.

      Berringer verzog das Gesicht und sagte: „Ich lass dich jetzt rauchen, Björn. Wir haben ja alles besprochen.“

      „Nichts für ungut, Berry.“

      „Ich melde mich.“

      „Wehe, wenn nicht!“

      Bevor seine Hände vor Nikotingier anfangen zu zittern, dachte Berringer, gehe ich besser.

      Er wandte sich in Richtung Tür, hörte das Knipsen des Feuerzeugs und war erleichtert darüber, die Flamme nicht sehen zu müssen.

      Berringer war froh, wieder frei atmen zu können.

      Am Nordwall, an dem auch das Polizeipräsidium lag, befand sich passender Weise auch eine Haft- und Untersuchungsanstalt, sowie der Sitz des Land- und des Amtsgerichts.

      Verhaftung, Verhör und kurzer Prozess in erster und zweiter Instanz in ein- und derselben Straße, dachte Berringer. Sparte eine Menge Spritgeld ...

      Um zu seinem Wagen zu gelangen, musste er durch den Stadtgarten. Der Parkplatz, auf dem er den Wagen abgestellt hatte, befand sich un der Nähe des Arbeits- und Sozialgerichts am Preußenring.

      Seit Roman Dinescus Verurteilung wollte ihn Berringer in der Haft besuchen und zur Rede stellen. Soweit er erfahren hatte, erhielt der Lohnkiller in den Diensten der mysteriösen „Eminenz“ keinerlei Besuch von Angehörigen. Es wären also genug Termine frei gewesen. Gegen Dinescus Willen war das natürlich nicht möglich, aber bislang hatte Berringer noch nicht mal bei ihm anfragen lassen.

      Immer wieder hatte er das vor sich hingeschoben.

      Am Anfang hatte er natürlich viel Arbeit mit dem Aufbau seiner Detektei gehabt. Es erforderte schon ein gehöriges Maß an Energie, sich als Selbstständiger zu etablieren.

      Berringer hatte das zunächst unterschätzt. Andererseits konnte er im Nachhinein eigentlich von Glück sagen, eine Aufgabe gehabt zu haben, die ihn voll und ganz ausgefüllt und nur wenig Zeit zum Nachdenken gelassen hatte. Denn nichts war verheerender für die innere Stabilität als Grübelei. Der Gedanke daran, dass seine Frau und sein Kind noch hätten leben können, wenn er im Wagen gesessen hätte und nicht sie ... Dass dies alles gar nicht passiert wäre, hätte er sich nicht für jene Sonderabteilung freiwillig gemeldet, die der „Eminenz“ hatte zu Leibe rücken sollen ...

      Gedanken, Überlegungen, Mutmaßungen, die Berringer konsequent zu unterdrücken versuchte.

      Einmal die Woche ging er zu seinem Psychiater. Dort hatten diese Dinge Platz. Dort konnte er den inneren Dämonen etwas Freigang gewähren, wenn auch in einem eng umgrenzten Gehege.

      Berringer erreichte seinen Wagen, einem unscheinbaren Mitsubishi Carisma in graumetallic. Ein Wagen, an den man sich nicht erinnerte, der aber auch keine lahme Ente war – also wie geschaffen für jemanden, der Observationen durchzuführen hatte.

      Er fuhr los und fädelte sich in den Verkehr auf dem Preußenring ein, der nach kurzer Zeit den Namen wechselte und dann Frankenring hieß, da meldete sich sein Handy.

      Berringer hatte vergessen, es in die Freisprechanlage zu stellen, und während der Fahrt war das schlecht möglich.

      Also nahm er den Apparat ans Ohr.


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