Der Bergpfarrer Paket 2 – Heimatroman. Toni Waidacher
Читать онлайн книгу.wie sie darüber dachte. Als sie die Zeitung las, war ihr der Gedanke an ausgleichende Gerechtigkeit in den Sinn gekommen. Aber war es das wirklich? Oder wollte sie es nur so sehen?«
Pfarrer Trenker hatte ihr glaubhaft versichert, daß sie damals nicht um die Heimat betrogen worden war. Jahrelang hatte sie diese Annahme verfolgt und einen regelrechten Haß auf Joseph Buchner und seinen Sohn in ihr geschürt.
Doch nachdem sie nun davon überzeugt war, daß es niemanden gab, den sie verantwortlich machen konnte, empfand sie wirkliches Mitleid mit Christian.
»Ja, wie gesagt, wenn net noch ein Wunder geschieht...«
»Tragisch, wie sich Schicksale gleichen können«, sagte die Maklerin, als sie später am Grab ihrer Eltern standen.
Sebastian hatte sie begleitet. Zufrieden betrachtete Katharina die gepflegte Ruhestätte. Nie hatte sie kontrolliert, ob die Gärtnerei wirklich nach ihren Wünschen arbeitete, jetzt sah sie, daß ihre Erwartungen erfüllt worden waren.
»Wie lang’ bleibst’ denn?« erkundigte Pfarrer Trenker sich, als sie langsam zum Ausgang zurückgingen.
»Ich weiß noch gar net. Vierzehn Tag’ hab’ ich das Zimmer im Löwen reserviert«, antwortete sie. »Aber vielleicht reis’ ich doch schon vorher wieder ab.«
Der gute Hirte von St. Johann antwortete nicht darauf. Aber er glaubte zu wissen, warum Katharina nicht die ganzen zwei Wochen bleiben wollte. Sie war hergekommen, um herauszufinden, wie es damals geschehen konnte, daß sie vom Hof mußten. Wahrscheinlich hatte sie vorgehabt, die Angelegenheit aufzuklären, und sich dafür die entsprechende Zeit genommen. Durch seine Aussage war es jetzt hinfällig geworden. Es gab also keinen Grund für sie, noch länger zu bleiben.
»Ich würd’ mich aber freu’n, dich vorher noch einmal zu seh’n«, sagte er. »Net, daß du wieder verschwind’st, ohne dich zu verabschieden.«
»Bestimmt net, Hochwürden«, lächelte die junge Frau. »Außerdem will ich mich hier noch ein wenig umschau’n, und natürlich komm’ ich in die Messe.«
»Das ist schön, Kathie. Vielleicht hast’ ja Lust morgen abend ins Pfarrhaus zu kommen. Frau Tappert freut sich immer, wenn ich Gäste hab’, für die sie kochen kann.«
»Vielen Dank, die Einladung nehm’ ich gern’ an«, nickte sie und ging den Weg zur Straße hinunter.
Sebastian schaute ihr nachdenklich hinterher.
*
Christian Buchner saß in der Küche des Bauernhauses. Vor ihm auf dem Tisch lagen Stapel von Papieren. Immer wieder hatte er es herausgeschoben, sie zu sortieren und abzulegen. Doch nach dem Brand hatte er gemerkt, wie wichtig es war, Ordnung in die Unterlagen zu bringen. Es dauerte Stunden, ehe er die Versicherungspolice unter all den losen Blättern gefunden hatte. So etwas sollte ihm nicht noch mal passieren. Sein Steuerberater hatte bisher vergeblich versucht, ihn dazu anzuhalten, seine Steuerunterlagen geordnet ins Büro zu bringen. Doch je mehr er merkte, daß das finanzielle Chaos auf ihn zurollte, um so gleichgültiger wurde er.
Wieder nahm er ein Schreiben zur Hand, warf einen Blick darauf und legte es in einen Ablagekorb.
›Unbezahlte Rechnungen‹ stand darauf, und der Stapel wurde immer höher.
»Herr im Himmel, ob ich jemals wieder Land seh’?« murmelte er verdrossen.
Er stand auf, ging zum Kühlschrank und nahm eine Flasche Bier heraus. Während er in langen, durstigen Zügen trank, dachte er an die Arbeit, die draußen noch auf ihn wartete. Es war ein Segen, daß er den Traktor noch rechtzeitig aus der Scheune hatte fahren können. Wenn der auch ein Raub der Flammen geworden wäre, hätte er gleich aufgeben können. So war nur das eingelagerte Stroh verbrannt. Aber das war auch schon schlimm genug. Im Nachhinein war er dem verstorbenen Vater dankbar, daß er die Milchkühe abgeschafft, und sich ganz auf den Anbau von Getreide und Gemüse konzentriert hatte. Nicht auszudenken, wenn bei dem Feuer womöglich auch eine ganze Rinderherde vernichtet worden wäre!
