Wie aus dem Ei gepellt .... Sandy Penner

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Wie aus dem Ei gepellt ... - Sandy Penner


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Töpfe und Teller türmten sich neben dem Waschbecken. Doch das würde auch noch eine Weile so bleiben, denn heute hatte Jamie genug um die Ohren.

      Mit dem dampfenden Kaffee in der Hand ging er zurück zu seinem Schreibtisch und stutzte. Mitten auf seinem Arbeitsheft, umrandet von seiner eng geschwungenen Schrift, lag ein Osterei. Zumindest das, was von ihm übrig war. Es war ein halbes Schokoladenei. Die Aluverpackung war unliebsam heruntergerissen worden und schloss sich jetzt nur noch um die Hälfte des Eis. Der Rest war offensichtlich abgebissen worden.

      Irritiert stellte Jamie seinen Kaffee auf den Tisch. Wo kam dieses Ei her? Wer hatte es dort auf seinem Schreibtisch platziert? Denn bevor er in die Küche gegangen war, hatte sich dort noch nichts befunden, dessen war Jamie sich sicher. Er schluckte. Das alles war irgendwie unheimlich. Schnell nahm er das halbe Ei, schmiss es in den Müll und kehrte die übrigen Brösel von seinem Heft. Doch bevor Jamie sich wieder setzte, suchte er seine Wohnung ab. Er blickte unter die Tische und in all seine Schränke, aber es war niemand zu sehen.

      Unsicher widmete er sich wieder seinem Aufsatz. Er konnte sich die Sache mit dem Ei einfach nicht erklären. Plötzlich hörte Jamie ein dumpfes Klopfen. Mit einem Mal war er hellwach. Er sprang auf und schaute sich um. Wie vorhin war niemand zu sehen, doch diesmal würde Jamie nicht so leicht aufgeben. Er schlich leise umher und wartete auf ein nächstes verräterisches Geräusch. Kaum war er in seinem Schlafzimmer angekommen, hörte er ein leises Kichern. Dann gingen plötzlich die Lichter aus, nur um einige Sekunden später wieder flackernd anzugehen.

      Das Spiel wiederholte sich ein paar Mal, während Jamie wie versteinert im Schlafzimmer stand. Als das Licht zum letzten Mal wieder anging, hörte er Schritte und das Zuschlagen einer Tür. Hastig folgte Jamie dem Geräusch. Schließlich stand er vor seiner Waschküche und blickte sich panisch um. Womit sollte er sich verteidigen? In der Not schnappte er sich das Nächstbeste, was in seiner Reichweite lag. Bewaffnet mit einem bunten Regenschirm drückte er nun langsam die Türklinke herunter. Sein Atem ging immer schneller, und als er schließlich mit einem Ruck die Tür aufriss, hatte er keine Ahnung, was ihn erwartete. Doch womit er nicht gerechnet hatte, war ein völlig leerer Raum. Verblüfft schaute Jamie sich um. Er ließ den Schirm sinken und schnaufte.

      Das Einzige, was zu sehen war, waren seine Waschmaschine und ein kleiner Haufen Dreckwäsche, unter dem sich aber kein erwachsener Mensch verstecken konnte. Jamie runzelte die Stirn. Was ging hier vor?

      Als er gerade kehrt machen wollte, ertönte mit einem Mal die Türklingel. Erschrocken straffte er sich. Den Regenschirm bereit, ging er auf die Tür zu. Er zählte auf drei und riss die Tür auf. Seine Hände waren jedoch sofort wieder am Regenschirm.

      „Jamie?“ Die Stimme seiner Schwester holte Jamie aus seiner Erstarrung. Lachend stand sie auf der Türschwelle.

      „Maja! Was machst du denn hier?“, fragte Jamie erleichtert und ließ den Regenschirm sinken.

      „Ich wollte nach David sehen. Ich habe ihn vor einer halben Stunde mit unserem Ersatzschlüssel zu dir geschickt. Du weißt schon, wegen des Familientreffens heute.“

      „David?“, fragte Jamie verwirrt.

      Maja nickte und runzelte dann besorgt die Stirn. „Ist er nicht aufgetaucht?“

      Jamie überlegte, schaute sich um und hielt plötzlich inne. „Hatte er zufällig ein Schokoladenei dabei?“

      „Ja, aber was hat das damit zu tun? Ist er nun da oder nicht?“

      Ein Lächeln breitete sich auf Jamies Gesicht aus. „David! Deine Mutter ist da!“

      Ein Rascheln ertönte und ein Junge kam aus der Waschküche gerannt. Er grinste und hatte eine Mütze mit zwei aufgenähten Hasenohren auf. „Hallo, Onkel Jamie!“

      Lachend verdrehte Jamie die Augen. Jetzt wusste er, was es mit dem halben Osterei auf sich hatte.

