Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman). Karl May

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Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman) - Karl May


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      Da klopfte es an seine Thür und auf sein mürrisches »Herrein!« sah er den Schmied mit seinem Sohne eintreten, zwei Helfensteiner, welche er recht gut kannte. Sie grüßten ziemlich höflich und blieben an der Thür stehen, um seine Anrede zu erwarten.

      »Ihr, Wolf?« sagte er. »Was wollt denn Ihr von mir?«

      »Wolf« war nämlich der Familienname der Beiden.

      »Wir möchten uns gern einen guten Rath erbitten, Herr Baron,« sagte der Vater.

      »Dazu habe ich keine Zeit. Dazu bin ich nicht da!« antwortete er zornig. »Glaubt Ihr denn, wir Freiherren und Barone seien nur da, um Euch Schmieden und Schänkwirthen gute Lehren zu geben!«

      »Nicht?« fragte der Schmied gleichmüthig. »Nun, so habe ich es falsch gemacht und umgekehrt ist es richtig!«

      »Was? Wie meint Ihr das?«

      »Wir Schmiede sind da, um den Freiherren guten Rath zu geben.«

      »Alle Teufel!« brauste der Baron auf. »Ich hoffe doch nicht etwa, daß Ihr gekommen seid, um Euch hier einen unzeitigen Spaß zu machen. Heraus mit dem, was Ihr wollt, und dann trollt Ihr Euch so schnell wie möglich davon!«

      »Schön. Wir kommen nämlich von wegen dem Gustav Brandt.«

      Er horchte auf. Das war ein Thema, welches ihn höchlichst interessirte. Doch wollte er sich dies nicht merken lassen. Er sagte daher im barschen Tone:

      »Was geht der mich an! Was habe ich mit dem zu schaffen!«

      »Vielleicht wenig oder gar nichts, unter Umständen aber auch sehr viel. Darf ich dem Herrn Baron vielleicht eine kleine Geschichte erzählen?«

      »Hole Euch der Teufel! Ich bin kein Freund von Euren Dorfgeschichten!«

      »O, es ist keine Dorf- sondern eine Räuber- und Schloßgeschichte, die Ihnen sehr gefallen wird.«

      Der Baron kannte die Art und Weise dieser Gebirgsleute. Sie wissen, was sie wollen, und sind dann schwer von ihrem Vorhaben abzubringen.

      »Na, da erzählt meinetwegen Euer dummes Zeug,« sagte er. »Ich hatte grad so eine Art von Langeweile. Vielleicht vertreibt mir Eure Kloster-, ach so, Eure Räubergeschichte die schlimme Laune. Aber ich mache Euch darauf aufmerksam, daß ich kein Freund von allzu langen Geschichten bin.«

      »O, gnädiger Herr, was ich erzählen will, das wird gewiß sehr kurzweilig werden. Sie wissen doch, daß die Verhandlung gegen den Brandt in drei Tagen ist?«

      »Ja.«

      »Sie müssen auch dabei sein?«

      »Natürlich.«

      »Denken Sie, daß er verurtheilt wird, daß er wirklich schuldig ist?«

      »Hören Sie, Wolf, wie kommen Sie mir vor? Was wollen Sie mit Ihren Fragen? Welches ist überhaupt der Zweck Ihrer Gegenwart?«

      »Nun, ich wollte Sie gern fragen, ob es nicht jetzt noch möglich ist, sich in dieser Geschichte als Zeuge zu melden.«

      Er erhob rasch den Kopf, warf einen forschenden Blick zu dem Sprecher hinüber und antwortete:

      »Das können Sie. Haben Sie vielleicht etwas Neues erfahren?«

      »Nein; aber etwas Altes könnte ich erzählen.«

      »Was?«

      »Nun, Sie wissen, daß wir Schmiede zuweilen ein Stück Naturholz brauchen. Man geht da in den Wald und schneidet es sich ab, wo es nichts kostet; das hilft mir wirthschaften. Nun brauchte ich an dem Tage, an dem die beiden Mordthaten vorkamen, das Holz zu einem neuen Schiebkarren. Ich ging also mit meinem Sohne hier hinaus, um mir ein passendes Stämmchen auszusuchen.«

      Das war dem Baron doch zuviel. Dieser Mensch kam, um ihn zum Vertrauten seiner Spitzbübereien zu machen!

