Der Bergpfarrer Paket 4 – Heimatroman. Toni Waidacher
Читать онлайн книгу.glaub’ ich dir gern’«, meinte Sebastian. »Oft merkt man erst, wenn man wieder daheim ist, was das Wort Heimat wirklich bedeutet.«
Der Geistliche öffnete den Rucksack, den Tobias getragen hatte, und holte den Proviant heraus. Bald duftete der Kaffee in ihren Bechern, und die belegten Brote schmeckten köstlich an der frischen Luft, nach der ersten Etappe ihres Aufstiegs.
»Jetzt bist’ ja schon eine Weile wieder hier«, sagte Sebastian. »Hast’ dir denn schon darüber Gedanken gemacht, was du nun anfangen willst?«
Tobias trank einen Schluck.
»Net so richtig«, gestand er. »Bisher war ich damit beschäftigt, das Haus wieder in einen bewohnbaren Zustand zu versetzen.«
»Natürlich«, nickte der Bergpfarrer. »Aber hin und wieder wirst’ schon daran gedacht haben, oder?«
»Doch. Aber ich weiß noch net so recht. Mir spuken viele Ideen im Kopf herum.«
Er lachte plötzlich auf.
»Wenn gar nix geht, dann zieh ich zum Franz auf die Alm und beerb’ ihn eines Tags«, setzte er hinzu.
»Gar keine schlechte Idee«, nickte Sebastian. »Auch wenn ich dem Franz ein langes Leben wünsch’, so muß er sich doch beizeiten nach einem Nachfolger umschauen, an den er sein Wissen weitergeben kann.
Allerdings ist’s ein sehr einsames Leben auf einer Almhütte, darüber mußt’ dir im klaren sein. Da wär’s gut, wenn du eine Frau hättest...«
»Eine Frau?«
Tobias blickte ernst vor sich hin.
»Ich weiß net, ob ich jemals wieder eine Frau lieben kann«, erwiderte er düster.
»Ich versteh’ und akzeptier’ deine Gefühle«, sagte der Geistliche. »Aber bei all der Trauer, die noch in deinem Herzen ist, darfst’ dich net vor der Welt verschließen, Tobias. Ich bin sicher, daß die Patricia das net gewollt hätt’. Oder würdest du von ihr verlangt haben, sie solle den Rest ihres Lebens allem entsagen, wenn sie an deiner Stelle wär’?
Gewiß net! Und auch wenn du jetzt net recht daran glauben magst, so hält das Schicksal auch für dich noch Schönes bereit. Ich weiß, er klingt abgedroschen, der Satz: Das Leben geht weiter. Aber bei aller Banalität, die in diesem Spruch steckt – es ist so!
Und sei ehrlich, kannst’ dein Herz vor so einem Madl wie die Kathi eines ist, wirklich verschließen?«
Tobias sah schweigend vor sich hin. Vor seinem geistigen Auge erschien wieder Patricias Bild. Er sah ihr Lachen, die strahlenden Augen, das wunderschöne Gesicht. Er mußte die Zähne aufeinander beißen, um nicht in Tränen auszubrechen. Sebastian, der ihn beobachtete, brach schließlich das Schweigen.
»Ich betrachte es als meine seelsorgerische Pflicht, dieses Thema anzuschneiden«, sagte er. »Freilich hätten wir das Gespräch auch bei dir führen können, oder im Pfarrhaus. Aber ich hab’ mir gedacht, hier, in der schönen Natur, wo wir unsrem Herrgott ungleich näher sind als drunten im Tal, da würd’s uns beiden leichter fallen.«
»Unsrem Herrgott?« fragte Tobias zweifelnd. »Seit Patricias Tod bin ich in keiner Kirche mehr gewesen. Ich hab’ den Glauben verloren.«
Der Geistliche schüttelte den Kopf.
»Nein«, sagte er sanft, »das hast du net, Tobias. Zweifel, ja, die mögen da sein. Aber tief in deinem Innern weißt du, daß es nicht Gottes Wille war, daß Patricia sterben mußte. Du gibst ihm net die Schuld daran.
Ich weiß, daß du eines Tags wieder unbefangen zu mir in die Kirche kommen wirst, und bestimmt net allein’. So, wie du unsrem Herrgott wieder Glauben schenkst, so wirst du auch wieder lernen, zu lieben. Ich wünsch’ dir und Kathi, daß ihr zusammen glücklich werdet.«
Der junge Bursche sah ihn erstaunt an.
