Toni der Hüttenwirt Paket 2 – Heimatroman. Friederike von Buchner

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Toni der Hüttenwirt Paket 2 – Heimatroman - Friederike von Buchner


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Schicksal oder Vorsehung? Ist auch gleich! Darüber mache ich mir keine Gedanken.«

      »Du machst dir über etwas anderes Gedanken?«

      »Ja!«

      Evi redete sich Anna gegenüber alles von der Seele. Sie sprach davon, wie offen und ehrlich sie miteinander über die Liebe und über Freundschaft und über Burschen und Madln geredet hatten.

      »Ach, Anna! Es knisterte so zwischen uns. Er sprach, daß er sich in ein Madl aus den Bergen verliebt habe. Ich redete von einer heimlichen Liebe. Ich hätte fragen können, wer das Madl ist. Er hätte mich weiter nach meiner heimlichen Liebe ausfragen können. Doch keiner von uns beiden fand dazu den Mut.«

      Evi war sich unsicher. Vielleicht war es doch gut, daß keiner den anderen gefragt hatte. Immerhin war es erst das zweite Zusammentreffen.

      Evi seufzte. Sie war voller widersprechender Gefühle.

      »Er ist doch der Bursche! Wenn er mich mag, dann soll er es sagen. Er schwatzte von meinen blauen Augen, von meinem blonden Haar. Ich nahm extra meine Mütze vom Kopf.«

      Evi hatte erwartet, daß er schüchtern, zaghaft nach einer ihrer Locken greift.

      »Aber nichts dergleichen! Das war schon ein bisserl enttäuschend!«

      Anna lachte laut.

      »Evi! Evi! Er wollte eben nichts falsch machen!«

      »Ja, das versteh ich!« brummte Evi. »Doch wie soll das weitergehen?«

      Evi fand, daß sie ihm viele Andeutungen gemacht hatte. Wenn er ihr hätte näher kommen wollen, dann hatte es gute Chance dafür gege-

      ben.

      »Ach, Evi, du bist schon herzig! Erst bekämpfst du ihn mit allen Mitteln. Dann wunderst du dich, daß er zurückhaltend ist. Habe doch ein bisserl Verständnis für ihn.«

      Anna verstand Boyd. Außerdem erinnerte sie sich, wie das damals mit Toni gewesen war. Toni hatte Anna damals nur angeschaut. Sie hatte die Liebe in seinen Augen gesehen. Aber er hatte sich Zeit gelassen, so viel Zeit bis zum ersten Kuß.

      »Burschen tun gelegentlich so, als seien sie echte Draufgänger. Dann sind sie wieder schüchtern wie kleine Schulbuben«, schmunzelte Anna.

      Sie tröstete Evi. Nach Annas Beurteilung wollte Boyd sich seiner Sache ganz sicher sein. Sie war der Meinung, daß er mit seiner Zurückhaltung seine Ernsthaftigkeit bekundete. Anna fand es bemerkenswert, daß Boyd Evi von den Freundinnen erzählt hatte.

      »Damit wollte er reinen Tisch machen, Evi. Du weißt jetzt, woran du bist. Ich denke, daß nicht viele Burschen so offen über ihr bisheriges Gefühlsleben reden. Sehe es positiv!«

      »Das versuche ich ja auch! Doch plötzlich war mir alles egal. Ich wünschte mir nur, er würde mich in den Arm nehmen und küssen. Kannst du das verstehen, Anna?«

      »Besser als du denkst! Damals lag ich schlaflos in der Kammer und grübelte darüber nach, wann – wann mich endlich Toni küssen würde. Ich war drauf und dran ihn zu fragen!«

      »Was du nicht sagst!«

      »Ja, Evi! Ich dachte darüber nach, wie ich ihn fragen könnte, ihn ermutigen. Etwa so: Wird in den Bergen nicht geküßt? Sieht die Liebe in den Bergen keine Küsse vor? Küssen die Burschen in den Bergen mit den Augen und nicht mit den Lippen?«

      Die beiden jungen Frauen lachten.

      Evi sah ein, daß sie es mit ihrer anfänglichen Ablehnung Boyd nicht gerade leicht gemacht hatte.

      »Übrigens, ich sage nicht mehr Boyd zu ihm. Jedenfalls nicht, wenn wir uns privat unterhalten, dann sage ich Gustl! Boyd heißt mit Vornamen Gustav.«

      Anna staunte.

      »Wie kommt es?«

      »Er bat mich darum und fügte hinzu, das habe er noch keinem Madl angeboten!«

      »Nun, das ist doch etwas! Der will dir nah sein! Sieh es so!«

      »Ja, das versuche ich!«

      Anna erkundigte sich, ob Evi sich zu den Modeaufnahmen durchringen könnte.

