Der Bergpfarrer Staffel 9 – Heimatroman. Toni Waidacher

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Der Bergpfarrer Staffel 9 – Heimatroman - Toni Waidacher


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lachte er und legte einen Geldschein auf den Tisch. »Du bist natürlich eingeladen. Jetzt und zur Hochzeit auch.«

      Der Juniorchef der Richterbrauerei winkte ihr zu und verließ das Straßencafé.

      Schade, dachte er, während er über die Uferpromenade zur Liegewiese ging, daß es hier kein Blumengeschäft gibt. Mit einem Rosenstrauß wäre es leichter gewesen, Angela gegenüberzutreten.

      Es war Stephan Richter schon klar, daß er sich entschuldigen mußte. Aber er mußte sich auch eingestehen, daß er seine kleine Rache ausgekostet hatte.

      Er erreichte die Liegewiese. Inzwischen war es hier noch voller gewesen. Als sein Blick zu den abgestellten Autos hinüberglitt, stellte er fest, daß es kaum noch einen freien Platz gab.

      Und dann hatte er Mühe, die Stelle zu finden, an der er und Angela ihre Decke ausgebreitet hatte. Mehrmals drehte sich Stephan im Kreis und runzelte die Stirn.

      »Das gibt’s doch net«, entfuhr es ihm.

      Er war ganz sicher, an dem Platz zu stehen. Wenn er sich umdrehte und zur Promenade schaute, dann hatte er den gleichen Blickwinkel wie vorhin, als er vorschlug, eines der Lokale aufzusuchen.

      Er wandte sich wieder um und starrte auf die Stelle, an der seiner Meinung nach die Decke und Angela liegen mußten. Doch dort hatte sich eine Familie mit zwei Kindern ausgebreitet und von Angela war nichts zu sehen.

      Plötzlich überkam Stephan ein schlimmer Verdacht.

      Hatte er vorhin übertrieben? Und hatte Angela das, was sie sah, sich so zu Herzen genommen, daß sie die Sachen eingepackt hatte und abgefahren war – ohne ihn?

      »Sie schau’n gerad’ so aus, als suchten Sie etwas«, sprach ihn in diesem Moment jemand an.

      Es war der Familienvater.

      »Tja, ich weiß auch net«, sagte er und hob hilflos die Arme. »Eigentlich dachte ich, dies wär’ der Platz, an dem meine Begleiterin und ich gelegen hatten.«

      Er beschrieb die Kleidung, die Angela getragen hatte.

      »Ja, genau die ist gerade gegangen, als wir herkamen«, mischte sich die Frau in das Gespräch. »Sie hatte einen Korb dabei.«

      Stephan rieb sich das Kinn.

      Dann war sie also tatsächlich gefahren!

      »Gehört Ihnen das hier vielleicht?« fragte ihn der Mann und hielt ein Jackett in die Höhe.

      Stephan erkannte, daß es wirklich seines war, und nickte.

      »Ja, dank’ schön«, antwortete er und nahm es entgegen.

      Gott sei Dank hatte er Hemd und Hose schon angezogen. Er schlüpfte in die Jacke und knöpfte sein Hemd zu.

      Wenn er Glück hatte, dann traf er Marion noch im Café an und konnte sie bitten, ihn nach St. Johann zu fahren.

      Aber dann, so ahnte er, begannen seine Probleme erst…

      *

      Traurig und enttäuscht traf Angela in St. Johann ein. Unterwegs hatte sie einige Male anhalten müssen, weil sie nicht mehr in der Lage gewesen war weiterzufahren. Immer wieder mußte sie an die Szene in dem Café denken, als Stephan seinen Arm um die Frau gelegt und sie geküßt hatte. Und dann schossen ihr Tränen in die Augen. Sie fühlte sich gedemütigt und fragte sich zum wiederholten Male, wie es nur geschehen konnte, daß sie auf Stephan Richter hereingefallen war.

      Als sie dann in ihrem Zimmer saß, überlegte sie, wie es weitergehen sollte.

      Abreisen?

      Das kam wohl nicht in Frage. Immerhin war sie mit den Eltern hier. Aber sie konnte ihnen auch nicht erklären, was geschehen war. Möglicherweise zerbrach dann die Freundschaft zwischen ihnen und Margot Richter, und Angela wußte, wie sehr den Eltern daran gelegen war.

      Nur eines wußte sie zu diesem Zeitpunkt – Stephan würde sie nie wieder so nahe an sich heranlassen, wie es geschehen war!

