Der Bergpfarrer Paket 4 – Heimatroman. Toni Waidacher
Читать онлайн книгу.Auto und fuhr los. Als sie in die Straße einbog, in der Tobias wohnte, sah sie seinen Jeep vor dem Haus stehen. Kathi atmete erleichtert auf, er schien zu Hause zu sein. Sie war gespannt darauf, zu hören, was Tobias zu dem Gerede über ihn zu sagen hatte.
Als er auch nach dem zweiten Klingeln nicht öffnete, ging sie durch die Gartenpforte und schaute hinter dem Haus nach. Aber er war auch nicht auf der Terrasse oder im Garten. Kathi machte kehrt und stand einen Moment unschlüssig da. Brunners Auto stand immer noch vor dem Haus. Sie ging hin und schaute sich die Reifen an. Tatsächlich, alle vier waren platt.
Die Frau hinter der Gardine bemerkte sie nicht, als sie sich hinunterbeugte. Erst als die Haustür aufging, schaute Kathi auf. Resl Brunner kam wie eine Dampfwalze anmarschiert.
»Ja, schau nur!« rief sie, noch ehe sie ganz vor der Bauerntochter stand. »Das hat er angerichtet, der windige Rumtreiber!«
Kathi kannte die Frau gerade mal vom Sehen. Und sie wußte nicht, warum sie sich von ihr duzen lassen sollte.
»Vielleicht haben S’ es noch net mitbekommen«, sagte sie. »Aber Ihr Nachbar heißt Berghofer.«
Sie deutete auf das Auto.
»Außerdem muß erst einmal bewiesen werden, daß er das getan hat«, setzte sie hinzu.
Resl Brunner funkelte sie an.
»Kann mir schon vorstellen, daß du mit ihm unter einer Decke steckst«, bemerkte sie spitz. »Warst’ ja gestern erst bei ihm. Möcht’ net wissen, was ihr da getrieben habt...«
Kathi schwankte zwischen Empörung und Belustigung.
»Erstens, Frau Brunner, möcht’ ich net, daß Sie mich duzen«, stellte sie klar. »Und dann geht es Sie überhaupt nix an, was und mit wem ich irgendwas treibe, merken S’ sich das!«
Sie ließ die Frau stehen und ging zu ihrem Auto. Als sie vorüber fuhr, stand Resl Brunner immer noch am Straßenrand und schaute ihr hinterher.
»Sind die denn alle verrückt geworden?« sagte Kathi und schüttelte den Kopf. »Was haben die denn bloß gegen ihn?«
Sie mußte unbedingt Tobias sprechen. Ihr war nicht wohl bei dem Gedanken, daß sich alle Welt gegen ihn verschworen hatte. Nachbarschaftsstreit hin und her, aber was die Brunners da taten, war ja schon üble Nachrede, und jetzt wurde sie da auch noch hineingezogen.
Aber das war noch nicht alles, was sie erschütterte. Als Kathi auf den Hof fuhr, wartete ihre Mutter schon auf sie.
»Sag’ mal, was fällt dir ein, dich mit so einem einzulassen?« fragte die Bäuerin. »Bist’ denn von allen guten Geistern verlassen?«
Sie hatte schon auf die Tochter eingeredet, noch ehe Kathi ausgestiegen war.
»Wovon redest’ überhaupt?« erwiderte sie.
»Tu’ net so scheinheilig!« rief ihre Mutter verärgert. »Du weißt genau, wovon ich red’. Im ganzen Dorf ist’s ja schon herum. Daß du dich net schämst!«
»Spinnt ihr jetzt alle?« fuhr Kathi empört auf. »Davon ist doch kein Wort wahr!«
»So? Hast’ net mit dem Herumtreiber getanzt, am Samstagabend?« hielt Traudel ihrer Tochter vor. »Und gestern, bist’ da net bei ihm zu Haus’ gewesen? Du brauchst es gar net abstreiten. Ich weiß Bescheid!«
Sie schlug die Hände zusammen.
»Oh, Gott, wenn das dein Vater erfährt!« jammerte sie.
»Ich streit überhaupt nix ab«, sagte Kathi, während sie den Korb mit den Einkäufen aus dem Kofferraum holte. »Und Vater kann’s ruhig wissen. Du scheinst zu vergessen, daß ich volljährig bin und tun und lassen kann, was ich will.«
Die Bäuerin rang verzweifelt die Hände.
