Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman). Karl May

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Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman) - Karl May


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gethan?«

      »Das wissen Sie nicht?«

      »Ich? Wie soll ich es wissen?«

      »Sie waren ja zur Stunde seines Todes bei ihm!«

      Brandt sah den Sprecher mit starren Blicken an.

      »Mein Herr,« sagte er, »ich will nicht hoffen, daß Sie mich für den Mörder aller Welt halten! Herr Gerichtsarzt, Sie haben die Leiche jedenfalls untersucht. Seit wann ist der Baron todt?«

      »Seit letzter Mitternacht.«

      »Also seit kurz nach meinem Fortgange! Ich wollte ihn warnen, aber er glaubte mir nicht und wies mir die Thür. Nun haben sie ihn doch getödtet!«

      »Sie meinen die beiden Schmuggler?«

      »Ja.«

      »Sie irren. Wie sollten diese Eingang gefunden haben?«

      »Gibt es keine Spur hierüber?«

      »Die brauchen wir nicht. Der Mörder ist bereits entdeckt.«

      »Ah! Wer ist es?«

      »Er nahm nach vollbrachter That den Zimmerschlüssel mit, um den Eintritt zu verwehren, damit die That nicht zu früh entdeckt werde. Dieser Schlüssel wurde in Ihrer Tasche gefunden.«

      Brandt wußte nicht, was er antworten sollte. In seinem Kopfe wirbelte es wie von lauter Rädern.

      »Meine Herren,« sagte er, »ich weiß von diesem Schlüssel nichts. Er muß mir heimlich in die Tasche gesteckt worden sein.«

      »So! Eigenthümlich. Ahnen Sie vielleicht, mit was für einem Instrumente dieser gräßliche Schnitt vollbracht wurde?«

      »Mit einem sehr scharfen, vielleicht mit einem Rasirmesser.«

      »Richtig! Der Mörder hat die Unvorsichtigkeit begangen, das Rasirmesser hier liegen zu lassen. Hier ist es. Kennen Sie es?«

      Er hielt ihm das Messer vor die Augen. Brandt taumelte förmlich zurück. Er schlug die Hände zusammen und rief:

      »Das ist das meinige! Wie kommt es hierher?«

      »Sie müssen das besser wissen als wir!«

      Da sammelte er sich. Das war zu viel, zu viel. Er kniete neben dem Todten nieder, legte ihm die eine Hand auf das Herz, erhob die andere und sagte:

      »Meine Herren, ich schwöre, daß ich weder der Mörder des Hauptmannes von Hellenbach noch dieses edlen Mannes bin. Wenn ich hiermit die Unwahrheit sage, so mag Gott mich richten in diesem Augenblicke und für alle Ewigkeit. Der Schein ist gegen mich. Ich weiß nicht, wie der Schlüssel in meine Tasche und das Messer in dieses Zimmer kommt. Beurtheilen Sie den Fall nicht nach den jetzt vorliegenden Indizien, sondern helfen Sie mir suchen, den wirklichen Thäter zu entdecken. Ich beschwöre Sie bei Gott und Allem, was Ihnen lieb und heilig ist, mich nicht für den Schuldigen zu halten!«

      Seine Worte hatten einen tiefen Eindruck gemacht.

      »Ich möchte so gern glauben, was Sie sagen,« meinte der Amtmann, »aber es ist nicht mehr als Alles gegen Sie!«

      »O nein; es ist nur Eins oder vielmehr nur Einer gegen mich! Und diesem Einen ist es gelungen, sich auf eine wahrhaft teuflisch raffinirte Weise dieser Beweise gegen mich zu bemächtigen.«

      »Sagen Sie aufrichtig: meinen Sie Baron Franz?«

      »Ja. Wenigstens wüßte ich keinen Anderen.«

      »Wie käme er zu Ihrem Messer? Wie käme der Schlüssel in Ihre Tasche. Sie haben das Messer gestern mitgebracht, mit nach dem Forsthause genommen. Ist der Baron dort gewesen?«

      »Nein. Aber halt! Da fällt mir ein, daß ich – – ah, ja, meine Herren, als ich den Baron und Alma belauschte, war mir mein Ränzchen hinderlich. Ich legte es hinter den Sträuchern ab. In ihm steckte mein Rasirzeug. Der Baron mußte fliehen. Wie aber, wenn er, um uns Beide zu belauschen, heimlich und leise zurückgekehrt wäre, das Ränzchen gesehen, es neugierig geöffnet und sich eines der beiden Messer bemächtigt hätte, um sich desselben auf die vorliegende Weise gegen mich zu bedienen!«

