Alles Liebe - zum Fest der Hiebe. Tobias Bachmann

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Alles Liebe - zum Fest der Hiebe - Tobias Bachmann


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um.

      Der Einstieg war relativ harmlos. Eine junge Frau vermisste ihre beste Freundin, es regnete in Strömen, sie ging alleine shoppen. Doch die Autorin kam schnell zur Sache. Nicht irgendein Modegeschäft war das Ziel, sondern ausgerechnet ein Sexshop, und die Protagonistin suchte diesen auf, um sich einen Vibrator zu kaufen. Schon nahm das Schicksal seinen Lauf …

      Das schnarrende »Drrr« riss Sabrina in die Gegenwart zurück. Ungeduldig beförderte sie den Gemüsestrudel auf den bereit gestellten Teller und setzte sich wieder an den Küchentisch. Während sie wie automatisiert Bissen um Bissen in ihren Mund beförderte, las sie von Neugierde gepackt weiter. Schließlich erhob sie sich, ließ den Teller stehen, und zog vom Küchenstuhl auf das bequemere Sofa im Wohnzimmer um, nun bereits beim dritten Kapitel angelangt und erwartete mit steigender Spannung, was weiter geschehen würde.

      Die Empfindungen der Personen übertrugen sich auf ihren Körper. Sie sehnte, fühlte und litt mit ihnen. Dann folgte die erste Sexszene und Sabrina dachte, nur diese eine würde sie lesen, auch wenn es sie vielleicht anwidern würde, und dann hätte sie sich ausreichend genug informiert, um das Buch aus der Hand zu legen und mitreden zu können.

      Aber es kam ganz anders. Sabrina empfand ein sinnliches Kribbeln, ein heißes ungestilltes Verlangen, je mehr sie den Text auf sich wirken ließ, sich zum einen wünschte und andererseits gleichzeitig fürchtete, das selbst auszuprobieren, was die Hauptdarstellerin erlebte. Dies war nicht einfach nur eine Liebesgeschichte. Dies war nicht einfach nur irgendein blöder Erotikroman. Es ging nicht nur um Sex und Leidenschaft. Das Thema war ein erregendes und sinnliches Spiel aus Dominanz und Unterwerfung, aus unterschiedlichen Neigungen, die mit dem passenden Partner ausgelebt werden durften, so dass Sabrina völlig vergaß, dass sie eigentlich nur ein paar Seiten hatte lesen wollen.

      Die Handlung sprach ihr Innerstes an, und noch viel mehr, es regte ihre Sehnsucht nach einem Leben zu zweit, nach Liebe und nach Zärtlichkeit. Von Zeit zu Zeit begann es in ihrem Unterleib zu kribbeln. Nein, konnte es sein, dass diese Geschichte sie ein wenig erregte?

      Als Sabrina es nach ihrem langen anstrengenden Arbeitstag trotz der spannenden Geschichte schließlich nicht mehr schaffte, sich zu konzentrieren und ihre Augen offenzuhalten, war es schon weit nach Mitternacht. Sehr viel später, als sie sonst zu Bett ging. Sie blieb einfach auf dem Sofa liegen, knipste das Licht der Leselampe aus und zog die Decke, in die sie sich gekuschelt hatte, bis über die Schultern.

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      »Nun, wie geht es Ihnen? Gibt es etwas Neues?«

      Sabrina fuhr herum. »Sie schon wieder! Müssen Sie mich immer so erschrecken, Herr …?«

      »Oh, tut mir leid, das wollte ich wirklich nicht.« Ihr Gegenüber machte eine zerknirschte Miene. »Und ich habe mich wohl letztes Mal nicht vorgestellt. Wie unhöflich von mir. Joachim Krummer. Aber nennen Sie mich doch bitte einfach Jo.«

      Sein Lächeln strahlte, als ginge darum, mit einer Zahnpastawerbung zu überzeugen, und sein unschuldiger Dackelblick war nicht weniger umwerfend. Damit bekam er bestimmt jede rum.

      Jede andere, korrigierte Sabrina in Gedanken, sie aber würde sich davon nicht einnehmen lassen. Außerdem, wenn er solche Bücher las, dann stand er bestimmt auch nur auf Frauen, die dem Schönheitsideal dieser Protagonistinnen entsprachen. Zwar haderte Sabrina nicht mit ihrer etwas fülligeren Figur und dem prallen Busen, dafür naschte und aß sie einfach viel zu gern. Andererseits war ihr bewusst, dass Frauen mit Kleidergröße 42 sich noch so gut kleiden mochten – Männer standen einfach mehr auf Modellmaße.

      »Sabrina Tanner«, erwiderte sie der Höflichkeit halber.

