Wie aus dem Ei gepellt .... Sandy Penner

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Wie aus dem Ei gepellt ... - Sandy Penner


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Er schlich an den Hühnern vorbei, die aufgeplustert und dicht gedrängt auf den Stangen hockten und näherte sich langsam der Henne Henriette. Diese saß schlafend im Nest und brütete ihre Eier. Vorsichtig schob er ihr etwas unter den Bauch. Na, das würde ein Spaß werden, wenn sie morgen erwachte!

      „Kiiickerikiiie!“, krähte der Hahn aus vollen Kräften, sobald die ersten Sonnenstrahlen den Bauernhof in Morgenlicht tauchten. Die Hennen öffneten verschlafen ihre Augen, schüttelten ihre Federn und begannen nach und nach von den Stangen zu hopsen. Auch Henriette erwachte und kuschelte sich noch einmal an ihre Eier. „So, meine Kleinen, ich muss euch jetzt kurz alleine lassen, ich bin hungrig“, sprach sie und sprang vom Nest. Doch was war das? Entsetzt blickte Henriette auf ihre Eier. Sie waren alle da – glaubte Henriette, denn sie konnte nicht besonders gut zählen – doch eines war knallbunt! „Ich habe ein buntes Ei gelegt!“

      Aufgebracht flatterte Henriette durch den Stall, sodass die Federn flogen und dann hinaus auf den Hof, damit es alle hören konnten. „Ich habe ein buntes Ei gelegt!“ In Windeseile verbreitete sich die Nachricht. Die Kühe, die eigentlich noch ein wenig Nachtruhe in ihrem Stall halten wollten, rissen ungläubig die Augen auf. Ein buntes Ei? Wo gab es denn so etwas! Die Schweine grunzten aufgeregt und beschlossen, sich die Sensation einmal genauer zu betrachten. Der Wachhund ärgerte sich darüber, dass Henriettes Geschrei ihn aus dem Schlaf riss. Doch dackelte er pflichtbewusst hinüber zum Hühnerstall, um nach dem Rechten zu sehen. Nur die Katze, die gerade von ihrer Mäusejagd kam, tat gelangweilt. Sie wusste, dass sie nicht in den Hühnerstall durfte, und zog sich auf ihre Lieblingsfensterbank des Bauernhauses zurück.

      Mittlerweile waren immer mehr Tiere des Hofes im Hühnerstall versammelt und drängten sich um Henriettes Nest. Jene, die keinen Platz mehr fanden, warteten ungeduldig in einer Reihe vor dem Stall.

      „Das Ei ist wunderschön, Henriette! Wie hast du das nur gemacht?“, riefen die Schweine und Kühe.

      „Wahrlich unglaublich“, musste der Hund zugeben.

      „Dass ich das mal erleben darf“, meinte auch der Hahn anerkennend. Nur die anderen Hennen blieben weitgehend stumm. Während sie auf das leuchtend bunte Ei in Henriettes Nest blickten, murmelte die eine schließlich: „Das kann nicht mit rechten Dingen zugehen.“ Und eine andere sprach leise: „Wer weiß, was sie da ausbrütet“. Die übrigen Hennen nickten ihr zustimmend zu.

      Henriette hingegen ignorierte die eifersüchtigen Blicke der anderen Hennen. Die meiste Zeit über hütete sie liebevoll ihre Eier, ließ es sich aber nicht nehmen, erhobenen Hauptes und mit stolz geschwellter Brust über den Hof zu schreiten. Sollten die anderen Hühner doch denken, was sie wollten! Sie war etwas Besonderes! Noch nie hatte ein Huhn ein farbiges Ei gelegt. Und Henriette genoss die bewundernden Blicke der Kühe, der Schweine, des Hahns und des Hundes.

      „Aufgeplusterte Glucke“, gackerte die Oberhenne, die mit ihren zwei Freundinnen auf dem Hof zusammenstand.

      „Ach, lass Henriette doch ihren Spaß“, erwiderte die andere. „Sie wird schon sehen, was da aus ihrem Ei schlüpft.“

      Und während die Hühner weiter ihrer Lieblingsbeschäftigung nachgingen und auf dem Hof nach Körnern pickten, kam die Katze ihres Weges. Sie hatte schon seit einiger Zeit amüsiert die Lage beobachtet. „Meine Lieben, wollt ihr wissen, was es mit Henriettes Ei auf sich hat?“, fragte sie. Die Hennen blickten sie etwas argwöhnisch, aber neugierig an. „Kommt, ich zeige euch etwas“, forderte die Katze sie auf und sprang davon. Die Hennen hüpften aufgeregt hinterher und folgten ihr in Richtung Bauernhaus bis zu ihrer Lieblingsfensterbank. „Dann werft einmal einen Blick durch das Fenster“, sprach die Katze.

