Toni der Hüttenwirt Paket 3 – Heimatroman. Friederike von Buchner
Читать онлайн книгу.mir einsame Wege. Ich redete mit niemandem, lauschte nur der Natur. Sie gab mir Kraft. Es war, als flüsterten mir die Berge Mut zu. Auf dem Rückweg, es war schon dunkel, fasste ich den Entschluss von Waldkogel fortzugehen.
Wenn ich in Berlin einsam war, fuhr ich in das oberste Stockwerk eines Hochhauses und stellte mich dort ans Fenster im Treppenhaus. Ich schaute gegen Süden und stellte mir meine Berge vor.«
»Jetzt bist du wieder hier. Wir können so oft du willst herfliegen!«
Nicole umarmte ihn.
»Es ist schön, dass du Waldkogel ebenso liebst wie ich!«
Sie lächelte ihn an.
»Weißt du, warum ich dir nie die Briefe und Unterlagen mit der Hauspost geschickt habe?«
»Ich kann es mir denken! Es sind die Fotos der Berge und von Waldkogel, die die Wände meines Büros zieren. Du hast mir jeden Tag die Post persönlich gebracht, weil du einen Blick auf die Bilder deiner Heimat werfen wolltest.«
»Das wusstest du?«
»Ja, und noch mehr! Ich weiß auch, dass du oft abends, wenn ich schon gegangen war, heimlich in meinem Büro gewesen bist. Dann standest du lange vor den Fotos. Vater hat dich einmal dabei gesehen. Du hast ihn nicht bemerkt.
Er erzählte mir, du hast zärtlich mit der Hand die Rahmen berührt, als wolltest du etwas aus deiner Heimat streicheln. Doch das ist jetzt nicht mehr nötig! Wir können jetzt Waldkogel besuchen. Sobald wir daheim sind, bekommst du von mir viele Fotoabzüge.«
»Vielleicht kann ich in meinem Büro auch wenigstens ein Foto von Waldkogel aufhängen.«
»Du kannst die Wände damit komplett zuhängen, wenn du willst. Ich hoffe allerdings, dass wir bald heiraten und du nicht weiter arbeitest.«
»Ein Schritt nach dem anderen, Roland!«
»Ja, das machen wir, wie bei einer guten Seilschaft, langsam aber stetig, ohne Hast, ohne ein Risiko einzugehen, bewältigen wir unsere Tour bis zum Gipfel!«
Sie nahmen sich in die Arme und küssten sich.
»Toni hat mir Proviant eingepackt! Willst du etwas essen oder gehen wir zur Berghütte zurück?«
»Gehen wir zur Berghütte!«
»Sabine wird Augen machen, dass ich dich mitbringe!«
»Ja, das wird sie!«
Sie brachen auf und gingen Hand in Hand in Richtung Berghütte.
Als die Berghütte in Sichtweite kam, sagte Nicole:
»Roland, ich habe eine Bitte! Nimm den Ring noch einmal eine Weile an dich! Ich will mit Sabine sprechen, über mich und dich und sie. Ich will sie nicht vor vollendete Tatsachen stellen. Ich werde noch heute mit ihr reden. Dann machst du mir in ihrem Beisein noch einmal einen Antrag. Bitte?«
»Ich verstehe dich! Gern erfülle ich dir diesen Wunsch, und ich sage dir, du bist nicht nur eine wunderbare und wunderschöne Frau, sondern auch eine kluge Mutter!«
Sie gingen weiter.
*
Auf der Terrasse der Berghütte saßen Nicoles Freundin Tamara und Rolands Eltern. Sie lächelten Nicole und Roland zu, als sie an ihren Tisch kamen. Es gab eine herzliche Begrüßung. Dann legte Roland seinen Arm um Nicole und flüsterte leise:
»Ich habe Nicole versprochen, dass sie zuerst mit Sabine reden kann, dann feiern wir!«
Er blinzelte seinen Eltern und Tamara zu.
»Heißt dass, dass Nicole und
du …?«, schrie Juliana laut vor Freude.
»Pst, Mutter! Leise! Gedulde dich!«
Er gab Nicole einen Kuss auf die Wange.
»Wo ist Sabine?«, fragte Nicole und schaute sich um.
