H. G. Wells – Gesammelte Werke. Herbert George Wells

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H. G. Wells – Gesammelte Werke - Herbert George Wells


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ge­reizt be­ob­ach­ten – statt an mei­ne Ar­beit zu den­ken. Nein! ich muss das Haus ha­ben.«

      Ich über­leg­te. Na­tür­lich woll­te ich die Sa­che gründ­lich durch­den­ken, ehe et­was Ent­schei­den­des ge­sagt wur­de. Ich war im All­ge­mei­nen in je­nen Ta­gen zu Ge­schäf­ten be­reit ge­nug, und Ver­kau­fen hat­te mich im­mer an­ge­zo­gen; aber ers­tens war es nicht mein Haus, und selbst wenn ich es ihm zu ei­nem gu­ten Prei­se ver­kauf­te, konn­te ich in der Über­ga­be der Gü­ter Unan­nehm­lich­kei­ten ha­ben, wenn der lau­fen­de Be­sit­zer von dem Ge­schäft Wind be­kam, und zwei­tens war ich, nun – nicht schul­den­frei. Es war ent­schie­den ein Ge­schäft, das vor­sich­ti­ges Ver­fah­ren er­for­der­te. Oben­drein in­ter­es­sier­te mich auch die Mög­lich­keit, dass er auf der Spur ei­ner wert­vol­len Er­fin­dung war. Mir kam der Ge­dan­ke, dass ich gern mehr von sei­ner Un­ter­su­chung wüss­te, ohne jede un­ehr­li­che Ab­sicht, ein­fach mit dem Ge­dan­ken, zu er­fah­ren, was es war, wür­de eine Ablen­kung vom Dra­men­schrei­ben sein. Ich streck­te Fühl­hör­ner aus.

      Er war ganz be­reit, Aus­kunft zu ge­ben. Ja, als er ein­mal recht im Gan­ge war, wur­de die Un­ter­hal­tung zum Mo­no­log. Er re­de­te wie ein lan­ge ein­ge­sperr­ter Mensch, der es wie­der und wie­der bei sich durch­ge­gan­gen ist. Er re­de­te fast eine Stun­de lang, und ich muss ge­ste­hen, ich fand es ein ziem­lich star­kes Stück, zu­zu­hö­ren. Aber durch al­les lief der Un­ter­ton der Be­frie­di­gung hin­durch, die man fühlt, wenn man eine Ar­beit ver­säumt, die man sich ge­setzt hat. Wäh­rend je­ner ers­ten Un­ter­re­dung wur­de mir sehr we­nig da­von klar, wor­auf sei­ne Ar­beit hin­aus­lief. Die Hälf­te sei­ner Wor­te wa­ren tech­ni­sche Aus­drücke, die mir völ­lig fremd wa­ren, und er il­lus­trier­te ein oder zwei Punk­te mit dem, was ihm ele­men­ta­re Ma­the­ma­tik zu nen­nen be­lieb­te, in­dem er mit ei­nem Ko­piert­in­ten­stift auf ei­nem Ku­vert in ei­ner Wei­se Be­rech­nun­gen an­stell­te, die es schwer mach­ten, auch nur den An­schein zu er­we­cken, als ver­ste­he man. »Ja«, sag­te ich, »ja. Nur wei­ter!« Trotz­dem wur­de mir ge­nug klar, um mich zu über­zeu­gen, dass er kein blo­ßer Schwach­kopf war, der Ent­de­ckun­gen spiel­te. Trotz sei­ner schwach­kopf­ar­ti­gen Er­schei­nung zeig­te er eine Kraft, die das un­mög­lich mach­te. Was es auch war, es war et­was von me­cha­ni­schen Mög­lich­kei­ten. Er er­zähl­te mir von ei­nem Werk­schup­pen, den er habe, und von drei Ge­hil­fen – ur­sprüng­lich in Ak­kord ar­bei­ten­den Zim­mer­leu­ten – die er ab­ge­rich­tet hat­te. Nun ist vom Werk­schup­pen bis zum Pa­tent­amt klär­lich nur ein Schritt. Er lud mich ein, mir die Sa­chen an­zu­se­hen. Ich nahm be­reit­wil­ligst an und sorg­te da­für, dass ich das – durch eine Be­mer­kung oder so – un­ter­strich. Der vor­ge­schla­ge­ne Ver­kauf des Som­mer­häus­chens blieb sehr an­ge­neh­mer­wei­se noch in der Schwe­be.

      Schließ­lich stand er auf, um zu ge­hen, und ent­schul­dig­te sich we­gen der Län­ge sei­nes Be­suchs. Über sei­ne Ar­beit zu re­den, sag­te er, war ein Ver­gnü­gen, das er nur zu sel­ten ge­noss. Nicht oft fin­de er einen so in­tel­li­gen­ten Zu­hö­rer wie mich; er ver­keh­re sehr we­nig mit be­rufs­mä­ßi­gen Wis­sen­schaf­ten.

      »So­viel Klei­nig­kei­ten«, er­klär­te er, »so­viel Int­rigue! Und wahr­haf­tig, wenn man eine Idee hat – eine neue, be­fruch­ten­de Idee – Ich will nicht un­barm­her­zig sein, aber – –«

      Ich bin ein Mann, der an Im­pul­se glaubt. Ich mach­te einen Vor­schlag, der viel­leicht über­eilt war. Aber man muss be­den­ken, dass ich vier­zehn Tage lang in Lym­pne al­lein ge­we­sen war und an ei­nem Dra­ma ge­schrie­ben hat­te, und mein Ge­wis­sens­biss we­gen sei­nes ver­nich­te­ten Spa­zier­gangs ließ mir noch kei­ne Ruhe.

