Toni der Hüttenwirt Paket 2 – Heimatroman. Friederike von Buchner

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Toni der Hüttenwirt Paket 2 – Heimatroman - Friederike von Buchner


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etwas dagegen, wenn ich mich einen Augenblick zu dir setze?«

      Tina zuckte mit den Schultern. Doch sie schubste Bello nicht von der Sitzbank. So blieb Poldi nichts anderes übrig, als sich ans äußerste andere Ende der Bank zu setzen.

      »Gehst oft hierher?« fragte er.

      »Ja! Meistens bin ich hier alleine. Auf der Berghütte sind sehr viele Leute. Das ist ja auch gut so für Toni und Anna. Aber mir ist es oft zuviel. Sicherlich könnte ich in der Kammer bleiben. Aber das wäre doch schade. Die Berge sind so wunderschön. Diese Aussicht! Der sanfte Wind! Der Duft nach Gras und Tannen! Das ist für dich vielleicht nichts Besonderes. Aber ich kenne nur das Meer. Dort riecht es nach Salz und Schlick. Es weht ständig ein starker Wind. Meistens ist er recht kühl. Das Meer am Abend ist schön, wenn sich die Wellenkämme im Abendrot rosa färben. Aber die Berge hier, das ist eine ganz andere Schönheit. Sie ist nicht schöner als das Meer. Ich will nicht vergleichen, was schöner ist. Es ist anders. Für mich ist das eine neue Erfahrung. Ich beobachte gern die Adler, wenn sie hoch oben kreisen. Sie strahlen so eine wunderbare Ruhe aus. Die Möwen sind sehr lebhaft und kreischen. Bist du schon einmal am Meer gewesen, Poldi?«

      »Naa! Ich war noch nie am Meer. Ich habe noch nie Urlaub gemacht. Selbst während des Studiums bin ich jedes Wochenende heimgefahren. Ich wollte der Mutter helfen. Es ist nicht leicht für sie gewesen.«

      Poldi schwieg eine Weile. Tina schwieg und kraulte Bello dann weiter.

      »Die Mutter war bei Bollers einkaufen, hat sie mir erzählt. Sie kennt dich, Tina. Sie findet dich sehr nett.«

      »Danke! Ich finde deine Mutter auch sehr freundlich. Hatte sie jetzt schon Geburtstag?«

      »Ja!«

      »Sie schaut sehr jung aus für ihr Alter. Sie wirkt eher wie eine ältere Schwester von dir, nicht wie deine Mutter.«

      »Ja, des stimmt. Man sieht ihr die fünfzig Jahre nicht an.«

      »Die beiden Dirndl haben ihr gefallen?« fragte Tina.

      »Ja, das eine hat ihr sehr gut gefallen, das grüne Dirndl mit dem bunten Schultertuch. Sie war sehr überrascht über meine gute Wahl. Das hat sie mir nicht zugetraut. Ich gestand ihr, daß du mich beraten hast.«

      Als könnte Poldi Tinas Gedanken lesen, sagte er:

      »Jetzt denkst du an das rosa Dirndl, stimmt’s?«

      Tina schaute ihn kurz an und lächelte.

      »Die Farbe steht Mutter nicht so gut. Das habe ich mir schon gedacht, als du es mir im Laden gezeigt hast. Zu dir hat es gepaßt. Es sah perfekt aus.«

      »Ich habe das Kleid nur vorgeführt!«

      »Das weiß ich, aber ich muß dir jetzt etwas gestehen, Tina! Ich habe das Dirndl nicht für meine Mutter gekauft. Ich kaufte es in der Absicht, daß du darin mit mir ausgehst. Wie wäre es damit?«

      Tina schaute Poldi mit großen Augen an.

      »Was…was… was heißt das?«

      »Das war eine Einladung. Hast du das nicht verstanden?«

      Tina streichelte Bello den Rücken.

      »Glaubst du, du kannst mich verführen, mit dir auszugehen, wenn du mir das Dirndl… gibst? Poldi, ich bin nicht verführbar. Nicht für ein Dirndl und auch nicht durch etwas anderes. Vielleicht kannst du es bei Bollers zurückgeben. Soll ich mit Franz Boller sprechen? Ich kann sagen, daß es deiner Mutter nicht gefallen hat.«

      »Mei, Tina! Schau! Ich muß immer und immer wieder an dich denken, seit wir uns in Bollers Laden begegnet sind. Geht es dir nicht auch so?«

      Tina antwortete nicht.

      »Du sagst nichts! Das bedeutet ›ja‹?«

      »Sagen wir ›jein‹. Ich denke nach der Arbeit oft noch an meine Kunden, und du bist mein erster Kunde gewesen. So denke ich an dich!«

      »Nicht mehr?«

      Tina schwieg erneut.