      »Ich denke schon! Außerdem bin ich dann mit ihm zusammen. Ich kann auch die Orte bestimmen. Ich habe mir auf dem Rückweg vom ›Erkerchen‹ hierher schon Gedanken gemacht.«

      Evi wollte mit ihrem Bruder Simon reden. Er war mit dem jungen Grafen, dem Adoptivsohn des Grafen Tassilo von Teufen-Thurmann befreundet. Das renovierte Waldschloß des Grafen gab eine gute Kulisse für die Aufnahmen von Festtagsdirndl ab. So dachte es sich Evi. Anna war davon auch überzeugt. Auch der Schloßpark, der sich bis zum Bergsee erstreckte, eignete sich gut dafür. Evi legte aber noch auf etwas anderes Wert. Dort würden sie ungestört sein. Niemand konnte zusehen. Sie würde mit Boyd dort allein sein, das hoffte sie jedenfalls. Vielleicht würden noch Leute aus seinem Team dabei sein. Evis Bruder Simon hatte ihr erzählt, daß mehrere Leute zu Boyds Team gehörten, die den Models beim Anziehen und Ausziehen halfen, sie schminkten und frisierten.

      »Ich werde mit ihm darüber reden. Auf dem Foto, das er von mir gemacht hatte, da war ich auch nicht geschminkt und frisiert.«

      Während Evi weiter nachdachte, ließ sie die Bilder der Kleider durch die Finger gleiten.

      »Sie sind wunderschön! Findest du nicht auch, Anna?«

      »Sehr schön! Einige davon könnte man als Hochzeitsdirndl anziehen!«

      »Nein! Da habe ich andere Bilder!«

      Evi setzte sich neben Anna. Sie betrachteten die zehn Fotos, auf denen Brautdirndl auf Schaufensterpuppen fotografiert waren.

      »Welches gefällt dir, Evi?«

      »Sie sind alle schön! Aber ich würde keines davon nehmen. Außerdem habe ich noch keinen Anlaß, mir darüber Gedanken zu machen!«

      Evi errötete tief. Anna lachte.

      »Mußt nicht lachen! Erst muß er mir sagen, daß er mich liebt. Dann muß er mich küssen. Dann einen Antrag machen. So ist die Reihenfolge. Anna, das weißt du doch!«

      »Sicherlich! Trotzdem kannst du davon träumen. Gib es zu, du träumst längst davon? Jedes Madl, das verliebt ist, träumt davon, wie es sein wird, wenn es als Braut zum Altar schreitet. Das ist keine Sünde und völlig normal.«

      »Ja schon! Doch bei mir und Boyd – ich meine Gustl –, da war nichts völlig normal. Da ist was ganz schön schiefgelaufen. Dabei hatte ich mich sofort in ihn verliebt.«

      Anna lachte herzlich.

      »Oh, Evi! Du tust, als wäre es festgelegt, wie es ablaufen muß, wenn sich zwei verlieben. Das gibt es nicht. Es gibt keine Regeln, keine Muster. Die Liebe hat da ihre eigenen Wege, wie sie zwei Menschen zusammenführt. Das mußte ich auch erst einsehen. Bei allen Menschen auf der ganzen Welt ist das verschieden. Dieses Erlebnis teilen nur die beiden Liebenden miteinander. Das ist ein Geschenk, ein kostbares Geschenk, ein so wunderbares Geschenk. Das hat nichts mit Planung und Logik und Verstand zu tun. Es ist die Liebe. Sie vermag Grenzen, Entfernungen und Unterschiede mühelos zu überwinden. Sie hat ihren eigenen Plan, wann es der richtige Zeitpunkt ist. Du bist Boyd – nein – deinem Gustl, vor der Kirche begegnet, als du auf dem Friedhof gewesen bist, um die Gräber zu gießen. Mir ist mein Toni im Zugabteil begegnet.«

      »Ich verstehe, was du meinst, Anna! Manchmal kommt die Liebe wie eine Naturgewalt über zwei Menschen. Oder sie kommt langsam und auf leisen Sohlen, so wie bei meinem Bruder Simon und meiner Schulfreundin Rosi. Rosi geht seit Jahren bei uns daheim ein und aus. Ich meine Simon und Rosi kennen sich gut. Als Kinder haben wir alle zusammen gespielt. Jetzt sind sie ein Paar. Irgendwann keimte die Liebe, langsam und stetig. So hatte ich es mir auch vorgestellt.«

      »Niemand kann es sich aussuchen, wie, wann und wo der Blitz einschlägt. Die Liebe, so scheint es mir, ist wirklich das letzte Geheimnis auf unserem allzu wissenschaftlichen und technologischen Planeten. Dafür, daß es so ist, dafür bin ich dem Himmel dankbar, dankbar


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