»So nimm doch Vernunft an, Kathi«, flehte sie. »Du kannst doch net mit so einem...!«
»Er heißt Tobias!« rief die Tochter ärgerlich und stellte den Korb, den sie eigentlich ins Haus hatte bringen wollen, mitten auf den Hof. »Und damit du’s weißt, ich liebe ihn!«
Aus dem Gesicht ihrer Mutter war alle Farbe gewichen. Entsetzen stand in ihren Augen.
»Das... das werden wir net zulassen«, kam es über ihre Lippen.
Kathi sah sie an, dann schüttelte sie den Kopf und stieg wieder ins Auto.
»Wo willst’ denn jetzt hin?« rief Traudel Steingruber.
»Dorthin, wo ich net unter Verrückten bin«, antwortete ihre Tochter und brauste davon.
»Das gibt ein Unglück«, flüsterte die Bäuerin hilflos. »Ein Unglück!«
*
Müde und ein wenig erschöpft kamen Sebastian und Tobias wieder in St. Johann an. Ein langer Tag lag hinter ihnen, aber er war wunderschön und erlebnisreich gewesen.
Auf der Hütte hatten sie herrlich gegessen und sich lange mit dem alten Senn unterhalten. Franz Thurecker freute sich aufrichtig, Tobias, den er von früher her kannte, wiederzusehen. Der hatte sich ausgiebig umgesehen und freute sich, als Franz ihnen sein Käselager zeigte und schließlich ein großes Stück für jeden einpackte.
»Vielen Dank, Hochwürden«, sagte Tobias zum Abschied. »Es war seit langem wieder ein schöner Tag für mich.«
»Das freut mich!« Der Bergpfarrer nickte beifällig. »Und gewiß wird’s net der letzte gewesen sein...«
Er wollte noch etwas hinzufügen, als sein Bruder um die Ecke kam.
»Da seid ihr ja!«
Sebastian sah ihn fragend an. Er ahnte, daß etwas vorgefallen sein mußte, als er Max’ ernstes Gesicht sah.
»Was gibt’s?«
»Ärger«, antwortete der Polizist. »Ich muß mit euch sprechen.«
Tobias sah ihn verdutzt an.
»Mich auch?«
Der Polizist nickte.
»Dich in erster Linie«, sagte er. »Es betrifft dich nämlich ganz besonders.«
»Erzähl’!« forderte Sebastian ihn auf.
»Net hier auf der Straße!« Sein Bruder schüttelte den Kopf. »Laß uns zum Pfarrhaus gehen.«
Schulterzuckend folgten sie ihm.
»Nun mach’s net so spannend«, sagte der Geistliche, als sie angekommen waren.
Sie saßen auf der Terrasse. Die Haushälterin servierte kalten Saft, den sie aus Äpfeln selbst gepreßt hatte.
Max erzählte, was inzwischen vorgefallen war, und je länger er redete, um so größer wurde das Erstaunen auf den Gesichtern seiner beiden Zuhörer.
»Was soll ich getan haben?« fragte Tobias kopfschüttelnd. »Wie kommt der Brunner darauf, daß ich ihm die Reifen zerstochen hätt’? Und warum sollte ich so etwas tun?«
»Tobias war mit mir verabredet«, erklärte Sebastian Trenker. »Deshalb war er so früh unterwegs.«
»Das weiß ich ja inzwischen«, nickte Max. »Die Frau Tappert hat mir erzählt, daß ihr auf Bergtour seid. Bloß heut’ morgen hab’ ich’s noch net gewußt. Aber das spielt ja auch keine Rolle. Ich glaub’ ja auch net, daß Tobias der Täter ist.«
»Bloß, wer war’s dann?«
Der Geistliche stellte diese Frage.
»Keine Ahnung«, erwiderte sein Bruder. »Ich bin am Vormittag noch mal bei der Resl Brunner gewesen und hab’ mich auch mit den andren Nachbarn, den Hollachers, unterhalten. Ich wollt’ wissen, ob der Loisl oder seine Frau vielleicht mit irgendwem Streit hatten, daß derjenige ihnen eins auswischen wollte und deshalb das Auto beschädigt hat. Aber das ist wohl net der Fall.«
»Dann muß was ganz anderes dahinterstecken«,