      »Also leugnen tust du es nicht. Das freut mich! Tina, ich möchte dich gern näher kennenlernen. Du gefällst mir. Nimm doch bitte das Dirndl als Geschenk.«

      »Ein solches Geschenk bringt Verpflichtungen mit sich. Ein solches Andenken an die Zeit in Waldkogel möchte ich nicht.«

      »Klingt, als wolltest du wieder fort.«

      »Das will ich auch, Poldi. Schau, ich habe hier nur Urlaub gemacht. Dann hat es sich ergeben, daß ich bei Bollers im Laden aushelfen konnte. Auf diese Weise bin ich schon länger geblieben als ich vorhatte. Veronikas Genesung schritt doch langsamer voran, als alle angenommen haben.«

      »Du konntest deinen Urlaub einfach so verlängern?«

      Tina schüttelte den Kopf. Sie erzählte Poldi, daß sie zu ihrer alten Arbeitsstelle nicht mehr zurückkehren konnte, weil es diese nicht mehr gibt.

      »Dann bist eigentlich arbeitslos gewesen!«

      »Richtig! Deshalb wollte ich erst nur zwei Wochen bleiben. Weil ich auch Zeit brauche, mir Arbeit zu suchen. Dann hat sich die Chance bei Bollers ergeben.«

      »Die können dich nicht behalten, wie? Oder sie wollen dich nicht anstellen?«

      Tina lächelte.

      »Doch, das würden sie schon. Ich will nicht. Ich habe eingesehen, daß es nicht gut für mich wäre, länger in Waldkogel zu bleiben.«

      Poldi rieb sich das Kinn. Er brachte die Einzelheiten aus Tinas Erzählung nicht zusammen. Es kam ihm vor, als stehe er vor einem großen Haufen

      Puzzlestücken, die nicht zusammen gehörten. Da war Tinas ehrliche Begeisterung für die Berge. Trotzdem wollte sie nicht bleiben, auch nicht noch eine Weile. Sie war arbeitslos. Bollers boten ihr einen Arbeitsplatz. Doch Tina wollte ihn nicht. Sie wollte nicht einmal ein Andenken an Waldkogel mitnehmen. Zugegeben, vielleicht war das Geschenk etwas groß. Ich stelle mich auch wirklich ungeschickt an, überlegte Poldi. Warum sage ich ihr nicht einfach, daß ich mich in sie verliebt habe? Auf der anderen Seite geht Tina deutlich auf Abstand zu mir. Sie plaziert nicht ohne Grund Bello zwischen uns, überlegte er.

      Poldi stand auf. Er trat vor Tina hin. Er schaute ihr in die Augen.

      Tina wollte seinem Blick ausweichen. Sie schaffte es nicht. Welch wunderschöne Augen er hat. Sie sind blau wie das Meer, dachte sie. Tina spürte, wie ihr Herz klopfte.

      »Tina! Höre mir mal zu! Ich möchte dir so viel sagen. Aber dazu möchte ich dir etwas näher sein… Nicht, wenn Bello neben dir hockt. Tina, du gefällst mir sehr! Du hast mir vom ersten Blick an gefallen. Ich kann mir net denken, daß du des net bemerkt hast. Daß ich dir auch gefalle, des kannst net leugnen.«

      Tina öffnete den Mund. Sie wollte etwas sagen.

      »Naa, Tina! Jetzt hörst mir zu! Es gibt nur zwei Möglichkeiten. Entweder du gibst uns eine Chance, daß wir uns näher kennenlernen. Dann können wir uns entscheiden… so oder so! Oder du verläßt Waldkogel! Dann wirst du dich ein Leben lang fragen: War es richtig? Schau, ich will dir das Dirndl nicht aus Berechnung geben. Ich habe dich nur darin gesehen und den Wunsch gehabt, es dir zu schenken. Was ist dabei, jemandem etwas zu schenken? Es macht mir Freude zu sehen, wie du dich freust. Ich meine es ehrlich! Ich will dich nicht mit großen Gefühlen überfallen. Ich bin vielleicht nicht so, wie andere Burschen sind. Ich bin nicht gut im Verführen. Ich gehe sehr vorsichtig mit den Gefühlen anderer Menschen um. Das hängt damit zusammen, daß ich keinen Vater habe. Sicherlich weißt du, daß meine Mutter nie geheiratet hat.«

      »Der alte Alois hat mir die Geschichte erzählt!«

      »Gut! Dann weißt du alles. Dann muß ich sie dir nicht erzählen. Tina, die Madln laufen mir nach. Sie fliegen auf mich wie die Motten zu einer Lichtquelle. Ich kann nichts dafür. Vielleicht denken sie, daß ich so bin wie mein Vater, der wohl ein schändliches Doppelleben führte und kein Madl zurückweisen konnte. Tina, so bin ich nicht. Das wollte ich dir sagen.


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