Toni der Hüttenwirt Paket 2 – Heimatroman. Friederike von Buchner

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Toni der Hüttenwirt Paket 2 – Heimatroman - Friederike von Buchner


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      Polly dachte nach.

      Sie grollte den Engeln, seit sie ihre Mutter geholt hatten. Aber vielleicht gibt es doch einen höheren Sinn hinter allem, etwas, was ich jetzt noch nicht verstehe. Diese Erkenntnis überkam Polly, als sie so still dasaß und an die Engel dachte. Ihr Herz wurde ruhiger. Die Verzweiflung der Zerrissenheit zwischen der Vaterliebe und der Liebe zu ihrem Burschen ließ nach. Was ist, kann ich nicht ändern. Ich muß aufhören, dagegen zu kämpfen.

      »Es ist so, wie es ist – es wird schon werden. Es kommt immer etwas Besseres nach. Mußt nur Geduld haben!«

      Im Herzen hörte Polly diese Worte, die ihre Mutter oft gesagt hatte. Sie war eine geduldige Frau, die das Leben so nahm, wie es kam und es verstand, aus allem das Beste zu machen.

      »Auch ich werde einen Weg finden«, flüsterte Polly vor sich hin.

      Und zum ersten Mal seit langer Zeit redete Polly in dieser Nacht wieder mit den Engeln.

      »Hört mal, ihr Engel! Ich bin sicher, daß die Mutter im Himmel ist, so gut wie sie war. Sagt ihr, daß ich ein bissel Hilfe brauche. Ich habe ihr versprochen, gut auf den Vater zu achten. Aber ich weiß net, wie ich des machen soll. Ich brauche eine Idee, damit er glücklich wird und meinem Glück an Joachims Seite nix mehr im Wege steht. Mutter hat immer gewußt, was zu tun war. Ich bin ja bereit, alles zu machen – na ja, ich will sagen – fast alles. Auf meinen Joachim will ich net verzichten. Ich liebe ihn wirklich. Ich denke, der Mutter hätte er auch gefallen. Er ist anständig und fleißig. Er ist rücksichtsvoll und geduldig. Ich würde so gern schon bald seine Frau werden. Aber was soll ich dann mit dem Vater machen?« flüsterte Polly leise.

      Sie seufzte. Dann stand sie auf und trat an das Geländer.

      »Hört mir mal gut zu, ihr Engel! Wie die Mutter in den Bergen auf dem Heimweg von der Hochalm in den Sturm gekommen war, da habt ihr net gut aufgepaßt. Des wollte ich euch schon immer mal sagen. Ich gebe zu, daß des damals ein schlimmer Wettersturz gewesen ist. Sicherlich habt ihr so viel zu tun gehabt. Aber ein bissel besser hättet ihr schon achtgeben können. Der Teufel ist damals sicher aus dem ›Höllentor‹ gekommen. In drei Höfen hat der Blitz eingeschlagen. Der Teufel hat ganz schön gewütet. Die Mutter ist dann krank geworden und ihr habt sie geholt. Seither habe ich immer das Gefühl, daß der Teufel gewonnen hat und er immer noch nach dem Glück auf dem Pircher Hof greift. Des muß einmal ein Ende haben. Also tut etwas! Ihr müßt des wieder gutmachen, denke ich«, sagte Polly trotzig.

      Polly fror jetzt etwas. Sie zog ihr Schultertuch enger um den Körper und hielt es vorne über der Brust zusammen. Sie stand noch eine Weile auf dem Balkon und erinnerte sich an die Geschichten über die Berge »Engelssteig« und »Höllentor«, die man sich seit Jahrhunderten in Waldkogel erzählte. Ja, es war damals wirklich so, als würde die Welt untergehen. Am hellichten Tag war es dunkel wie in der Nacht. Stundenlang tobte ein Gewittersturm über dem Tal. Alle hatten Angst. Pfarrer Zandler ließ damals die Glocken der schönen Barockkirche läuten zum Trost und als Erinnerung aller Waldkogeler. Das war auch nötig. Denn jeder, der bis dahin nicht davon überzeugt war, daß es auf dem Gipfel des »Höllentors« eine Tür zur Hölle gab, fing an darüber nachzudenken. Je länger der Sturm dauerte, desto mehr wurden auch die letzen Zweifler davon überzeugt, daß der Teufel an diesem Tag aus dem »Höllentor« herausgekommen war. Es war an diesem Tag nicht mehr hell geworden. Als der Sturm endlich aufhörte, war es schon tiefe Nacht.

      In Gedanken durchlebte sie diese Stunden und die drauffolgenden beiden Wochen noch einmal, bis ihre Mutter starb. Wie verlassen hatte sich Polly danach gefühlt! Erst Joachims Liebe veränderte dies. Polly spürte, daß sie zu Joachim gehörte.

      »Es wird alles gut werden! Es wird alles gut werden!« flüsterte Polly vor sich hin.