      Angela ging ins Bad und wusch ihr verweintes Gesicht mit kaltem Wasser ab. Als sie sich abtrocknete, hörte sie draußen auf dem Flur jemanden reden und erkannte die Stimme ihrer Mutter. Die Eltern und Margot Richter waren von ihrem Spaziergang zurückgekehrt. Sie beschloß, sich erst einmal ruhig zu verhalten. Noch wollte sie ihnen nicht gegenübertreten, obgleich sie natürlich wußte, daß es unvermeidbar war.

      Türen klappten, und dann war es still.

      Angela setzte sich ans Fenster und schaute hinaus. Ihr Blick glitt zu den majestätischen Bergen hinüber, die zum Greifen nahe schienen, und sie dachte an die geplante Bergtour mit Pfarrer Trenker.

      Auch daraus würde nichts werden. Auf gar keinen Fall wollte sie morgen früh mit Stephan und dem Geistlichen aufsteigen.

      Unruhig stand Angela von ihrem Platz auf und ging durch das Zimmer. Hier drinnen schien es immer enger zu werden, als ob die Wände zusammenrückten und sie zu er-drücken drohten, und sie hatte das Gefühl, daß sie hinaus mußte an die frische Luft.

      Sie schaute auf die Uhr. Früher Nachmittag, lange hatte der Ausflug an den See nicht gedauert. Angela holte noch einmal tief Luft, und wandte sich dann entschlossen zum Kleiderschrank um. Sie nahm ihre Wandersachen heraus und zog sich um.

      Den spontanen Entschluß, ein wenig die nähere Umgebung zu erkunden, wollte sie gleich in die Tat umsetzen. Bestimmt tat ihr so ein langer Spaziergang gut, und die frische Luft würde ihr dabei helfen, Ordnung in ihre Gedanken zu bringen.

      Angela setzte ihren Wanderhut auf und steckte eine Karte in die Jacke ihres Anoraks, auf der sie zuvor nachgeschaut hatte, welche Richtung sie nehmen wollte, dann verließ sie ihr Zimmer. Auf dem Flur ging sie schnell an den Suiten vorbei und lief die Treppe hinunter. Als sie die Hotelhalle durchquerte, atmete sie auf.

      Die hübsche junge Frau ging aus dem Dorf hinaus und wanderte einen Pfad hinauf, der zu einer großen Wiese führte. Nach kurzer Zeit hatte sie schon eine beträchtliche Entfernung zurückgelegt.

      Schließlich erreichte sie einen Punkt, der in der Karte mit ›Hohe Riest‹ bezeichnet war. Ein Bergwald, dessen Ausläufer sich bis zum Ainringer Wald erstreckte. Von hier aus starteten die Wanderwege zu den Almhütten.

      Angela setzte sich auf den Boden und nahm die Karte zur Hand. Erst jetzt wurde ihr bewußt, daß sie ein wenig leichtsinnig gehandelt hatte, indem sie ohne Proviant losgegangen war. Auf Essen hätte sie zur Not noch verzichten können, doch der Durst, der sie jetzt quälte, war schlimm.

      Wenigstens etwas zu trinken hätt’ ich mitnehmen müssen, dachte sie und faltete die Karte wieder zusammen.

      Vielleicht hatte sie Glück und fand einen Gebirgsbach, an dem sie sich erfrischen konnte.

      Angela stellte fest, daß ihr bisher keine Menschenseele begegnet war. Es schien, als wäre sie mutterseelenallein auf der Welt, und dieses Gefühl vertiefte ihre Traurigkeit über die erlittene Enttäuschung noch mehr.

      Immer wieder entstand das Bild des Mannes vor ihren Augen, in den sie sich so rettungslos verliebt hatte und der dieser Liebe nicht wert war. Sie versuchte, es zu verscheuchen wie einen unangenehmen Alptraum, doch so recht wollte es ihr nicht gelingen.

      Schließlich stand sie auf. Angela hatte beschlossen, ein Stück weiter hinaufzugehen. Der Karte nach mußte es in einiger Entfernung einen Gebirgsfluß geben, an dem sie ihren Durst löschen konnte. Sie brauchte ihn nur noch finden.

      Sie trat aus dem Wald heraus und stand vor einer bizarr schönen Landschaft aus Felsen, Wiesen und Sträuchern. Vor ihr türmte sich ein Berg auf, und in weiter Höhe konnte sie grüne Almwiesen erkennen, auf denen Kühe weideten.

      Bestimmt floß dort auch irgendwo der Fluß, der auf der Karte eingezeichnet war.

      Entschlossen stapfte sie los. Als sie zwischendurch auf die Uhr schaute, stellte sie fest, daß inzwischen beinahe drei Stunden vergangen waren. Wahrscheinlich war Stephan inzwischen auch wieder im Hotel – vorausgesetzt, seine ›Bekannte‹ hatte ihn gefahren.


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