Toni der Hüttenwirt Paket 3 – Heimatroman. Friederike von Buchner

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Toni der Hüttenwirt Paket 3 – Heimatroman - Friederike von Buchner


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mich noch gut, wie du als kleines Madl immer mit deinem Vater auf die Berghütte gekommen bist. Hast dich net viel verändert. Bist nur größer geworden. Bist eben jetzt ein richtig fesches Madl. Tust mir die Ehre geben und später mit mir tanzen?«

      »Aber sicher tue ich das, Alois! Ich tanze mit dir und mit sonst keinem.«

      Der alte Alois lachte.

      »Mei, da werden die junge Burschen ganz schön eifersüchtig auf mich werden.«

      Der alte Alois kam mit seinem Gesicht näher.

      »Schaut mal zur Tür! Ihr scheint schon entdeckt worden zu sein. Die Burschen lassen euch net aus den Augen. Wundern tut es mich net, so fesch wie ihr seid.«

      Burgl fragte Alois schnell nach der Kammer und verschwand darin. Sabine plauderte noch etwas mit dem Alois und kam dann nach.

      Burgl war dabei, ihren Rucksack auszupacken. Sie stopfte sich Schokolade in die Taschen ihrer Jacke.

      »Was gibt das, Burgl?«, fragte Sabine.

      »Es sind noch gut zwei Stunden bis zur Dunkelheit. Ich werde mir noch ein wenig die Beine vertreten. Ich wandere rüber zum ›Erkerchen‹. Ich will ein wenig alleine sein, Bine. Die vielen Burschen hier machen mich nervös. Ich will nicht angesprochen werden.«

      »Himmel, Burgl!«, seufzte Sabine.

      Dann lächelte sie.

      »Gut, dann gehe! Irgendwie verstehe ich dich! Später, wenn es dunkel ist und nur das große Feuer auf dem Geröllfeld brennt, dann ist es für dich vielleicht einfacher. Dann kannst du dich in die Dunkelheit zurückziehen, wenn es dir zu viel wird. Lass dir vom Alois eine Stablampe geben für den Rückweg in der Dunkelheit.«

      Burghilde lächelte Sabine an. Sie gingen gemeinsam hinaus. Sabine stand auf der Terrasse und schaute Burgl nach, wie sie davonging ohne sich umzudrehen.

      Der Aufenthalt beim »Erkerchen« wird ihr guttun, dachte Sabine. Sie erinnerte sich, wie Burghilde und sie als Teenager zum »Erkerchen« gewandert waren, das als gutes Plätzchen für Verliebte galt. Dort hatten die beiden Mädchen geträumt, wie es später sein würde, wenn sie selbst verliebt wären und sich mit ihren Burschen treffen würden. Sabine lächelte. Das war lange her. Doch sie hatte die Hoffnung, dass die Freundin aus Kindertagen dort beim ›Erkerchen‹ ihre verlorenen Träume wiederfinden würde. Sicher würden es nicht dieselben sein, dagegen stand Burgls Erfahrung mit Jochen. Sie muss einfach neue Träume finden, dachte Sabine. Der Himmel möge ihr dabei helfen, dachte sie und warf einen Blick hinauf auf das Gipfelkreuz des »Engelsteigs«.

      »Wo will die Burgl hin?«, riss Toni Sabine aus ihren Gedanken.

      »Zum ›Erkerchen‹ geht sie!«

      »Oh, hat sie ein Date, wie man heutzutage sagt? Wer ist es?«

      »Toni, hüte deine Zunge. Mit einer solchen Bemerkung würdest du es dir bei der Burgl verderben. Sie hat gerade eine gescheiterte Beziehung hinter sich. Sie leidet sehr, obwohl sie froh sein sollte, dass sie den Kerl los ist. Sie hat ihn rausgeworfen.«

      »Soso! Dann hat die Burgl Liebeskummer! Des tut mir leid. Dass sie den Burschen gefeuert hat, wundert mich nicht. Die Burgl war schon immer ein starkes Madl. Dass es trotzdem weh tut, ist auch normal. Ich hoffe, dass sie in den Bergen hier etwas findet, was ihr wundes Herz tröstet.«

      »Ja, das hoffe ich auch, Toni! Allerdings müsste da wirklich ein Wunder geschehen!«

      »Wunder sind in Waldkogel keine Seltenheit. Die Engel auf dem ›Engelssteig‹, die passen auf uns Wald­kogler doch ganz gut auf.«

      »Ja, so ist es, Toni! Dann wollen wir mal hoffen.«

      Toni schüttelte den Kopf.

      »Net nur hoffen, Bine! Man muss daran glauben. Es kommt im Leben immer etwas Besseres nach. Burgl weiß, denke ich, dass das so ist. Wir Menschen verrennen uns manchmal in etwas, was nicht gut für uns ist. Dann bekommen wir einen tüchtigen Tritt ins Kreuz, damit wir wissen, wo es langgeht. Und nach einer ganzen Weile, da sind wir dem Himmel dankbar, dass wir in die richtige Richtung geschubst worden sind, auch wenn der Tritt recht unsanft gewesen ist und uns große Schmerzen gemacht hat.«

      »Toni, der Philosoph!«, sagte Sabine.

