Toni der Hüttenwirt Paket 3 – Heimatroman. Friederike von Buchner
Читать онлайн книгу.Als Toni und Roland den Wirtsraum der Berghütte betraten, saß Nicole am Kamin. Sabine kuschelte sich im warmen Flanellschlafanzug an ihre Mutter.
Nicole erschrak, als sie hinter den beiden ihre Mutter erkannte. Roland ging auf Nicole zu. Er gab ihr einen Kuss und flüsterte ihr ins Ohr:
»Alles ist gut, Nicky! Bleibe ganz ruhig!«
Martha Anwander setzte sich in einen der Schaukelstühle. Anna brachte ihr einen Tee. Es herrschte eine gespannte Ruhe im Wirtsraum der Berghütte. Das Feuer im Kamin knisterte. Bello lag vor dem Kamin auf seinem Lieblingsplatz und schnarchte leise.
»Nicky, warum schaut die Frau mich so an?«
»Vielleicht denkt sie, dass kleine Mädchen um diese Zeit schon schlafen sollten.«
»Ich kann aber nicht schlafen. Außerdem habe ich schon etwas geschlafen. Aber dann bin ich aufgewacht und habe an den Hund denken müssen, den mir Roland schenkt. Ich freue mich so und kann nicht schlafen.«
Roland streichelte Sabine über das Haar.
»Wir holen den Hund morgen! Ich rufe den Züchter an und frage, ob wir ihn sofort holen können.«
»Das ist super, Roland!« jubelte Sabine.
»Das ist also dein Madl, Nicole?«, fragte Martha Anwander.
»Ja, das ist Sabine. Sie ist zehn Jahre alt und in Berlin geboren. Ihr Vater kam bei einem Autounfall ums Leben. Das war zu einem sehr frühen Zeitpunkt, vor Sabines Geburt. Das wolltest du doch wissen, Mutter, oder?«
Nicole setzte sich mit einem Ruck auf.
»Nicky, warum sagst du zu dieser komischen Frau, Mutter?«
»Weil ein jeder Mensch eine Mama hat, Bine. Diese komische Frau, wie du sie nennst, ist meine Mama und deine Großmama! Sie hat einen Mann und der ist dein Großpapa!«
»Ich will sie nicht! Sie soll gehen! Ich will nur Opa Friedel und Oma Jule!«, wehrte sich Sabine und wandte sich ab.
»Aber warum willst du sie nicht, Sabine?«
Nicole war sehr erstaunt. Toni, Roland, Anna und der alte Alois, die dabeisaßen, hielten fast den Atem an.
»Weil sie mich nicht wollen! Sie mögen mich nicht leiden!«, jammerte Sabine im weinerlichen Tonfall.
»Aber, Bine, warum denkst du so etwas? Wie kommst du darauf?«
»Weil ich es schon lange weiß, dass sie mich nicht wollen. Du hast einmal nachts mit Tamara darüber geredet. Du hast gedacht, ich schlafe, aber ich habe alles gehört.«
Nicole verschlug es die Sprache. Hilflos sah sie Roland an. Der zog Sabine auf den Schoß.
»Kann es sein, dass du etwas falsch verstanden hast, Bine? Weißt du, du streitest doch manchmal mit deinen Freundinnen. Ihr sagt dann Sachen, die ihr nicht so meint.«
Sabine nickte. Roland lächelte.
»Siehst du! Erwachsene streiten auch und sagen ebenfalls dumme Sachen, die sie nicht so meinen.«
»Wir sind uns dann aber bald wieder gut.«
»Wenn Erwachsene streiten, dann sind sie manchmal länger miteinander böse, weil sie auch größer sind als Kinder. Erwachsene sind oft dümmer und sturer. Aber dann vertragen sie sich wieder. Glaubst du mir?«
Sabine zuckte mit den Achseln. Roland streichelte Sabine die Wange.
»Du, Bine, ich mag deine Oma Martha sehr. Wenn ich sie mag, kannst du dann nicht versuchen, sie zu mögen? Schau, sie sieht so traurig aus!«
»Wenn du sie magst, dann mag ich sie auch, Roland!«
»Das ist schön! Willst du deiner Oma Martha nicht die Hand geben und ›Grüß Gott‹ sagen?«
Statt einer Antwort rutschte Sabine von Rolands Schoß.
