Toni der Hüttenwirt Paket 2 – Heimatroman. Friederike von Buchner
Читать онлайн книгу.wir abends im Garten und redeten uns den Kummer von der Seele. Einer tröstete den anderen. Dabei kamen wir uns näher. Wir verliebten uns ineinander. Es war eine ganz andere Liebe, als die Liebe, die ich für Lioba empfand. Alwine ging es genauso. Doch wir waren glücklich, sehr glücklich.«
Edgar Pircher trank einen Schluck Kaffee.
»Vater, kannst du dir vorstellen, wieder zu heiraten?« fragte Polly direkt.
Edgar Pircher staunte. Er lachte laut.
»Willst du mich verkuppeln?«
»Naa, Vater! Naa! Ich habe eben nur nachgedacht. Du bist noch jung. Willst du den Rest des Lebens allein bleiben?«
»Polly! Madl! Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Ich tue auf jeden Fall keine Frau suchen. Der Himmel allein weiß, warum er mir die Frau und dir die Mutter genommen hat – und was noch kommen tut. Ich lasse die Dinge laufen. Ich denke aber nicht, daß ich mich noch einmal so richtig verlieben könnte. Außerdem, ist es nicht an der Zeit, daß du dich umsehen tust?«
Polly errötete.
»Oh, oh! Was sehe ich da? Gibt es da etwas, was ich wissen sollte? War auf der Berghütte vielleicht ein Bursche, der dir gefallen hat?«
Polly riß sich zusammen. Es kostete viel Kraft, ihrem Vater jetzt nicht alles zu erzählen.
»Mei, sicherlich gab es fesche Burschen auf der Berghütte. Das will ich nicht leugnen. Doch ich will nichts übereilen. Das, was du mir über dich und Lioba erzählt hast, ist doch deutlich genug. Erst will ich völlig sicher sein. Außerdem habe ich Ansprüche. Ich weiß genau, wie der Bursche sein soll.«
»Ah! Des ist ganz meine Polly! Hast eine Liste gemacht? Willst du mir davon erzählen? Rein theoretisch!«
»Muß des sein, Vater?«
»Warum net? Oder fällt es dir schwer, mit mir darüber zu sprechen. Sicherlich hättest du solche Sachen besser mit deiner Mutter bereden können. Aber was nicht ist – das ist nicht! Ich versuche dir eben, so gut es geht, deine Mutter zu ersetzen. Dabei weiß ich, daß ich des net wirklich kann.«
Er trank einen Schluck Kaffee.
»Du mußt net reden, Polly! Ich sage dir nur eines. Es kommt oft anders, als man denkt und plant. Kann sein, daß du Kompromisse machen mußt. Das haben deine Mutter und ich auch gemacht und sind glücklich geworden.«
Polly schwieg einen Augenblick.
»Magst recht haben, Vater! Den idealen Burschen zu finden, ist schwer. Diese Erkenntnis habe ich auch schon gewonnen. Er soll fesch sein. Er soll die Berge und Waldkogel lieben. Am besten wäre es, wenn er von hier ist. Er soll sanft sein. Er soll Tiere und die Landwirtschaft lieben. Er soll Geduld haben. Er soll sich Kinder wünschen. Er soll hier auf den Hof einheiraten.«
Ihr Vater brach in schallendes Gelächter aus.
»Das klingt, als suchst du die
›eierlegende Wollmilchsau‹! So einen Burschen, den gibt es nicht! Falls du so ein Prachtexemplar sichtest, dann packe zu. Fang ihn dir! Fackel nicht lange und schleppe ihn zum Trau-
altar.«
Der Bauer lachte wieder.
»Soso, mein Madl ist auf der Pirsch! Mei, das freut mich! Dann darf ich ja die Hoffnung haben, doch noch Großvater zu werden.«
»Soweit ist es noch lange nicht! Wie gesagt, ›eierlegende Wollmilchsäue‹ sind selten. Aber ich habe mir vorgenommen, er muß so sein – oder ich nehme ihn nicht.«
Edgar Pircher nahm kurz die Hand seiner Tochter.