      »Kerl,« rief er zornig, »was fällt Dir ein, mir das zu erzählen! Soll ich Dich als Holzdieb arretiren lassen?«

      »O nein, Herr Baron. Dazu sind Sie zu fein und nobel. Lassen Sie mich weiter erzählen! Wir kamen in die Nähe der Tannenschlucht. Da stand der Brandt mit Baronesse Alma. Sein Gewehr lehnte an einem Baume. War es nicht so?«

      Der Baron war bleich geworden. Was wollte der Mann? Was wußte er?

      »Sie träumen wohl?« stieß Helfenstein hervor.

      »Nein. Damals war es mir allerdings vor Schreck, als ob ich träume. Die Baronesse ging, zu dem Brandt aber trat der Hauptmann von Hellenbach. Da kam noch Einer; der nahm das Gewehr, schoß dem Hellenbach zwei Kugeln in die Brust, warf das Gewehr weg und sprang davon. Nach einer Minute aber war er wieder da und trat als Kläger auf.«

      »Mensch, halte den Mund!« rief der Baron, indem er aufsprang und dem Schmiede mit der Faust drohte.

      »Oho!« antwortete dieser, »mit einer Schmiedefaust fangen Sie nichts an, Hauptmannsmörder!«

      »Kerls! Ihr seid verrückt!«

      »Mag sein. Aber ehrliche Leute sind wir doch, denn wir kommen, um Ihnen ganz aufrichtig zu sagen, daß wir im Begriff stehen, nach der Hauptstadt zu gehen, um zu bezeugen, daß der Brandt unschuldig ist.«

      »Ihr irrt! Er ist der Mörder!«

      »O nein. Wir haben Alles gesehen. Sie sind der Mörder!«

      »Das ist nicht wahr. Es müßte Einer gewesen sein, der mir ähnlich ist.«

      »O, für so dumm dürfen Sie uns nicht halten! Damit bringen Sie es bei uns nicht weit!«

      Er ging einige Male im Zimmer auf und ab. Er sah ein, daß er verloren sei, wenn diese beiden Männer gegen ihn zeugten.

      »Ihr könnt Euch gar nicht mehr melden!« meinte er.

      »Warum nicht?«

      »Weil Ihr dafür bestraft würdet, daß Ihr bisher geschwiegen habt.«

      »Unsinn! Ein solcher Zeuge kommt immer noch zur rechten Zeit. Uebrigens könnten wir sagen, daß Sie gedroht hätten, Sie würden uns erschießen, wenn wir es verrathen.«

      »Kerls, Ihr seid ja die richtigen, echten Bösewichter!«

      »Aber doch keine Mörder!«

      »Aber, warum kommt Ihr denn da zu mir, um mir zu sagen, was Ihr zu thun beabsichtigt?«

      »Hm!« meinte der Schmied unter einem schlauen Lächeln. »Vielleicht gehen wir doch nicht nach der Residenz.«

      »Ja, das wäre das Gescheiteste.«

      »Für Sie allein! Aber dennoch, vielleicht sehen wir ruhig zu, daß der Brandt aufgeknüpft wird.«

      »Macht, was Ihr wollt!«

      »Schön! Komm, Junge! Hier sind wir fertig.«

      Er machte Miene, zu gehen. Da aber stellte der Baron sich ihm schnell in den Weg und sagte:

      »Mensch, bist Du toll! Was hast Du davon, wenn sie den Brandt frei lassen!«

      »Ich habe meine Pflicht gethan!«

      »Aber nichts dafür bekommen!«

      »Bekomme ich für das Gegentheil etwas?«

      »Natürlich! Ihr Schufte seid ja doch nur gekommen, um Euch für Euer Schweigen eine Bezahlung zu erpressen!«

      »Das gebe ich freilich zu!« gestand der Schmied sehr aufrichtig.

      »Nun gut! Wieviel verlangt Ihr?«

      »Wieviel bieten Sie?«

      »Fünfzig Thaler.«

      Da sah ihn der Schmied an, als ob er ein Wunderthier anzustaunen habe, schlug ein schallendes Gelächter auf und rief:

      »Fünfzig Thaler? Hörst Du es, Junge? Fünfzig Thaler, lumpige fünfzig Thaler für die Ehre und das Leben eines Barons! Das hätte ich nicht


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