»Aber wieso?« fragte er. »Ich meine – zwischen Kathi und mir, da ist überhaupt nix.«
Der Bergpfarrer lächelte hintergründig.
»Noch net«, sagte er. »Aber das kommt noch. Und jetzt laß uns zusammenpacken und weitergehen, bevor wir den ganzen Tag verplaudern.«
Während sie weiter hinaufstiegen, gingen Tobias die Worte des Geistlichen nicht aus dem Kopf.
Hatte Pfarrer Trenker am Ende recht? War das doch mehr als nur Sympathie, was er für Kathi Steingruber empfand?
Vielleicht, warum sonst mußte er seit gestern ganz besonders viel an die hübsche Bauerntochter denken...
Tobias atmete tief durch und zwang sich, an etwas anderes zu denken. Hochwürden hatte ihm, seit sie unterwegs waren, viele schöne Dinge gezeigt, und er wollte diesen Ausflug genießen.
Aber Kathi wollte ihm einfach nicht aus dem Kopf gehen!
*
Resl Brunner konnte ihre Empörung einfach nicht für sich behalten, und so dauerte es nicht lange, bis das Gerücht, der Rumtreiber habe die Reifen des Brunnerschen Autos zerstochen, im Dorf die Runde machte.
Wahrscheinlich war es Maria
Erbling, die es dankbar aufgriff und emsig weitertrug. Beim Herrnbacher hatte sie davon gehört, als sie in der Schlange vor der Kasse stand, und schon bald wußte jedermann Bescheid, was sich in der Nacht zugetragen hatte.
Kathi Steingruber hörte ebenfalls davon, als sie zum Einkaufen nach St. Johann kam. Zwei Frauen standen auf dem Parkplatz und unterhielten sich darüber.
»Daß so einer überhaupt noch frei herumläuft!« empörte sich die eine. »Jahrelang ist er verschwunden und dann taucht er plötzlich wieder auf. Da kann doch nix Gutes dahinterstecken!«
Die Bauerntochter hatte zuerst nur mit halbem Ohr zugehört, als sie den Einkaufswagen aus dem Unterstand zog. Aber die Worte deuteten auf Tobias hin, und so wandte sie sich an die beiden Klatschtanten.
»Was ist passiert?« fragte sie.
Die Frauen waren hoch erfreut, jemanden gefunden zu haben, der die Neuigkeit noch nicht gehört hatte, und erzählten brühwarm, was sie auch nur aufgeschnappt hatten.
»Würd’ mich net wundern, wenn der Kerl auch noch mit Rauschgift handelt!« sagte die eine.
Die andere nickte sofort.
»Wahrscheinlich wird er von der Polizei gesucht und versteckt sich hier«, vermutete sie.
Kathi blickte sie an und schüttelte den Kopf.
»Merkt ihr eigentlich net, was für einen Blödsinn ihr da redet?« fuhr sie die Frau erbost an. »Von der Polizei gesucht – so ein Schwachsinn! Der Max Trenker weiß genau, daß der Tobias wieder da ist. Wenn’s so wär’, wie ihr behauptet, hätt’ der Max ihn längst festgenommen.«
»Was regst’ dich eigentlich so auf?« fragte die ältere Frau.
»Du, laß mal«, ging die Jüngere dazwischen und sah Kathi durchdringend an. »Sag’ mal, hast’ was mit dem Rumtreiber? Ihr habt doch am Samstag die ganze Zeit zusammen getanzt. Wissen deine Eltern überhaupt davon?«
Die Bauerntochter schnappte nach Luft.
»Ich wüßt’ net, was euch das angeht«, entgegnete sie. »Mit wem ich was hab’, ist ganz allein meine Angelegenheit.«
Die beiden lachten spöttisch. Kathi war kurz davor, auf die beiden loszugehen, doch dann beherrschte sie sich.
»Wißt ihr was«, sagte sie und schaute die Frauen von oben herab an, »erstickt an eurem gehässigen Getratsche!«
Damit drehte sie sich um und schob den Einkaufswagen in die Passage.
»Schönes Liebchen hat er sich da angelacht, der Rumtreiber«, hörte sie noch eine der beiden Klatschtanten sagen.
So schnell wie möglich brachte sie den Einkauf hinter sich. Auch im Laden standen Leute zusammen und unterhielten sich über