      „David, da bist du ja! Wo hast du dich denn rumgetrieben?“, lachte Maja, seine Mutter und Jamies große Schwester. David sagte nichts, sondern grinste nur frech von einem Ohr zum anderen. Fragend sah Maja Jamie an. Dieser erklärte fröhlich: „Sagen wir mal, David macht dem Osterhasen ganz schön Konkurrenz, wenn es ums Verstecken geht.“ Kopfschüttelnd schob Maja sowohl David als auch Jamie aus der Tür. „Auf geht’s! Sonst kommen wir noch zu spät zum Familientreffen!“

      Hinter der Tür blieb Jamie jedoch stehen. „Ich sollte noch jede Menge Sachen erledigen ...“

      Maja schob ihn zum Auto. „Das kann auch noch bis morgen warten. Heute ist Ostern, und da wird nicht gearbeitet.“ Jamie gab sich geschlagen und schnallte sich an. Auf dem Weg zu dem Haus ihrer Eltern fragte Maja plötzlich: „Was hatte es eigentlich mit dem Schirm auf sich, mit dem du mich begrüßt hast?“

      David kicherte und Jamie antwortete gelassen: „Das ist eine lange Geschichte.“

      Marisa Liehner wurde im Juli 1996 geboren und lebt in einem kleinen Dorf im Donautal. Derzeit besucht sie das Hohenzollern-Gymnasium in Sigmaringen. Zu ihren Hobbys gehören außer dem Schreiben noch das Zeichnen und Gitarre spielen.

      *

      Die Rosenkönigin

      „Ich denke, jetzt sind alle Körbe voll“, sagte der Hasenvater. Er hatte die Osterkörbe auf die Bank gestellt und die Eier gleichmäßig verteilt.

      Die Hasenmutter blickte ihren Sohn Sammy an. „Ich fürchte, das bedeutet viel Arbeit für dich“, meinte sie. „Nur gut, dass dein Freund Nick morgen kommt. Ich weiß, dass ihm das Bemalen der Ostereier genauso viel Spaß macht wie dir. Außerdem habt ihr letztes Jahr bewiesen, dass ihr ein eingespieltes Team seid.“ Sammy gähnte. Das Bemalen der Ostereier konnte bis morgen warten. Heute war er müde und wollte bloß noch ins Bett.

      „Ich hoffe, dass du kein Schlafwandler bist“, scherzte der Hasenvater. „Wenn du heute Nacht gegen die Bank stößt, sind die Eier kaputt.“

      „Wer malt dann die zerbrochenen Eier an?“, fragte Sammy im Halbschlaf. Als der Hasenvater ihm antworten wollte, merkte er, dass sein Sohn bereits eingeschlafen war.

      Mitten in der Nacht wachte Sammy auf. „Ich werde mir ein Glas Wasser holen“, dachte er und tastete sich durch den Hasenbau. Da passierte das Missgeschick. Sammy stieß so ungeschickt gegen die Bank, dass sie umfiel. Die Körbe lagen auf dem Boden und die meisten Eier waren zerbrochen. Sammy stockte der Atem. „So ein Mist! Ich brauche dringend neue Eier, sonst fällt Ostern dieses Jahr aus.“ Er schaute zu seinen Eltern. Die hatten nichts gehört und schliefen.

      Sammy schlich sich leise aus dem Hasenbau. „Ich werde zum Bauernhof gehen und die Hühner bitten, mir frische Eier zu legen“, dachte er. Es war dunkel, aber der Mond schien und Sammy machte sich auf den Weg. Es dauerte nicht lange, bis er den Hühnerhof erreichte. „Ich muss mich leise nähern“, flüsterte er, „sonst erschrecken die Hühner, fallen von der Stange und legen kaputte Eier. Das wäre schlecht, denn zerbrochene Eier habe ich selbst.“ Sammy stellte überrascht fest, dass die Hühner überhaupt nicht schliefen. Sie liefen fröhlich gackernd umher und schienen sich nicht daran zu stören, dass es eigentlich Nacht war. Die Oberhenne stand bereits am Tor und erwartete ihn. „Eine schlimme Sache ist das mit den Eiern“, sagte sie, „aber ich fürchte, ich kann dir nicht weiterhelfen. Die Hühner feiern das bevorstehende Osterfest und haben keine Zeit mehr zum Eierlegen. Es tut mir leid.“

      „Ich brauche die Eier unbedingt“, bettelte Sammy. „Können Sie überhaupt nichts für mich tun?“

      Die Oberhenne hielt den Kopf schief und dachte nach. „Wenn du in Not bist, dann kann dir nur ein guter Freund helfen“, antwortete sie schließlich. „Aber jetzt muss ich das Tor wieder schließen, bevor der Fuchs kommt.“ Die Oberhenne verschwand und augenblicklich wurde es still auf dem Hühnerhof.

      „Kein Huhn gackert mehr, alle scheinen plötzlich zu schlafen“, wunderte sich Sammy. „Woher wusste die Oberhenne eigentlich, dass ich die Eier zerbrochen habe? Ich


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