»Das mit der Liebe, das kannst du nicht berechnen, Polly! Deine Mutter würde jetzt schmunzeln. Ich sehe die gute Alwine vor mir. Sie würde dir sagen, laß die Sache auf dich zukommen und folge dann deinem Herzen. Sie würde dir sagen, daß du nur ein Leben hast und einfach nur so leben mußt, daß du glücklich bist. Wenn du das spürst, dann mußt du handeln.«
»Warten wir es ab, Vater! Mal sehen, was die Zukunft bringt! Ich habe ganz bestimmte Vorstellungen, wie das werden soll. Ich muß das alles noch zusammenbringen. Wenn ich damit fertig bin, dann reden wir weiter. Vater, du weißt doch, daß ich kein Mensch bin, der über ungelegte Eier redet, wie man sagt.«
»Ja, Polly, das weiß ich! Du hast dich seit dem Tode deiner Mutter sehr verändert. Bist ernst geworden. Ich habe oft Angst um dich, daß du eine alte Jungfer wirst.«
»Das habe ich nicht vor, Vater! Aber es muß alles stimmen.«
Edgar Pircher versuchte noch eine Weile. Polly Einzelheiten zu ent-locken. Er war sich sicher, daß es einen Burschen gab, der an Pollys Herzenstür geklopft hatte. Doch Polly schwieg beharrlich und redete nur allgemein. Schließlich gaben sie das Thema auf und sprachen von der Arbeit. Edgar wollte nach Kirchwalden fahren, um Ersatzteile für den Traktor zu bestellen. Der Motor blieb immer wieder stehen. Er vermute-
te, daß die Einspritzpumpe defekt war.
»Kannst du mir einige Sachen aus Kirchwalden mitbringen? Ich habe eine Liste!«
Polly stand auf und holte ihr Notizbuch. Sie riß die Seite heraus und gab sie ihrem Vater. Er versprach, alles zu besorgen.
»Am besten, ich fahre gleich, dann bin ich bis zum Mittag wieder da, wenn alles glattgeht. Warte aber nicht mit dem Essen auf mich. Wenn es läutet und ich bin net zurück, dann tust essen. Dann wird es später und ich esse in Kirchwalden.«
Polly war einverstanden. Sie ließ sich ihre Freude nicht anmerken, daß ihr Vater nach Kirchwalden fuhr. Sie fieberte dem Augenblick entgegen, daß er vom Hof rollte. Polly kannte nur ein Ziel. Sie wollte auf dem Dachboden in den alten Sachen kramen, in der Hoffnung, die Adresse dieser Lioba Fischer aus Köln zu finden. Außerdem blieb ja noch die Telefonauskunft und das Internet.
»Was machst du, während ich in Kirchwalden bin?«
»Was ich immer mache, Vater! Ich kümmere mich um die Wäsche, räume auf, putze. Was eben notwendig ist!«
Polly stand auf und räumte den Tisch ab. Sie gab sich gelassen. Dabei war sie in ihrem Innern sehr aufgeregt. Ein Gedanke jagte den anderen. Sicherlich war es eine verrückte Idee. Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt! So lautete ein Sprichwort. Es war einen Versuch wert. Polly griff nach den Sternen. Ein tiefes inneres Gefühl verführte sie dazu.
Es dauerte dann doch noch eine ganze Weile, bis Edgar Pircher sich umgezogen hatte. Er kam in die Küche.
»Kann ich so gehen?« fragte er Polly.
Sie lächelte ihn an. Früher hatte Vater immer so ihre Mutter gefragt. Polly musterte ihn.
»Ja, so kannst du gehen! Dann bis später! Fahre vorsichtig! Lieber ein bissel langsamer!«
»Versprochen!«
Er nahm seinen Hut mit dem Gamsbart und ging hinaus. Durch das offene Küchenfenster sah Polly ihn vom Hof fahren. Kaum, daß der Geländewagen außer Sicht war, rannte Polly die Treppe hinauf in ihr Zimmer. Dabei nahm sie zwei Stufen auf einmal. Rasch entledigte sie sich ihres Dirndls. Sie schlüpfte in ein paar alte Jeans und einen dünnen Pullover. Das war für die Arbeiten auf dem Dachboden bequemer und auch nicht so schmutzempfindlich. Bevor Polly auf den Dachboden hinaufging, machte sie im ganzen Haus alle Fenster zu. Sie schloß die Haustür ab und ließ den Schlüssel von innen stecken.
Polly rieb sich die Hände. Jetzt war sie abgesichert. Sollte ihr Vater früher kommen, kam er nicht ins Haus, ohne daß sie es bemerkte.
Dann eilte Polly auf den Dachboden.
*
Es dauerte einen Augenblick, bis sich Polly an das schwache Licht gewöhnt hatte. Nur durch zwei kleine Dachfenster an den beiden Giebelseiten fiel Tageslicht herein. Es roch nach abgestandener Luft. Polly öffnete eines der Fenster. Dann sah sie sich um. Der Dachboden war wohlgeordnet. Polly kannte das System, nach dem ihre Mutter alles aufgehoben hatte. Rechts und links unter den Dachschrägen reihten sich Brandkiste neben Brandkiste