Der Bergpfarrer Paket 4 – Heimatroman. Toni Waidacher
Читать онлайн книгу.vor vier!
Mindestens zwei Stunden könnte er noch im Bett liegen, wenn nicht jemand beharrlich darauf bedacht wäre, ihn aus den Federn zu klingeln.
Der Bruder des Bergpfarrers schaute zur Seite. Claudia lag in die Decke eingewickelt und schlief noch. Der Lärm schien sie offenbar nicht zu stören. Max schwang sich aus dem Bett und schlüpfte in seinen Morgenmantel.
»Himmelnochmal, jetzt hör’ schon auf mit dem Radau«, rief er mit unterdrückter Stimme, während er die Treppe hinunterstieg. »Ich komm’ ja schon!«
Immer noch halb verschlafen, drehte er den Schlüssel und öffnete. Vor ihm stand Alois Brunner und sah ihn wutentbrannt an.
»Mensch, was ist denn los?« fragte Max. »Brennt’s, oder warum weckst’ mich zu nachtschlafender Zeit?«
»Du mußt mitkommen!« sagte der Mann. »Verhaften mußt’ den Kerl, den windigen!«
Der junge Polizist unterdrückte ein Gähnen.
»Von wem redest’ denn überhaupt?«
»Von dem Rumtreiber natürlich«, erwiderte Brunner, wie aus der Pistole geschossen. »Einen anderen Verbrecher gibt’s hier ja net.«
»Also, nun mal langsam. Was ist denn eigentlich passiert?« wollte Max wissen.
»Der Kerl hat mein Auto demoliert!« polterte Alois los. »Grad’ eben, als ich zur Arbeit fahren wollt’, hab’ ich’s entdeckt.«
»Und wieso glaubst’, daß es dein Nachbar war?«
»Weil’s niemand sonst gewesen sein kann. Vierzig Jahr steht mein Auto vor der Tür, und nie ist was gewesen. Kaum ist der Rumtreiber wieder da, geht’s auch schon los mit dem Ärger.«
»Jetzt paß mal auf«, sagte Max. »Der Mann hat einen Namen. Wie du sehr gut weißt, heißt er Tobias Berghofer. Und mit deinen Anschuldigungen solltest’ sehr vorsichtig sein. Das könnt’ nämlich ganz schnell nach hinten losgehen, und dann hast’ eine Anzeige wegen falscher Anschuldigung am Hals.«
Warum bloß, dachte er dabei, kommt mir das so bekannt vor? Ach ja, die Maria... die wollt’ ja auch gesehen haben, daß der Tobias ein Verbrechen begangen hat...
Er schüttelte den Kopf und unterdrückte ein Grinsen.
In seinem eigenen Haus!
Alois Brunner deutete das Grinsen falsch.
»Ich find’s überhaupt net lächerlich«, schimpfte er. »Möcht’ dich mal an meiner Stelle seh’n. Also, was ist jetzt?«
»Ich komm’ gleich und schau’s mir an«, nickte der Polizist ergeben.
Er schloß die Tür und ging wieder nach oben. Claudia schlief doch nicht mehr. Sie saß im Bett und schaute ihn fragend an.
»Was ist denn passiert?« fragte die Journalistin.
Max erzählte es ihr.
»Der Tobias soll das gewesen sein?« rief seine Frau. »Das glaub’ ich nie und nimmer!«
»Ich auch net«, erwiderte der Polizist und zog seine Uniform an. »Aber ich muß der Sache halt nachgehen.«
Als er zu dem Haus kam, standen Brunner und dessen Frau davor. Das Auto parkte am Straßenrand, obgleich es eine Garage gab. Aber Alois war wohl zu bequem, um hineinzufahren.
Da es noch recht dunkel war, hatte Max seine Taschenlampe mitgebracht, in deren Schein er sich den Schaden anschaute. Brunner hatte mit der Behauptung, sein Wagen sei demoliert worden, reichlich übertrieben. Allerdings waren sämtliche Reifen platt. Durchstochen, wie der Beamte schnell feststellte, und das war natürlich schon ein Ärgernis.
