Toni der Hüttenwirt Paket 2 – Heimatroman. Friederike von Buchner
Читать онлайн книгу.blieb aber im Auto sitzen.
»Ah, die Frühmesse ist zu Ende.«
Polly hoffte, Pfarrer Zandler zu sehen. Da kam er auch schon aus dem Gotteshaus. Er nickte Polly von weitem zu. Dann verabschiedete er einige seiner Schäfchen mit Handschlag.
Pfarrer Zandler trug noch das farbige Meßgewand. Er winkte Polly zu, sie solle in die Kirche kommen. Während Pfarrer Zandler wieder im Gotteshaus verschwand, parkte Polly ihr Auto auf dem Marktplatz. Sie ging die wenigen Schritte zur Kirche zu Fuß. Ihr Herz klopfte heftig. Hat Pfarrer Zandler etwas erfahren? Er muß etwas wissen, sonst hätte er mich nicht in die Kirche bestellt, dachte Polly.
Die Tür stand offen. In der schönen Barockkirche roch es nach Weihrauch. Die Morgensonne schien durch die Buntglasfenster im Ostchor. Pfarrer Heiner Zandler war nirgends zu sehen. Er wird sich in der Sakristei umziehen, überlegte Polly. Sie ging zum Seitenaltar der Mutter Gottes und stiftete ihr eine große Kerze. Polly verharrte einen Augenblick vor der Statue. Sie betrachtete das Antlitz der Statue. Sie hatte sie schon oft im Leben gesehen. Doch an diesem Morgen war ihr, als lächele die Heilige Maria sie an.
Schritte schallten durch das Got-teshaus. Pfarrer Zandler kam den Mittelgang entlang. Polly eilte ihm entgegen.
»Was ist? Haben Sie etwas in Erfahrung bringen können?« stieß Polly hervor.
Pfarrer Zandler lachte.
»Polly! Du bist hier in einem Haus Gottes. Also, erst einmal ein herzliches Grüß Gott!«
»Entschuldigen Sie! Grüß Gott! Ich bin nur so gespannt.«
Fürsorglich legte Pfarrer Zandler seinen Arm um Pollys Schultern. Er schob sie in eine Bank und setzte sich neben sie.
Polly schaute ihn mit großen Augen an. Sie faßte sich an die Brust, so, als wollte sie ihr Herz festhalten. Es klopfte und klopfte.
»Bist du auf dem Weg zur Berghütte gewesen?«
»Ja!«
»Ich freue mich, daß wir uns noch getroffen haben. Sonst hätte ich wohl eine Wanderung hinauf machen müssen.«
»Oder anrufen! Heißt das, daß Sie etwas erfahren haben?«
Pfarrer Zandler schmunzelte.
»Kindchen! Madl! Die Angelegenheit scheint dir ja mächtig nahe zu gehen, wie?«
»Ja, das tut sie! Ich habe Ihnen das ja schon erklärt. Ich kann Ihnen auch nicht sagen, warum das so ist. Es ist ein innerer Drang. Da ist ein Gefühl in meinem Herzen, das mir sagt, ich soll das machen. Dabei weiß ich, daß es verrückt ist. Aber ich kann nicht anders. Hört sich seltsam an, wie?«
»Manchmal muß man Dinge tun, weil man in seinem Inneren so ein Gefühl hat. Der Mensch ist immer im Konflikt zwischen der Vernunft und dem Gefühl. Der Himmel allein weiß, ob es für die Menschen nicht besser wäre, öfter aus dem Gefühl heraus zu handeln als vom Verstand her.«
Polly spielte nervös mit den Knöpfen an ihrer Strickjacke.
»Also, Polly! Das ist so…«
»Ja?«
»Polly! Du sagst jetzt nix! Laß mich reden und hör mir zu, bis ich dir alles gesagt habe. Dann bleibst erst ein bissel hier sitzen und denkst nach oder hörst, was dir dein Herz sagt. Versprochen?«
Polly nickte. Sie brachte vor lauter Aufregung keinen Ton heraus.
Langsam und behutsam teilte ihr Pfarrer Zandler mit, was er herausgefunden hatte.
Lioba Fischer hatte wohl auf Wunsch ihrer Eltern, die ein Geschäft betrieben, einen Angestellten geheiratet. Dieser war die rechte Hand ihres Vaters gewesen. Doch die Ehe war wohl nicht sehr glücklich. Lioba bekam einen Sohn, den sie Urban nannte.
»Urban, so heißt auch mein Pircher Großvater!« warf Polly ein und erntete einen strafenden Blick von Pfarrer Zandler.