      »Diese Complication scheint mir zu gewagt! Und selbst, die Möglichkeit derselben zugestanden, wie wollen Sie den Umstand mit dem Schlüssel erklären?«

      »Auch diese Erklärung ist möglich. Alma nannte mich heut einen Mörder, das raubte mir die Ueberlegung. Sie war vor Entsetzen in Ohnmacht gefallen; ich kniete lange Zeit neben ihr, ohne etwas Anderes als sie zu beachten. Dabei war es leicht, im weichen Boden sich unhörbar heranzuschleichen und mir den Schlüssel in diese offene Seitentasche zu stecken.«

      »Und das sollte der Baron gethan haben?«

      »Ja.«

      »Aus einfacher Eifersucht? Unglaublich!«

      »Herr Amtmann, kann man wissen, welche weiteren Gründe mitgewirkt haben? Man sagt, die Verhältnisse des Barons Franz von Helfenstein seien außerordentlich derangirt. Ich weiß es aus dem Munde seines Cousins, der hier als Todter liegt, daß er öfters bedeutende Summen ausgegeben hat, um ihn zu retten und immer wieder zu retten. Haben Sie dieses Zimmer genau untersucht? Haben Sie die Kasse mit den Büchern verglichen?«

      »Noch nicht; es wird aber geschehen. Wir haben uns jetzt das Material zu sammeln. Gegen Sie spricht der Schein am meisten; es kann gar nicht Schein genannt werden.«

      »Aber bei Gott, es ist Schein, meine Herren! Welche Absicht sollte ich gehabt haben, den Baron und den Hauptmann zu ermorden?«

      »Eifersucht. Sie sehen, ich gebe Ihnen ganz dieselbe Antwort, welche ich bekommen habe.«

      »Eifersucht? Herr Richter, ich bin nicht so wahnsinnig zu glauben, daß ich meine Augen zu Baronesse Alma erheben darf. Und selbst in dem Falle, daß ich für diese Dame ein tieferes Gefühl im Herzen trüge, würde es mich nicht zum Mörder machen. Gegen den Hauptmann übrigens war Eifersucht unmöglich, denn Alma hatte ihm in meiner Gegenwart gesagt, daß seine Absicht auf ihre Hand eine völlig hoffnungslose sei.«

      »Sie besitzen unsere vollste Theilnahme, Herr Brandt. Wir werden nichts versäumen, den rechten Thäter zu entdecken. Eigentlich haben wir Sie jetzt unten im Walde bei der Leiche des Hauptmannes zu vernehmen; damit Sie aber sehen, daß Ihre Versicherung nicht auf hartnäckigen Unglauben stößt, werden wir vorher erst einmal mit Baron Franz diese Stelle aufsuchen. Vielleicht entfällt ihm eine Äußerung, welche uns eine Handhabe gegen ihn bietet. Wir wollen Ihnen nicht übel, ersuchen Sie jedoch, sich geduldig in das Unvermeidliche zu fügen.«

      Er wurde einstweilen wieder gebunden und eingeschlossen. Dann mußte der Baron den Herren der Commission nach dem Walde folgen. Er mußte sie ganz genau den Weg führen, welchen er gegangen war; natürlich that er dies auf falsche Weise. Er kannte überhaupt das Terrain so genau, überlegte ein jedes Wort, ehe er es sprach, so scharf, daß der Verdacht bei ihm nicht den mindesten Angriffspunkt fand.

      Dann wurde Gustav Brandt geholt.

      Eben als der Gensdarm ihn gefesselt die Treppe herunter brachte, fuhren im Hofe einige Equipagen vor. Der König kam mit mehreren Herren seines Hofstaates. Er war sehr oft hier zur Jagd gewesen; er hielt große Stücke auf den alten Förster und kannte auch dessen Sohn genau. Wie betreten mußte er also sein, als er diesen jetzt gefesselt und in der Gewalt eines Gensdarmen sah. Er sprang in mehr als gewöhnlicher Eile aus der Equipage, winkte die Beiden zu sich heran und fragte:

      »Brandt, was soll das bedeuten? Sie sind gefangen?«

      Gustav erglühte vor Scham bis in den Nacken herab.

      »Ja, Majestät,« antwortete er kaum hörbar.

      »Weshalb?«

      »Ich soll ein Mörder sein.«

      »Wer wurde ermordet?«

      »Der Herr Baron und der Hauptmann von Hellenbach.«

      Der Monarch blickte dem jungen Mann scharf in die Augen.

      »Das ist ein großes Unglück!«


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