      Gespannt flatterten die drei Hühner zur Scheibe und schauten in das Wohnzimmer. Dort saß der Bauernjunge am Tisch und war eifrig damit beschäftigt, etwas mit bunten Farben zu bepinseln. „Kannst du was sehen?“, gackerte das eine Huhn. „Was macht er da?“

      „Lass mich mal schauen“, drängelt die Oberhenne und kniff die Augen etwas zusammen, um besser erkennen zu können, was der Junge tat. „Das gibt’s doch nicht“, flüsterte sie schließlich, „er bemalt Eier!“

      „Eier? Welche Eier denn?“, meinte die dritte Henne aufgebracht.

      „Nun, ich mag es euch erklären“, sprach die Katze. „Jedes Jahr in der Osterzeit ist es Brauch bei den Menschen, Hühnereier zu bemalen. Manchmal verstecken sie sie auch, damit die Kinder ihren Spaß daran haben, sie wieder zu suchen.“

      „Seltsame Ideen haben die Menschen“, murmelte die eine Henne. „Und du meinst, der Bauernsohn hat einfach eines der bemalten Eier in Henriettes Nest gelegt?“

      „So wird es wohl sein“, antwortete die Katze.

      Die Hühner grinsten sich an. Dann war Henriette ja gar nichts Besonderes! Ein stinknormales Ei hatte sie in ihrem Nest! „Na, da wird sie aber enttäuscht sein, wenn sie feststellt, dass da auch ein stinknormales Küken herausschlüpft!“, gackerte die Oberhenne schadenfroh.

      So vergingen die Tage und alle Tiere des Hofes warteten gespannt darauf, dass das Küken aus Henriettes buntem Ei endlich schlüpfte. Alle anderen Eier hatte sie bereits ausgebrütet. Henriette sonnte sich weiter unter der Aufmerksamkeit der anderen und auch ihre Erwartungshaltung stieg von Tag zu Tag. Besonders ungeduldig waren aber die anderen Hennen. Sie grinsten sich immer wieder an und freuten sich schon darauf, Henriettes enttäuschtes Gesicht zu sehen.

      Schließlich, in einer Nacht, geschah es. Alles schlief im Hühnerstall, da spürte Henriette plötzlich, dass das Ei unter ihr zu wackeln begann. Henriettes Herz begann heftig zu pochen, als sie beobachtete, wie die Schale knackend einen leichten Riss bekam, der sich langsam über das ganze Ei ausbreitete. Kurz darauf schaute ein kleines, gelbes Köpfchen heraus. Henriette war entsetzt! Ein kleines gelbes Küken. Gelb! Alle Küken waren gelb! Was sollte sie jetzt nur tun? Alle würden sie auslachen! Henriette beschloss, das piepsende Küken erst einmal mit nach draußen zu nehmen, damit die anderen Hennen nicht wach wurden. Sie überlegte fieberhaft. Vielleicht könnte sie einfach behaupten, jemand hätte ihr Ei gestohlen? Da schlich wieder einmal die Katze heran, die bereits auf diesen Moment gewartet hatte. „Henriette, ich habe eine Idee, wie ich dir helfen kann“, lockte sie. Sie freute sich darauf, sich mit den Tieren des Hofes einen Spaß zu erlauben, insbesondere mit den eifersüchtigen Hennen. Henriette blickte die Katze überrascht an, folgte ihr aber dann.

      Es dämmerte und der Hahn begrüßte krähend den neuen Tag. Es war Ostersonntag. Die Hennen erwachten in ihrem Stall und stellten sofort aufgeregt fest, dass Henriettes Nest leer war.

      „Henriette, lass uns schauen!“ „Wo ist dein Küken? Wir wollen es sehen!“, gackerten sie durcheinander und rannten nach draußen. Auch die Kühe, Schweine und der Hund kamen, wach geworden von dem Geschrei, zusammen. Mitten auf dem Hof stand die stolze Henriette und vor ihr das Küken, das alle so sehnsüchtig erwartet hatten. Ein Raunen ging durch die Tiermenge und den Hennen fielen fast die Augen aus dem Kopf: Henriettes Küken war ... knallbunt!

      Henriette strahlte und noch jemand grinste aus der Entfernung, auf ihrer Lieblingsfensterbank sitzend, in sich hinein. Und wenn der Bauernjunge erst wach werden würde, so würde er heute eine ganz besondere Osterüberraschung erleben.

      Martina Vogel, 1977 geboren, lebt in Flörsheim am Main und ist Grundschullehrerin. Neben dem Wandern, Reiten, Joggen und Yoga liebt sie vor allem Bücher und das Lesen. Bereits als Kind hat sie früh viele eigene Geschichten geschrieben und nach einer langen schreibfreien Zeit ist „Reingelegt“ ihre erste Kurzgeschichte für Kinder.

      *

      Das halbe Osterei

      Jamie seufzte. In einer Stunde sollte er zu seiner Familie fahren. Es war mal wieder Zeit für das alljährliche Ostertreffen. Verzweifelt fuhr er sich durch die Haare. Er war wirklich vollkommen verplant. All die Aufsätze, die er noch schreiben musste, die Bücher, die es noch zu lesen galt.

      Gähnend lief er in die Küche. Dafür war er extra früher aufgestanden. Jamie


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