Lu, die Kokotte. Artur Hermann Landsberger
Читать онлайн книгу.alles! Sie sehen mich erst wieder, wenn das geordnet ist“, rief er ganz glücklich, nickte ihr zu und ging.
Luise stand und sah ihm nach und rührte sich nicht.
„Hätte ich doch an ihn gedacht!“ schluchzte sie.
VIII.
Kommerzienrat Mohr saß in seinem Privatkontor und las in einem Brief, der schwarz umrändert war. Die letzte Seite las er laut. Er tat das stets bei Dingen, die ihm wichtig waren oder Freude machten.
„Ich kann auch heute nicht schließen, ohne Ihnen für alles Gute, das Sie an uns tun, von Herzen zu danken.
Wo wären wir heute ohne Sie! Ich muß es immer wieder bedauern, daß sich Menschen im Verkehr so wenig kennen lernen. Das kommt wohl daher, daß gerade die Besten selten aus sich herausgehen, wenn sie unter Menschen sind. Hätte meine Luise Sie früher gekannt — so, wie sie Sie heute kennt —, sie hätte schon damals freudig in Ihre Werbung gewilligt.
Welch gütiges Geschick, daß Ihre Liebe standhaft blieb! Weiß ich doch mein Kind geborgen!
Ihre dankbar ergebene
Frau Professor Fanny Kersten.
Er schnalzte mit der Zunge und schob den Brief in eine kleine Mappe, in der er die „Korrespondenz Professor Ritter“ aufbewahrte. —
Ganz schmerzlos wird das eines Tages kaum enden, dachte er. Ich hasse sentimentale Liebschaften; wenn aber die Gefühlswalze gar von der Mutter aufgezogen wird, dann geht’s selten ruhig ab.
Er stand auf.
Auf alle Fälle: es war der Mühe wert. So viel Stolz und Widerstand hatte ich selten bei einer Frau zu brechen. Und wie schnell sie den Wesenszug meines Charakters erkannt hat. Haß hat gute Augen. Seitdem müht sie sich ab, möglichst gleichgültig zu erscheinen. Und ich habe doppelte Arbeit.
Er ging im Zimmer umher.
Ein Diener kam und meldete Herrn Aletto aus Rom.
Mohr zog die Schultern in die Höhe.
„Darf ich ihn vorlassen, Herr Kommerzienrat?“
„Unsinn! Ich kenne ihn nicht; wer hat ihn herbestellt?“ fragte er wütend.
„Er sagte, er käme in persönlicher Angelegenheit.“
„Das kann jeder Esel sagen. In welcher?“
„Darüber könne er nur mit dem Herrn Kommerzienrat selbst sprechen!“
„Schicken Sie ihn ins Sekretariat — oder sonstwo hin.“
„Das habe ich versucht — aber er macht es so dringend ...“
Im selben Augenblick öffnete sich die Tür, und Aletto trat ein.
„Sie werden mich nicht abweisen!“ sagte er bestimmt; „ich bin ...“
„Das werden wir sehen“, unterbrach ihn Mohr; „was ist das für eine Kühnheit! Hier meldet man sich an — dazu sitzt mein Sekretär im Vorzimmer und verteilt Besuchszeiten; ... Sie befinden sich hier in keinem Trödelladen, wo jeder ein- und ausgeht, wie’s ihm paßt.“
„Ich muß Sie sprechen“, wiederholte Aletto; wenn möglich noch bestimmter als zuvor.
„Das ist doch eine seltene Dreistigkeit“, schrie Mohr zum Diener gewandt; der sah verlegen zur Erde, zog leicht die Schultern in die Höhe und flüsterte:
„Meine Schuld ist es nicht, Herr Kommerzienrat.“
„Sagen Sie, bitte, dem Diener, daß er sich entfernt“, forderte Aletto.
„Das wird ja immer besser!“ brüllte Mohr. „Wer sind Sie?“
„Das werde ich Ihnen sagen, sobald der Diener draußen ist.“
Mohr gab dem Diener wütend ein Zeichen, und er ging.
„Also!!“ sagte er und zitterte vor Wut.
„Ich heiße Aletto, bin Kunstmaler und habe die Absicht, Fräulein Kersten zu heiraten“, sagte er ruhig und sicher.