Sie ging und reichte Martha die Hand und sagte:
»Grüß Gott!«
»Mei, wie mich das freut!«
Martha liefen die Tränen über das Gesicht.
»Warum hast du den Opa nicht mitgebracht?«, fragte Sabine. »Ist das wegen des Streites? Will er mich nicht sehen?«
Martha schaute hilflos zu Nicole und Roland. Alle suchten nach einer Antwort.
»Der Opa ist hier!«, klang eine heisere Stimme durch den Raum.
Alle schauten zur Tür. Im Türrahmen stand Bertram Anwander.
Nicole stand auf. Sie schauten sich an. Er ging auf sie zu. Ihr Vater überreichte ihr einen Blumenstrauß.
»Zur Geburt eines Kindls schenkt man doch Blumen, dachte ich. Der Strauß ist nix Besonderes. Ich hab’ eben in der Eile welche aus dem Garten geholt.«
»Der Strauß ist wunderbar! Es ist der schönste Blumenstrauß, den ich zur Niederkunft bekommen habe! Danke, Vater!«
Nicole streckte ihm die Hand entgegen.
»Ich bin ein Esel! Ich weiß net, was ich sagen soll.«
»Dann sagst du am besten nichts, Vater! Und jetzt kannst du Sabine begrüßen.«
Er streckte die Hand aus.
»Ich bin dein Großvater Bertl!«
»Ist euer Streit jetzt vorbei?«
»Ja, das ist er!«
»Streiten ist ganz schön dumm, sagt Mama!«
»Ja, das ist es, Sabine, mein kleines Madl!« Bertl kämpfte mit den Tränen.
Nicole klatschte in die Hände.
»Jetzt ist es genug, Bine. Du musst schlafen. Du willst doch morgen ausgeschlafen haben, wenn wir mit Roland den Welpen holen, oder?«
Sabine nickte eifrig. Sie wünschte allen eine gute Nacht und lief zu Franzi ins Zimmer.
Toni, Anna und der alte Alois legten sich ebenfalls schlafen. Roland und Nicole saßen mit Nicoles Eltern die nächsten Stunden am Kamin. Nicole sprach sich mit ihren Eltern aus. Dabei flossen auch einige Tränen auf beiden Seiten.
Als die Sonne über den Bergen aufstieg, liefen Martha und Bertl Hand in Hand den Pfad zur Oberländer Alm hinunter. Nicole und Sabine hatten versprochen, ihren restlichen Urlaub bei ihnen zu verbringen. Alle wollten einen neuen Anfang machen. Nachdem sie morgen den Welpen abgeholt haben würden, wollten die drei auf den Hof kommen.
*
Toni erhielt am nächsten Morgen einen Anruf von Bürgermeister Fritz Fellbacher. Er hatte herausgefunden, wer diese Franzi war, die Berni Steiniger so verzweifelt suchte.
Die junge Frau hatte vor einigen Wochen ein Praktikum im Hotel »Zum Ochsen« gemacht und war eine Großcousine von Sophie Lanzer. Der Bürgermeister hatte Sophie streng verhört. Sie gab zu, dass sie gegenüber Franzi, die eigentlich Frances hieß und nur Franzi gerufen wurde, sehr schlecht über Berni gesprochen hatte, weil sie sich selbst in Berni verliebt hatte. Sie gab auch zu, Frances übel mitgespielt zu haben. Sie hatte Bernis Handynummer auf Frances Handy mit Absicht gelöscht, damit diese keinen Kontakt aufnehmen konnte. Unter Tränen gab sie dem Bürgermeister die Adresse.
Nachdem Sophie gegangen war, rief der Bürgermeister Frances an. Sie war zuerst verwundert, freute sich dann aber sehr.
Der Bürgermeister erzählte ihr die ganze Geschichte, so weit er sie nach Tonis Bericht wusste. Er gab ihr die Telefonnummer von Ferdinand Unterholzer, dem Inhaber des kleinen Goldschmiedeladens in Kirchwalden. Er riet ihr, mit ihm zu sprechen, damit sie ihren Berni wiedersehen würde.
Dann war alles ganz schnell gegangen. Frances hatte Unterholzer angerufen. Sie hatten lange miteinander gesprochen. Sie gab ihm ihre Adresse und Telefonnummer. Leider lebte sie fünfhundert Kilometer entfernt. Sie wollte aber bald einmal nach Kirchwalden