      »Nun Sabrina – haben Sie auf meine Empfehlung gehört und das Buch inzwischen gelesen?«

      Zu gerne hätte sie verneint, es lag ihr auf der Zunge, ihm entgegen zu schmettern, dass ihn das überhaupt nichts anginge. Aber dieser Kerl hatte etwas an sich, etwas Magisches, das sie völlig aus dem Konzept brachte. Ehe sie dazu kam, ihm zu antworten, sprach er bereits weiter, leise, mit einem eigenartigen Unterton, der hier nicht hingehörte. »Sie haben es gelesen, ich sehe es. Es steht in Ihren wunderschönen Augen geschrieben.«

      Das fehlte ihr noch, dass er versuchte sie mit Schmeicheleien zu umgarnen. Zwar gab es nicht viele Frauen, die außergewöhnlich grüne Augen hatten wie sie. Das war ihr sehr wohl bewusst, und diese Farbe passte sowohl zu ihrem Teint mit den Sommersprossen als auch zu ihrer naturroten Haarfarbe. Nixe hatte sie deswegen einer ihrer früheren Liebhaber genannt. Dennoch. Er sollte sie in Ruhe lassen!

      Jetzt lächelte er wieder, aber anders als zuvor. Wissend, selbstbewusst. Dabei sinnlich, geradezu verführerisch. Ehe Sabrina begriff, was er vorhatte, beugte er sich auf einmal zu ihr herunter, legte seine Hand in ihren Nacken, zog sie sanft an sich und küsste sie. Sein Kuss war köstlich und zugleich fordernd, die Frische von Pfefferminz drang in ihren Mund ein und seine Zunge suchte die ihre, klopfte zärtlich an und kostete sie.

      Schwindel ergriff Sabrina und sie hatte Angst, dass ihre Beine wegsackten.

      »Wann hast du Feierabend? Ich hole dich ab«, fragte er, kaum dass er sie losgelassen hatte. Dem bestimmenden Tonfall nach zu urteilen war dies jedoch nur eine rhetorische Frage. Ihm ging es wohl zu gut?

      Sabrina stieß ihn abrupt von sich weg. »Was fällt Ihnen ein! Ich werde mich nicht mit Ihnen treffen.«

      Er gab ein tiefes und ein wenig spöttisches Kichern von sich. Als er seine Hand ausstreckte, um ihr Kinn zu heben, wich sie einen Schritt zurück. Ein weiterer Kuss war überflüssig. Sie würde sich nicht einlullen lassen, und auch weder einem Treffen noch einer Diskussion über Romane nachgeben. Bleib mir von der Pelle!

      »Hast du etwa Angst vor mir, Sabrina?«

      »Blödsinn!«, fauchte sie.

      »Also, wann hast du Feierabend? Ich möchte nur mit dir etwas essen gehen, dich zu einem Gläschen Wein einladen, zu einer kleinen Plauderstunde. Mehr nicht.«

      Wie kam er dazu, sie auf einmal zu duzen? »Kommt überhaupt nicht in Frage. Ich versteh gar nicht, warum …«

      Mit einer herrischen Geste stoppte er ihre Argumentationsversuche. Sein flehendes »Bitte. Bitte sagen Sie nicht Nein.« passte nicht zu seinem dominanten Auftreten, und dennoch lag darin so viel Inbrunst, soviel Gefühl, dass Sabrina beinahe glauben mochte, es wäre ihm wirklich ein Herzensbedürfnis, mit ihr auszugehen.

      »Ich kann nicht«, murmelte sie mit einem letzten Funken Widerstand. Sie musste sich umdrehen und ihn stehen lassen, sie musste ihre Augen von ihm abwenden, um ihm widerstehen zu können, sie musste …

      »Warum? Niemand wartet auf dich«, hauchte er.

      »Woher wollen Sie …«

      Sabrina verstummte unter seinem Blick. Wieder dieser unwiderstehliche und durchdringende Dackelblick, als müsste er auf der Stelle, direkt hier vor ihren Augen zusammenbrechen, falls sie es wagte, noch einmal Nein zu sagen.

      »Also gut«, seufzte Sabrina. »Fünf nach sechs bin ich fertig, Herr Krummer.«

      »Jo«, erwiderte er mit einem strahlenden Lächeln. »Nennen Sie mich bitte einfach Jo.«

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      Es gelang ihr nicht sich zu konzentrieren. Zerstreut prüfte Sabrina schon zum dritten Mal den Inhalt der Kasse. Und jedesmal erhielt sie ein anderes Ergebnis.

      »Was ist denn mit dir los?« Mona musterte ihre Kollegin mit prüfendem Blick von der Seite.

      »Nichts«, erwiderte Sabrina ein wenig zu hastig.

      Mona schaute kurz verdutzt, dann lachte sie frei heraus. »Den Bären kannst du jemand anderem aufbinden. Lass mal, ich mach das. Geh schon und schau, dass du morgen wieder du selbst bist!«

      Sabrina bedankte sich. Ein wenig verlegen zog sie ihre wattierte Jacke und die Fell gesäumten Handschuhe an, hängte sich ihre Handtasche über die Schulter


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