Mohr fuhr zusammen; einen kurzen Augenblick; dann fragte er ziemlich bestimmt:
„Was geht das mich an?“
„Man sagte mir, daß Sie der Vormund sind“, erwiderte Aletto und ließ ihn nicht aus den Augen.
Der Kommerzienrat biß die Lippen aufeinander — schnalzte mit der Zunge — überlegte — bot Aletto einen Stuhl an — ging an seinen Schreibtisch und setzte sich.
„Danke! Ich stehe!“ sagte Aletto kurz.
„Wie Sie wollen“, erwiderte Mohr.
„Ich sagte Ihnen bereits,“ begann Aletto, „aus welchem Grunde ich bei Ihnen bin.“
„Wollen Sie mir, bitte, noch einmal Ihren Namen nennen“, bat der Kommerzienrat.
„Aletto, Sohn des verstorbenen Akademieprofessors Henrico Aletto, Kunstmaler aus Rom.“
„Ich danke“, sagte er kurz und machte eine Bewegung, aus der Aletto entnahm, daß er entlassen sei.
„Was bedeutet das?“ fragte er lebhaft.
„Ich werde Erkundigungen über Sie einziehen und je nachdem diese ausfallen, Ihnen Nachricht zukommen lassen, ob es Zweck hat, auf diese Angelegenheit zurückzukommen. Das wird, denke ich, in drei bis vier Wochen möglich sein.“
„Ich bedaure!“ erklärte Aletto. „Ich betrachte Ihre Einwilligung nur als Formalität ...“
„Erlauben Sie mal“, unterbrach ihn Mohr.
Aber Aletto fuhr unbekümmert fort: „.... die das Gesetz nun mal verlangt.“
„Und die ich, falls es das Interesse meines Mündels fordert, verweigern werde.“
Er wollte weitersprechen; aber Aletto trat dicht an ihn heran, sah ihm fest in die Augen und wiederholte:
„Es ist lediglich Formsache, ich sagte Ihnen das schon, wenn ich um Ihre Einwilligung bitte. Denn wir werden uns heiraten — verlassen Sie sich darauf — auch gegen Ihren Willen.“
Der Kommerzienrat reizte die Entschiedenheit, mit der Aletto für seine Liebe focht. Zweifellos liebte Luise diesen Menschen und begehrte ihn. Und je mehr sich ihre Leidenschaft zu Aletto vertiefte, um so bestimmter mußte sich alles gegen ein Zusammensein mit ihm auflehnen. Der Gleichmut, mit dem sie jetzt alles ertrug, und gegen den er erfolglos kämpfte, war dann gebrochen. Und deshalb war ihm dieser Aletto durchaus willkommen. Er peitschte die Gefühle Luises auf, riß sie aus ihrer Empfindungslosigkeit und Stumpfheit; brachte alles wieder in Bewegung, rief in ihr wieder jenen wilden, ungestümen Trotz wach, der gerade nachzulassen drohte, und den er bei ihr über alles liebte. Ja, Kommerzienrat Mohr war ein Gourmet in Liebesdingen. Dieser Aletto, das erkannte er deutlich, bedeutete für ihn einen Glücksfall sondergleichen. Nun hieß es, gescheit sein, geschickt operieren und sich nicht durch unüberlegtes Handeln um die Vorteile dieses Zufalls bringen.
„Ich sage ja nicht nein“, lenkte Mohr ein. „Aber Sie werden zugeben, daß es meine Pflicht ist, mich genauer über Sie zu informieren. Wie gesagt, ich stehe Ihrem Plane, mein Mündel zu heiraten, durchaus nicht ablehnend gegenüber. Nur will ein derartiger Schritt in so jugendlichem Alter doch bedacht sein. Ich weiß nichts von Ihrem Lebensgang, Ihrer Familie, Ihren Verhältnissen, Sie werden zugeben ...“
Aletto erinnerte sich jetzt, daß der eigentliche Zweck, aus dem er hier war, ja die Regelung des Finanziellen war. Daß der Kommerzienrat so sprach, fand er durchaus natürlich. Im Grunde konnte es für diesen Halunken ja gar nichts Günstigeres geben, als wenn er Luisen, die er auf dem Gewissen hatte, in eine gesicherte Ehe half. Und daß er obendrein noch sein Geld zurückerhielt, mußte ihm diese Wendung nur um so willkommener machen. Viel besser also, dachte Aletto, schon Luises wegen, wenn sich alles in Ruhe erledigt. Und er kämpfte allen Haß, der ihn