»Na schön«, nickte Max, »die Luft ist gewiß net von allein rausgegangen, wie man ja auch sieht. Aber wieso soll’s ausgerechnet der Tobias Berghofer gewesen sein?«
»Ich hab’ ihn doch selbst gesehen!« fuhr der Mann auf. »Grad’ vor kurzem ist er hier vorbeimarschiert.«
»Tatsächlich?«
Max blickte zum Nachbarhaus. Dort war alles dunkel.
»Ich schau’ mal«, sagte er und ging zur Tür. Mehrere Male drückte er den Klingelknopf, ohne daß sich etwas rührte.
Also entweder hat er einen gesunden Schlaf, oder er ist wirklich net daheim, dachte der Bruder des Bergpfarrers, als er zu dem Auto und dessen Besitzer zurückging.
Resl Brunner war von ihrem aufgeregten Mann geweckt worden. Mit zerzaustem Haar, nur mit dem Morgenmantel über dem Nachthemd, stand sie fröstelnd auf der Straße.
»Ich hab’ dem Loisl gleich gesagt, das gibt nur Ärger«, schimpfte sie. »Da kann ja nix Gutes bei rauskommen, wenn man sich jahrelang in der Weltgeschichte herumtreibt und sich net um sein Haus kümmert. Das sagt doch schon alles über den Rumtreiber!«
»Zum Donnerwetter«, entfuhr es Max, der sonst nie fluchte, »ich hab’ schon deinem Mann gesagt, euer Nachbar heißt Tobias Berghofer!«
Resl wich unwillkürlich einen Schritt zurück und zog es vor, den Mund zu halten.
»Und was passiert jetzt?« wollte Brunner wissen.
»Ich nehm’ den Schaden auf, und heut’ nachmittag kommst’ rüber und machst eine Anzeige gegen Unbekannt. Die brauchst’ nämlich für die Versicherung.«
»Aber wie komm’ ich denn jetzt zur Arbeit?«
Max schaute auf die Uhr.
»In einer Stunde fährt der erste Bus in die Stadt«, erwiderte er. »Ruf’ an und sag’, daß du später kommst.«
»Ich... ich bin noch nie zu spät gekommen«, ereiferte sich Alois.
Seine Frau nickte empört, wagte aber nicht, etwas zu sagen. Max’ Rüffel hatte sie eingeschüchtert.
Der Polizeibeamte zuckte die Schultern.
»Was soll’s? Ich kann dich net fahren, und einmal ist immer das erste Mal. Auch für dich. Also, pfüat euch, ihr beiden. Ich leg’ mich wieder ins Bett.«
Damit ließ er das Ehepaar stehen und ging zum Revier zurück.
Nachdem er sich wieder hingelegt hatte, konnte er aber nicht mehr schlafen. Zuviel ging Max durch den Kopf, als er die Angelegenheit noch einmal überdachte.
Daß Tobias für das Zerstechen der Reifen verantwortlich war, glaubte er keinen Moment.
Aber wer war dann der Täter?
Fälle von Vandalismus gab es so gut wie nie in St. Johann. Freilich kam es schon mal vor, daß ein paar Betrunkene sich eine Gaudi daraus machten, Gartenpforten auszuhängen oder nachts irgendwo klingelten. Das waren zwar Streiche, und für die Betreffenden ärgerlich, aber mutwillige Beschädigungen fremden Eigentums hatte der Polizist in dem friedlichen Dorf noch nie erlebt.
Hoffentlich muß ich jetzt net jede Nacht auf Streife gehen, dachte er.
Aber wenn es zu weiteren Fällen kam, würde ihm nichts anderes übrig bleiben.
Außerdem beschäftigte ihn die Frage, wo Tobias Berghofer hinwollte, als Alois Brunner ihn gesehen hatte. Es war schon ungewöhnlich, daß er so früh unterwegs war.
Aber alles Nachgrübeln half nichts. Max drehte sich noch einmal auf die Seite, schlang den Arm um seine Frau, die wieder eingeschlafen war, und schloß die Augen.
Leider nicht für lange, denn schon bald darauf klingelte der Wecker, gerade, als er ein bissel eingeschlummert war.
*
»Wie hab’ ich das vermißt!«
Tobias stand am Rand der eindrucksvollen Schlucht und schaute in die Tiefe. Sein Ausruf kam aus tiefstem Herzen. Er breitete die Arme aus und holte tief Luft. Dann drehte er sich zu Sebastian um und lachte.
»Ich