      Dann ging sie wieder ins Bett. Sie zog die Decke hoch und schlief gleich ein.

      *

      Am darauffolgenden Freitag kam Polly auf die Berghütte. Anna freute sich sehr. Die beiden Frauen harmonierten bei der Küchenarbeit sehr gut. Polly machte die Vorarbeiten. Sie schälte Kartoffeln, putzte das Gemüse, richtete den Teig für das Brot und die Kuchen und vieles mehr. Während der Mittagszeit richtete Polly das Essen und Anna half Toni beim Servieren.

      »Mei, Madln! Ihr seid ja ein richtig eingespieltes Team«, freute sich Toni.

      »Und Spaß haben wir auch«, lachte Anna.

      Toni sah, wie gut es seiner Frau tat, daß sie sich während der Arbeit mit Polly unterhalten konnte.

      So verging der Tag.

      Nach dem Abendessen spülten Anna und Polly das Geschirr in der Küche. Die meisten Hüttengäste saßen auf der Terrasse der Berghütte und schauten in den Sonnenuntergang. Die Sonne stand als große rotgoldene Scheibe im Westen über den Bergen. Polly warf immer wieder einen Blick aus dem Küchenfenster.

      »Hier oben erlebt man den Sonnenuntergang ganz anders als drunten in Waldkogel. Der Höhenunterschied, der macht sich bemerkbar und natürlich die wunderbare Weite des Blicks über das Tal und die Bergspitzen.«

      Anna lächelte.

      »Klingt, als wärst du eine Touristin und nicht aus Waldkogel. Das hört sich an, als hättest du nie einen Sonnenuntergang in den Bergen erlebt.«

      »Anna, du wirst es nicht glauben. Aber es ist wirklich so. Ich kenne nur Sonnenuntergänge, wie ich sie auf unserer Hochalm erlebt habe. Doch so hoch wie hier auf der Berghütte – niemals. Das ist neu für mich. Es ist wunderbar.«

      »Dann bist du auch nie mit einem Burschen in den Bergen gewesen. Ich spreche von einem verträumten Stelldichein beim ›Erkerchen‹ – wie?«

      »Nein! Soweit bin ich nicht!« Polly seufzte. »Damals, bevor Mutter starb, da war ich noch zu jung, um einen Burschen zu haben, mit dem ich mich gerne beim ›Erkerchen‹ verabredet hätte.« Polly seufzte noch einmal. »Und danach war nichts mehr, wie es einmal war. Ich bin jeden Abend daheim. Ich muß doch für Vater sorgen.«

      Sie waren fertig. Anna hing die Geschirrtücher auf eine Stange unter der Decke in die Nähe des Ofens, damit sie trocknen konnten.

      »Heißt das, daß du keinen Burschen hast?« fragte Anna.

      Pollys Reaktion verwunderte An-na doch. Polly wurde tiefrot im Gesicht und sehr verlegen.

      »So, so! Da gibt es aber einen, der dir gefällt, wie?«

      »Anna! Oh, ja! Dir gegenüber kann ich es ja zugeben. Du tust mich bestimmt nicht verraten, oder?«

      »Nun rede schon, Polly!«

      »Ja, da gibt es einen, der mir gefällt. Ich liebe ihn und er liebt mich. Wir treffen uns nachts bei uns im hinteren Teil unseres großen Gartens, der zum Pircher Hof gehört. Mein Vater geht immer früh schlafen. Ich warte dann, bis ich höre, daß er eingeschlafen ist. Wie viele Männer hat er einen lauten Schlaf. Er sägt den Wald ab. Er nimmt auch Schlaftabletten, die ihm der Martin nach Mutters Tod verordnet hat, weil er nicht schlafen konnte.«

      »Aha, ich verstehe, Polly! Während dein Vater in Träumen liegt,

      gehst du deinen eigenen Träumen nach – allerdings im wachen Zustand.«

      »Ja! Vater weiß noch nichts davon. Der Bursche drängt mich, endlich mit Vater zu sprechen. Doch ich habe Angst, Anna. Was wird aus Vater werden, wenn ich heirate und zu meinen Mann auf dessen Hof ziehe? Dann ist Vater ganz allein!«

      »Du kannst dein Leben nicht opfern, Polly! Willst du mir nicht sagen, wer er ist?«

      »Du darfst es aber wirklich niemandem verraten, Anna! Es ist Joachim Vorbauer, der Erbe des Vorbauer Hofes.«

      »Oh, der Achim! Das ist ein fescher Bursche. Ich habe ihn öfters mit seinem Vater im Wirtshaus bei meinen Schwiegereltern gesehen. Er kommt mit seinem Vater zum Stammtisch, aber er geht immer früher. Jetzt ahne ich, warum das so ist. Er trifft sich wohl mit dir.«

      »Ja, Anna! Der Joachim ist nicht nur fesch. Er ist ein ganz lieber und rücksichtsvoller Bursche. Aber ganz


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