      »Wa­rum nicht«, sag­te ich, »dies zu Ih­rer neu­en Ge­wohn­heit ma­chen? Statt der, die ich ver­dor­ben habe? We­nigs­tens, bis wir we­gen des Hau­ses ins rei­ne kom­men kön­nen. Was Sie nö­tig ha­ben, ist, dass Sie Ihre Ar­beit im Geist über­le­gen. Das ha­ben Sie im­mer auf Ihrem Nach­mit­tags­spa­zier­gang ge­tan. Das ist lei­der vor­bei – Sie kön­nen die Din­ge nicht wie­der ma­chen, wie sie wa­ren. Aber warum nicht her­kom­men und mir von Ih­rer Ar­beit er­zäh­len: mich als eine Art Wand be­nut­zen, ge­gen die Sie Ihre Ge­dan­ken wer­fen, um sie wie­der auf­zu­fan­gen? Ge­wiss ist, dass ich nicht ge­nug weiß, um Ihre Ide­en sel­ber zu steh­len – und ich ken­ne kei­ne Wis­sen­schaf­ter – –«

      Ich hielt inne. Er über­leg­te. Of­fen­bar zog ihn die Sa­che an. »Aber ich fürch­te, die Sa­che wür­de Sie lang­wei­len«, sag­te er.

      »Sie mei­nen, ich bin zu dumm?«

      »O, nein; aber tech­ni­sche Din­ge – –«

      »Ei­ner­lei, Sie ha­ben mich heu­te Nach­mit­tag un­ge­heu­er in­ter­es­siert.«

      »Na­tür­lich wä­re es für mich eine große Hil­fe. Nichts klärt ei­nem sel­ber die Ide­en so sehr auf, wie, wenn man sie aus­ein­an­der­setzt. Bis­her – –«

      »Mein lie­ber Herr, sa­gen Sie nichts mehr.«

      »Aber wahr­haf­tig, ha­ben Sie die Zeit über?«

      »Es gibt kein Aus­ru­hen, das ei­nem Wech­sel der Be­schäf­ti­gung gleich­kommt«, sag­te ich mit tiefer Über­zeu­gung.

      Die Sa­che war vor­über. Auf mei­nen Ve­ran­da­stu­fen dreh­te er sich um. »Ich bin schon sehr in Ih­rer Schuld«, sag­te er.

      Ich räus­per­te mich fra­gend.

      »Sie ha­ben mich völ­lig von die­ser lä­cher­li­chen An­ge­wöh­nung zu sum­men be­freit«, er­klär­te er.

      Ich glau­be, ich sag­te, ich freue mich, ihm ir­gend­wie von Nut­zen zu sein, und er wand­te sich fort.

      So­fort muss der Ge­dan­ken­gang, den un­se­re Un­ter­hal­tung an­ge­regt hat­te, sei­ne Herr­schaft wie­der auf­ge­nom­men ha­ben. Sei­ne Arme be­gan­nen auf die frü­he­re Art zu schlen­kern. Auf der Bri­se kam das schwa­che Echo des »Su­suhh« zu mir zu­rück …

      Nun, schließ­lich war das nicht mei­ne Sa­che …

      Er kam am nächs­ten Tage und den Tag dar­auf wie­der und hielt zwei Vor­trä­ge über die Phy­sik zu un­se­rer ge­gen­sei­ti­gen Be­frie­di­gung. Er re­de­te mit ei­ner Mie­ne, als sei er au­ßer­or­dent­lich klar, über den »Äther«, über »Kraft­tu­ben«, über »Gra­vi­ta­ti­ons­po­ten­zen« und ähn­li­che Din­ge, und ich saß in mei­nem zwei­ten Klapp­stuhl und sag­te: »Ja«, »Nur wei­ter«, »Ich ver­ste­he«, um ihn in Gang zu hal­ten. Es war schau­er­lich schwie­ri­ges Zeug, aber ich glau­be nicht, dass er je ahn­te, wie viel da­von ich nicht ver­stand. Es gab Mo­men­te, in de­nen ich zwei­fel­te, ob ich rich­tig be­schäf­tigt sei, aber auf je­den Fall ruh­te ich von dem ver­damm­ten Dra­ma aus. Hin und wie­der glänz­ten mir die Din­ge eine Zeit lang klar auf, aber nur, um zu ver­schwin­den, wenn ich ge­ra­de mein­te, ich habe sie nur zu fas­sen. Bis­wei­len ver­sag­te mei­ne Auf­merk­sam­keit voll­stän­dig, und ich gab es auf und saß und starr­te ihn an und frag­te mich, ob es nicht schließ­lich viel­leicht doch bes­ser sei, ihn in ei­ner gu­ten Far­ce als Zen­tral­fi­gur zu be­nut­zen und all das an­de­re Zeug fah­ren zu las­sen. Und dann be­griff ich viel­leicht wie­der eine Stre­cke weit.

      Bei der ers­ten Ge­le­gen­heit ging ich, mir sein Haus an­zu­se­hen. Es war groß und ohne Sorg­falt mö­bliert; Dienst­bo­ten wa­ren au­ßer sei­nen


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