Hat’s überhaupt noch einen Sinn?
Über diese Frage grübelte er, bis seine Gedanken durch ein Klopfen an der Haustür unterbrochen wurden. Christian ging durch die Diele und öffnete.
»Grüß dich«, sagte Xaver Erlanger, der Postbote zu ihm. »Ich hab’ da ein Einschreiben für dich.«
Einschreiben? Das konnte nix Gutes bedeuten!
Er unterschrieb und nahm den Brief entgegen.
»Schlimm schaut’s aus«, meinte Xaver. »Da bist’ noch mal mit einem blauen Aug’ davongekommen, was?«
»Ja, ja«, nickte der Bauer, während er auf den Absender sah.
Der Brief war von der Sparkasse, Zweigstelle St. Johann.
Sein Puls beschleunigte sich. Jetzt war es also soweit!
»Kopf hoch, Christian, es wird schon wieder«, sagte der Postbote und hob grüßend die Hand.
»Pfüat di’, Xaver«, antwortete er und ging in die Küche zurück.
Als er wieder am Tisch saß, riß er den Umschlag auf und nahm das Schreiben heraus. Es war so, wie er es sich gedacht hatte – die Bank kündigte den Kredit und forderte die gesamte Summe binnen einer Frist von zehn Tagen.
Christian atmete tief durch. Das war’s also – Ende. Aus! Jetzt konnte er zusehen, wo er blieb. Die Forderung belief sich auf fünfundneunzigtausend Euro, und er hatte keine Ahnung, woher er das Geld nehmen sollte.
Hatte es überhaupt noch Zweck, zur Bank zu gehen und um Kreditverlängerung zu bitten? Es war ja nicht nur das geschuldete Geld, das ihn drückte. Er brauchte ja auch neues, um die abgebrannte Scheune wieder aufzubauen. Bei seiner desolaten Lage würde ihm wohl keine Bank der Welt noch etwas leihen wollen.
Was blieb ihm also noch? Sein Bündel packen und fortgehen? Wie oft hatte er in der letzten Zeit mit diesem Gedanken gespielt! Jetzt schien er Wahrheit zu werden.
Christian dachte an Burgl. Die treue, alte Magd! Ihre Ersparnisse wollte sie hergeben, aber das wäre nur ein Tropfen auf dem heißen Stein gewesen. Was wurde aus ihr? Sie hatte recht, wenn sie sagte, daß sie zu alt wäre, um noch irgendwo unterzukommen. Es mußte schon ein Glücksfall sein, wenn sich ein Bauer fand, der sie nahm.
Aber das Glück hatte sich schon lange vom Sonnenhof verabschiedet. Dabei mußte man doch nur daran glauben.
Den Glauben, allerdings, hatte Christian schon lange verloren.
Burgl Vahlinger kam durch die Tür, die zur Waschküche führte. In den Händen hielt sie einen Korb voller Wäsche. Der Bauer sprang auf.
»Wie oft soll ich dir noch sagen, daß’ net die schweren Sachen schleppen sollst«, schimpfte er mit der Magd.
Dabei sah er sie beinahe liebevoll an. Er mochte die alte Frau, die stets zu ihm gehalten hatte, und eigentlich konnte er sich ein Leben ohne sie nicht vorstellen.
Aber er würde sich wohl daran gewöhnen müssen. Vor allem mußte er ihr sagen, wie aussichtslos die Lage war.
Burgl sah ihn forschend an.
»Ist was?« wollte sie wissen. »Du schaust aus wie einer, der zum Tode verurteilt ist.«
Christian stellte den Wäschekorb auf der Bank ab und lachte bitter auf.
»Der Vergleich ist gut, Burgl«, sagte er mit rauher Stimme. »Wirklich gut! Setz’ dich her, ich muß mit dir reden. Hier, lies das.«
Er hielt ihr das Einschreiben entgegen.
»Das ist mein Todesurteil. Der Brief ist von der Bank, in zehn Tagen muß ich fünfundneunzigtausend Euro zurückgezahlt haben, oder der Hof wird versteigert. So schaut’s aus!«
Burgl standen die Tränen in den Augen. Mit einem Male war sie ohne Heimat, einfach so, von heute auf morgen.
»Ja, was passiert denn jetzt?« fragte sie und wischte sich die