Toni kam dazu. Er streckte ihr die Hand entgegen.
»Dir ein besonders herzliches Willkommen auf der Berghütte, Nicole! Du und dein Madl sind hier immer gern gesehen. Anna und ich, auch der Alois sind voller Mitgefühl für dich!«
Sie schüttelten sich die Hände.
»Dir auch ›Grüß Gott‹, Toni! Danke für dein Verständnis und deine Anteilnahme. Ich hatte bisher weniger Glück im Leben, aber das ändert sich jetzt. Ich freue mich, dass du deinen Kindheitstraum, einmal Hüttenwirt auf der Berghütte zu werden, verwirklichen konntest. Das wollte ich dir sagen. Seit ich Waldkogel verlassen habe, hatten wir uns nicht mehr gesehen. Weißt du, wo meine Kleine steckt? Ich sehe sie nicht«, lachte Nicole. »Kleine darf ich sie nicht nennen. Sie wäre schon groß, sagt sie. Aber Kinder in dem Alter sind in einem Zwischenstadium, denke ich oft. Auf der einen Seite sind sie schon sehr erwachsen und meistens ein wenig altklug. Auf der anderen Seite sind sie noch Kinder, die sich in die Arme der Mutter flüchten, wenn der Wind des Lebens zu rau bläst.«
Toni schmunzelte.
»Ich weiß genau, wovon du sprichst, Nicole. Du hast es treffend beschrieben. Ja, wir müssen uns in Geduld und Verständnis üben. Die Jahre gehen schnell vorbei – leider. Sabine ist mit Franzi und Basti hinterm Haus. Dort spielen sie. Soll ich dir sie rufen?«
»Wo kann ich hier einen Augenblick mit Sabine alleine sein?«
»Warte, Nicole, des machen wir so! Ich hole die Franzi und den Basti. Dann kannst zu deinem Madl hinter die Berghütte gehen und mit ihr reden.«
»Danke, das ist lieb von dir, Toni.«
So geschah es dann auch.
Als Nicole um die Ecke bog, wandte Sabine ihrer Mutter den Rücken zu. Sie kniete am Boden auf einer Wolldecke und spielte mit Puppen.
»Sabine, ich bin hier!«
Das Mädchen sprang auf, stieß einen Freudenschrei aus und rannte in die ausgebreiteten Arme ihrer Mutter.
»Nicky, wo kommst du her? Musst du nicht arbeiten, wie Tamara und die Forsters sagen?«
»Nein, meine liebste Sabine, das muss ich nicht. Ich habe mir Urlaub genommen.«
»Super! Bleiben wir länger auf der Berghütte?«
»Ja, wir bleiben einige Tage. Wir machen schöne Wanderungen.«
»Tamara hat sich den Fuß verletzt, Nicky. Sie kann nicht weit laufen.«
Nicole strich Sabine über, dunkle Haar.
»Tamara bleibt nicht.«
»Das ist schade.«
»Herr Doktor Forster und seine Frau reisen heute Abend ebenfalls ab.«
»Och, das ist doof! Aber Roland bleibt noch, oder? Das heißt, er kommt wieder, ja? Er war ins Dorf gegangen, wegen irgendeiner wichtigen Sache, das hat er jedenfalls gesagt.«
Nicole schaute in die erwartungsvollen Augen ihrer Tochter. Sie hängt sehr an Roland, das ist sehr schön, dachte Nicole.
»Roland ist schon hier! Wir sind zusammen hergekommen.«
»Super! Wo ist er? Ist er auf der Terrasse? Ich muss zu ihm.«
»Keine Sorge, Roland bleibt auch einige Tage.«
»Super!«
Nicole schmunzelte über Sabine, die im Augenblick nur ein Wort hatte für etwas was ihr gefiel und Freude machte.
»Bine, bevor wir nach vorne gehen, will ich mit dir über Roland reden.«
»Also ich finde ihn supercool!«, brach es aus Sabine heraus.
Nicole musste lachen. Supercool, das war eine Steigerung.
»Na gut, dann stimme ich dir zu, dass er supercool ist.«
Nicole errötete.
»Mama, du wirst ja ganz rot im Gesicht!«