      »Des hat mit Philosophie nur wenig zu tun, Madl. Des ist einfach im Leben so. Der alte Alois hat mir des gesagt. Und Recht hat er. Er hat im Leben schon viel erlebt, da kannst ihn fragen.«

      Sabine hätte sich noch gern länger mit Toni unterhalten. Aber dieser hatte wenig Zeit. Es galt, den Hüttenabend vorzubereiten. Sabine setzte sich auf die Terrasse. Sie saß nicht lange alleine. Sofort setzten sich einige Burschen an den Tisch. Sabine plauderte zwanglos mit ihnen, und sie scherzten.

      *

      Burghilde erreichte das »Erkerchen«. Sie freute sich, dass sich niemand dort aufhielt. Zuerst stellte sie sich an das Geländer, das den kleinen Felsvorsprung nach unten hin absicherte. Nur so groß wie ein Zimmer hing der kleine Felsvorsprung an der Felswand, daher hatte er auch seinen Namen.

      Burghilde ließ ihre Augen über das Tal schweifen. Ja, das ist meine Heimat. Hier ist alles ruhig und geordnet. Sie schaute hinunter über die Dächer von Waldkogel und versuchte zu erraten, zu welchem Hof die großen Dächer gehörten. Mitten drin erhob sich die schöne alte Barockkirche mit ihrem Turm. Das Kreuz auf dem Turm und der Wetterhahn auf dem Dach leuchteten golden in der Abendsonne. Burgl war es, als flossen Ströme des Trostes in ihr Herz. Ich bin heimgekehrt, dachte sie. Ich bin daheim. Hier gehöre ich her. Hier stand meine Wiege. Hier war mein Herz daheim. Ich lebte zwar in Berlin, aber wie andere irgendwo einen Koffer zurücklassen, so hatte ich mein Herz in Waldkogel gelassen.

      Alles wird gut werden, dachte sie plötzlich. Sie wusste auch nicht, wa­rum diese Zuversicht in ihr aufkeimte. Sie konnte es sich nur so erklären, dass die Heimat sie mit offenen Armen aufnahm. Ich bin eben ein Madl aus den Bergen und kann nur hier mein Glück finden. Ganz gleich wie das Leben für sie in Zukunft aussehen würde, Burgl wusste, es konnte nur noch besser werden. Sie reute die Zeit in Berlin nicht. Sie lächelte vor sich hin. Vielleicht erkennt man in der Fremde erst die Heimat, dachte sie. Es gab auch schöne Zeiten in der Großstadt, gestand sie sich ein. Die Zeit, in der sie mit Freundinnen und Freunden aus der Schule in die Disco ging, die Zeit als Studentin, und auch die erste Zeit mit Jochen. Es war nicht alles schlecht, sah Burgl ein. Sie machte ihren Frieden mit der Vergangenheit.

      Die Vergangenheit ist die Erde, in der die Pflanzen der Gegenwart ihre Wurzeln schlagen, damit sie in der Zukunft grünen können. Diese Erkenntnis kam Burghilde, als sie über die Wiesen und Felder blickte.

      Ich hätte meinen nächtlichen Träumen längst nachgeben müssen, dachte Burgl. Ich habe immer und immer wieder in den letzten Monaten von Waldkogel und den Bergen geträumt. Es zog mich in die Heimat. Ich hätte auf diese innere Stimme hören sollen, die mir mit so schönen Bildern zeigte, wohin ich gehöre. Vielleicht wäre es dann weniger schmerzlich gewesen?

      Burghilde seufzte tief.

      Seit Sabines unerwartetem Besuch in Berlin hatte sie mit ihrem Schicksal gehadert. Zuerst war sie so wütend gewesen, wie nie zuvor in ihrem Leben. Dann war sie traurig und verzweifelt. Doch jetzt reifte in ihr immer mehr die Erkenntnis, dass es alles hatte so kommen müssen. Sonst würde ich jetzt mich Sicherheit nicht hier beim »Erkerchen« weilen und die Liebe der Heimat tief in meinem Inneren spüren. Das Leben geht vielleicht gelegentlich etwas unsanft mit dem Menschen um, wenn er die Hinweise, die er bekommt, nicht sieht und ihnen nicht folgt. Dann greift das Schicksal dramatisch ein und zwingt zur Kursänderung. So war es auch bei mir, dachte Burghilde.

      Sie ging zur Bank und setzte sich. Sie holte einen Schokoladenriegel aus der Jackentasche und aß ihn auf. Dann begann sie langsam, aber ernsthaft an ihre Zukunft zu denken. Ich muss mir eine Bleibe suchen, meine Sachen aus Berlin kommenlassen. Burghilde war klar, dass sie die alte Wohnung in Berlin nicht mehr betreten wollte, obwohl dort jetzt Esthers Kollege wohnte. Sie fühlte sich noch nicht endgültig so gefestigt, dass sie sich dem aussetzen wollte. So wollte sie ihre Eltern bitten, ihre Sachen zu verpacken und sie nach Waldkogel


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