Der Bergpfarrer Staffel 9 – Heimatroman. Toni Waidacher

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Der Bergpfarrer Staffel 9 – Heimatroman - Toni Waidacher


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die Vögel waren verstummt, und eine unheimliche Ruhe breitete sich aus.

      Wie die Ruhe vor dem Sturm…

      Ein ängstliches Gefühl überkam die junge Frau, während sie weiterging. Am liebsten wäre sie umgekehrt, doch bis zu dem Gebirgsfluß konnte es nicht mehr weit sein, und der Durst wurde übermächtig.

      Drei Stunden ins Dorf hinuntersteigen – das würde sie ohne Wasser nicht überstehen!

      Angela zog den Reißverschluß ihres Anoraks hoch und drückte den Hut fester auf den Kopf. Dann stieg sie weiter auf und hoffte inständig, daß das Unwetter noch eine Weile brauchte, bis es sich entlud.

      Doch schon spürte sie die ersten Regentropfen fallen…

      *

      Seine Mutter und Angelas Eltern saßen in der Hotelhalle, als Stephan eintraf. Er hatte nicht das Glück gehabt, Marion Brockmann noch in dem Café anzutreffen, und war suchend über die Uferpromenade gegangen. Als er sicher war, sie nicht mehr wiederzufinden, hatte er ein Taxi rufen lassen und war damit nach St. Johann zurückgefahren.

      Unterwegs hatte er darüber nachgedacht, wie er sich am besten bei Angela entschuldigte, allerdings auch, wie er seine Mutter zur Rede stellen sollte. Als er die drei jetzt dort sitzen sah, spürte er wieder die gleiche Wut wie am Morgen, als er hinter dieses abgekartete Spiel gekommen war.

      Ewald Pfister, seine Frau und Margot Richter waren von Sebastian Trenker durch das Schloß geführt worden, anschließend hatte die Herbergsmutter zu Kaffee und Kuchen auf der großen Terrasse eingeladen. Man hatte sich prächtig unterhalten und gestärkt den Rückweg angetreten. Dabei drehte sich das Gespräch der beiden Mütter um die Hochzeit ihrer Kinder, die sowohl für Margot als auch für Hannelore feststand. Für sie konnte es gar keine Zweifel mehr geben, daß es ihnen gelungen war, Angela und Stephan zusammenzubringen.

      Als sie im Hotel angekommen waren und sich oben erfrischt hatten, setzten sie sich in die Halle und bestellten sich erst einmal ein paar Getränke. Der Spaziergang war schon anstrengend gewesen, aber auch wunderschön. Draußen grummelte es ein wenig, ein Gewitter schien aufzuziehen. Es war merklich kühler geworden.

      Die Tür öffnete sich, und Stephan trat ein. Als er seine Mutter sah, versteinerte sich seine Miene.

      »Hallo«, rief Margot Richter, »seid ihr wieder zurück? Gerad’ rechtzeitig, was? Es wird net mehr lang’ dauern, bis es regnet.«

      Das Ehepaar Pfister sah erwartungsvoll zur Tür, durch die jeden Moment ihre Tochter treten mußte.

      »Wo bleibt Angela denn?« fragte Hannelore.

      Stephan zuckte die Schultern.

      »Die wird wohl schon auf ihrem Zimmer sein«, antwortete er. »Aber um so besser, daß sie net da ist. Da kann ich euch gleich sagen, was ich von eurem miesen Spiel halt’.

      Es ist doch ein Spiel, oder? Und ihr habt geglaubt, daß ich net dahinterkomm’, net wahr?«

      Er sah sie verärgert an und mußte indes in sich halten, um nicht laut loszulachen, als er die verwirrten Gesichter sah.

      Den dreien stand das schlechte Gewissen darin geschrieben.

      Natürlich war sein Ärger nur gespielt, aber es mußte sehr überzeugend wirken, weil seine Mutter ihn ängstlich ansah und bittend die Hand hob.

      »Stephan…, ich kann dir alles erklären…«

      »Das wirst’ auch müssen«, erwiderte er und setzte sich zu ihnen.

      Geduldig hörte er zu, wie seine Mutter ihre ›Beichte‹ ablegte, die Pfisters sagten gar nichts, nickten nur hin und wieder bestätigend.