Dann hörte Polly weiter zu. Liobas Eltern, die sehr alt waren und Lioba spät bekommen hatten, starben schon vor Jahren. Liobas Mann wirtschaftete nicht gut und das Geschäft ging pleite. Er war ein Spieler. Notgedrungen, nachdem sie alles versucht hatte, trennte sich Lioba von ihrem spielsüchtigen Ehemann und zog mit ihrem Buben nach Kirchwalden. Dort arbeitete sie zuerst an einer Tankstelle, dann an einem Kiosk. Diesen Kiosk pachtete sie vor zwei Jahren.
»Übrigens, Lioba heißt jetzt Schmidt.«
»Lioba ist ganz in der Nähe«, flüsterte Polly fast unhörbar.
Sie bekam rote Bäckchen vor Aufregung.
Pfarrer Zandler lächelte.
»Es schaut aus, als hätte sie es hier in die Nähe gezogen. In die Nähe zu einem Ort, an dem sie einmal glücklich war. Aber das ist Spekulation, Polly! Lioba liebte die Berge, das wissen wir mit Sicherheit. Also zog es sie in die Berge. Vielleicht fand sie hier die Kraft und die Ruhe, die sie nach ihrem offensichtlich harten Leben brauchte.«
»Wissen Sie, ob sie in Waldkogel war?«
»Nein! Das weiß ich nicht!«
Pfarrer Zandler stand auf.
»Ja, Polly! Das ist alles, was ich weiß. Jetzt mußt du entscheiden,
wie du damit umgehst. Überstürze nichts! Wäge jedes Wort ab. Der Himmel stehe dir bei und lenke jeden deiner Schritte.«
»Danke, Pfarrer Zandler! Danke für Ihre Mühe! Geben Sie mir die Adresse?«
»O ja! Mei, des hätte ich jetzt fast vergessen!«
Pfarrer Zandler griff in seine Hosentasche und gab Polly ein kleines Stück Papier. Darauf hatte er mit Tinte, ganz so wie es seine Art war, in Druckschrift die Adresse von Lioba Schmidt, geborene Fischer, aufgeschrieben.
»Danke! Nochmals vielen Dank, Herr Pfarrer!«
»Gern geschehen! Sei vorsichtig«, ermahnte er Polly noch einmal.
Polly nickte eifrig.
Polly blieb noch eine Weile in der Kirche sitzen. Sie mußte auch erst wieder innerlich zur Ruhe kommen. Immer und immer wieder drehte sie den kleinen Zettel in ihren Händen und las die Adresse. Polly kannte sich in Kirchwalden gut aus, auch weil sie dort gearbeitet hatte. Die Straße gehörte zu einem Neubaugebiet. Das erklärte, warum sich ihr Vater und Lioba nie in der Innenstadt von Kirchwalden begegnet waren. So erklärte es sich Polly.
Polly schloß die Augen und lauschte auf ihr Herz.
Was soll ich tun?
Wie soll ich vorgehen?
Dann kam ihr plötzlich die Idee.
»Dem Himmel sei Dank! Danke! Danke! Danke!«
Polly stand auf. Sie stiftete der Mutter Gottes noch eine Kerze. Dann verließ sie das Gotteshaus, stieg in ihr Auto und fuhr den Milchpfad hinauf zur Oberländer Alm.
»Grüß Gott, Polly! Bist du auf dem Weg zur Berghütte? Willst du dem Toni und der Anna wieder helfen? Bist ein bissel zu spät. Der Toni hat vor geraumer Zeit die Kinder runtergebracht. Jetzt ist er schon wieder auf dem Weg hinauf. Wenn du dich beeilst, dann holst du ihn vielleicht noch ein. Er hat schwer zu tragen. Er hat Vorräte mit hinaufgenommen, Butter, Käse, Wurst, aber auch Zucker und Mehl. Zucker und Mehl hat sein Vater, der Baumberger Xaver, aus Waldkogel raufgebracht. Des ist aber noch net alles. Gemüse ist auch noch da. Willst was mitnehmen?« fragte Wenzel Oberländer.
»Des ist für des Madl viel zu schwer, Wenzel. Was redest du da? Der Toni wird später noch einmal wiederkommen. Dann bringt er den Bello mit dem Wägelchen mit.«
»Grüß Gott, Hilda! Schimpf net mit deinem Mann. Er hat es doch nicht bös’ gemeint, der Wenzel. Außerdem kann ich schon etwas mitnehmen. Mein Rucksack ist nicht schwer. Laß mal sehen, was noch auf die Berghütte rauf muß.«
Hilda wollte Polly davon abbringen. Aber damit hatte sie kein Glück. So packte Polly noch einige Vorräte in ihren Rucksack und nahm auch noch eine Tasche mit