      »Soso«, meinte Stephan schließlich. »Da habt ihr euch ja was Feines ausgedacht. Aber ihr könnt’ beruhigt sein?–?ich bin euch net bös’. Im Gegenteil, dankbar muß ich sein, weil ich sonst nie erfahren hätt’, was für eine wundervolle Frau die Angela ist.«

      Seine Mutter und das Ehepaar atmeten erleichtert auf.

      »Dann… ist also alles in Ordnung?« vergewisserte sich Ewald.

      Stephan nickte.

      »Wenn ich die Angela net so lieb haben würd’, dann wär’ ich schon bös’, weil sie bei dieser Scharade mitgespielt hat«, sagte er.

      Die anderen sahen sich bestürzt an.

      »Angela weiß nix davon«, erklärte seine Mutter.

      »Nicht?« fragte Stephan überrascht. »Aber dann…«

      »Wo ist Angela überhaupt?« fragte Hannelore Pfister. »Du hast gemeint, sie müsse auf ihrem Zimmer sein… Warum?«

      Stephan holte tief Luft und erzählte, wie er hinter die ganze Geschichte gekommen war, und daß er sich eine kleine Rache ausgedacht hatte. Auch die Rolle, die Marion Brockmann dabei gespielt hatte, ließ er nicht unerwähnt.

      »Da hab’ ich ihr Unrecht getan«, bekannte er jetzt. »Hoffentlich verzeiht sie mir.«

      Er stand entschlossen auf.

      »Ich muß sofort mit ihr reden«, sagte er. »Hoffentlich ist sie mir net allzu böse.«

      Rasch lief er die Treppe hinauf und eilte über den Flur. Als er vor ihrer Tür stand, wußte er nicht, ob sein Herz so klopfte, weil er die Treppe hinaufgelaufen war oder vor Aufregung.

      Er klopfte an und wartete ungeduldig.

      »Angela«, rief er verhalten. »Ich bin’s. Bitte, ich muß mit dir reden. Es tut mir leid, was da gescheh’n ist. Wirklich, es ist alles ganz anders, als es ausschaut. Angela, bitte, mach’ auf.«

      Er klopfte erneut, doch drinnen blieb alles still.

      Stephan zuckte die Schultern und wollte in sein eigenes Zimmer gehen, mußte aber feststellen, daß er den Schlüssel noch gar nicht an der Rezeption abgeholt hatte.

      Er lief wieder nach unten. Die anderen waren inzwischen aufgestanden und sahen ihn erwartungsvoll an. Stephan stellte sich zu ihnen und schaute auf das Brett.

      »Na, da kann ich ja lang’ klopfen«, sagte er. »Angela ist gar net in ihrem Zimmer.«

      »Nicht?« fragte Hannelore Pfister verwundert.

      Stephan deutete auf das Brett.

      »Der Schlüssel hängt doch da, neben meinem.«

      »Wahrscheinlich macht sie einen Spaziergang«, meinte Ewald.

      »Jetzt noch?« fragte seine Frau zurück. »Bei dem Wetter?«

      Draußen hatte der Regen eingesetzt. Dann und wann zuckte ein Blitz, und rollender Donner entlud sich über dem Dorf.

      »Bestimmt hat sie sich irgendwo untergestellt«, beruhigte ihr Mann sie. »Oder sie kommt jeden Moment.«

      Hannelore Pfister schaute durch die Glastür nach draußen.

      »Na, hoffentlich…«, flüsterte sie.

      *

      Das Gewitter war schneller heran, als sie geglaubt hatte. Blitze zuckten um sie herum, und die darauffolgenden Donner rollten als schauriges Echo von den Bergwänden wider.

      Angela Pfister schaute sich suchend um. Sie mußte einen Unterschlupf finden. Ein Gewitter in den Bergen, das wußte sie, konnte ungleich gefährlicher sein als in der Stadt.

      Der Regen war inzwischen so stark geworden, daß sie kaum noch etwas sehen konnte, und ihre Kleidung war bis auf die Haut durchnäßt. Eisiger Wind fuhr durch ihre Glieder und ließ sie frösteln.

      Längst schon schalt Angela sich eine Närrin, weil sie ohne jegliche Vorbereitung zu dieser Wanderung aufgebrochen war. Es war ein kleines Glück, daß sie wenigstens vernünftiges Schuhwerk trug.

      Die junge Frau preßte sich eng an den Fels. Vergeblich suchte sie nach Schutz, und ihre klammen Finger tasteten über den nassen Stein, glitten immer wieder ab


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