Crazy Love. Eva Kah

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Crazy Love - Eva Kah


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wir sollen Menschen fotografieren. Möglichst nah, aber trotzdem individuell“, antwortete sie ausweichend.

      „Nicht zufällig nackig, oder?“

      „Ach, du hast mich erwischt, Icki. Aber hey, es geht nur um ein bisserl Haut. Man wird dich nicht erkennen können. Wirklich. Ich will ganz hochwertige, klassische Bilder machen, und du kriegst die Abzüge kostenlos. Und natürlich die Dateien. Da hast du schließlich auch was davon.“

      „Ich zeig die eh keinem. Ist ja keiner da.“

      „Kommt schon noch, Süße. Irgendwann kriegst du eine Mail vom heißesten Typen des Universums, und dann bist du froh, wenn du ihm nicht nur dein Bewerbungsfoto zurückschicken kannst.“

      Da hatte sie wohl Recht. Hoffte ich. Seufzend knüpfte ich meine Bluse auf und war froh, mich am Abend zuvor in der Badewanne gründlich von allen Steffen-Spuren und toten Hornpartikeln am Rest meines Körpers getrennt zu haben.

      Und es wurden wirklich tolle Fotos. Schwarz-Weiß, ästhetisch, ausschließlich unter Betonung meiner Schokoladenseiten. Der Stil erinnerte ein bisschen an diese uralte Calvin-Klein-Werbung mit Kate Moss. Kate Moss sieht ja sowieso ziemlich genau aus wie ich, jedenfalls zwischen Schlüsselbein und Bauchnabel.

      Für mein Profil wählte ich ein Bild, das Freddy eigentlich schon aussortiert hatte. Es war ein Porträt von schräg seitlich, wie ich über die nackte Schulter zurück blickte. Auf dieser einen Aufnahme aber wandte ich den Kopf schon wieder ab, so dass in meinem fliegenden Stufenbob nur ein Stück Ohr und die Linie meines Wangenknochens zu erkennen war. Man sah eine ganze nackte Schulter mit etwas Gänsehaut und darüber eine flotte Frisur. Luftig, sommerlich, unverbindlich. Das war sie endlich, die neue Icki!

      Das neue Bild gefiel nicht nur mir. Es wurden täglich mehr Nachrichten. Wie ein Gebirgsbach, der endlich den störenden Geröllhaufen aus dem Weg geschoben hat, strömten die Lebenszeichen der einsamen Männerherzen auf mich zu. Da ich den voreingestellten Benachrichtigungston von luvjah nicht verändert hatte, ertönte bei jeder eingehenden Nachricht ein lautes Kussgeräusch. Eine Woche nach meiner Anmeldung war aus dem Gebirgsbach ein Wasserfall geworden. Es hagelte Küsse. Sie schmatzten tagein, tagaus aus meiner Handtasche (ich hatte den Erdbeerlimes und die Glassplitter wieder einigermaßen herausbekommen, aber sie sah jetzt verdammt stark nach Vintage-Mode und Shabby Chic aus und roch penetrant süßlich), in der ich Schorschi meistens aufbewahrte. Bei der Arbeit steckte ich ihn mir in die rechte Kitteltasche.

      Dumm nur, dass wir während der Arbeit natürlich eigentlich keinen Handyscheiß veranstalten dürfen. Für ein paar Tage schaltete ich Schorschi also ab, sobald ich die Klinik betrat. Nur um ihn dann in jeder Pinkelpause hektisch wieder anzuschalten und wie ein Börsenkursjunkie die neuen Mails zu checken. Aber das war nicht besonders praktikabel – es fiel auf, dass ich die Hälfte meiner Arbeitszeit auf dem Klo versackte.

      Innerhalb weniger Tage war ich von der technikfeindlichen Besitzerin eines Nokia-Knochens zum App-Süchtling geworden. Ich stellte das Telefon auf lautlos und wurde bei jeder neuen Nachricht von dem Vibrieren in meinem Hüftbereich aus der Fassung gebracht. Ich fand das heiß. Erregend, wie das Interesse eines Mannes sich so direkt im entsprechenden Bereich meines Körpers bemerkbar machte.

      Am Anfang freute ich mich noch über jede Nachricht gleich stark, so lange der Absender nicht meine Stiefelspitze in den Arsch geschoben bekommen wollte. Wenn sie ansonsten noch so doof und einfallslos war – jede unverbindliche Anfrage bewies mir aufs Neue, dass ich nicht gänzlich unattraktiv sein konnte. Jeder Kuss pustete mich aus dem Loch, in das ich nach Max’ Abschied gefallen war, ein kleines Stückchen weiter hinauf zum Tageslicht. Doch sobald ich die Sonne wieder sehen konnte, wurde ich auch anspruchsvoller. Ich antwortete nicht mehr ellenlang und superdiplomatisch auf jeden Scheiß. Nach und nach kristallisierten sich verschiedene Typen von Kommunikationsstrategien heraus, und angesichts der vielen Interessensbekundungen konnte ich es mir erlauben, wählerischer zu sein.

      Der unangefochtene Klassiker, der tatsächlich immer ging, war nicht mehr und nicht weniger als: Hi, wie geht’s?

      Das war weder zu viel Input noch zu unhöflich. Wenn sich in diese vier Worte und drei Satzzeichen nicht allzu viele Fehler eingeschlichen hatten, sah ich mir zumindest das Profil des Kerls an. Und wenn das einigermaßen ansprechend war, stand meiner Antwort nichts mehr im Wege. Mit Hi, wie geht’s? konnte man einfach nichts falsch machen. Ich antwortete meistens so etwas wie Ich arbeite auf einer orthopädischen Station, ich bin die Einzige, die hier gerade geht oder Ganz gut, habe gerade einen 1-A-Katheter gelegt. Wen das nicht abschreckte, für den standen die Türen zum Dialog mit mir schon mal verhältnismäßig weit offen.

      Aber natürlich ging auch nach dieser Standarderöffnung nicht immer alles glatt. Manchmal ließ ich mich auf so einen Chat ein, um es schnell zu bereuen, aber in meiner freundlichen Art nicht zu wissen, wie ich heil wieder aus der Sache herauskäme. Ungefähr so, wie Zeuge eines ekligen Unfalls zu werden, aber trotzdem einfach nicht wegsehen zu können. Erstaunlich. Trotz der ausgeklügelten modernen Medien sind die Menschen noch imstande, komplett aneinander vorbei zu reden. Am beeindruckendsten war in dieser Hinsicht der Austausch mit einem BWL-Studenten namens Marco, der sich aber online MrBoombastic nannte. Er fuhr gerne Rad und hatte ein paar erfrischend ungekünstelte Fotos von sich beim Mountainbiken in den Isarauen hochgestellt. Meist von der Seite zwar oder so, dass man sein Gesicht nicht erkennen konnte, aber der Körper war tipptopp. Sonst gab er so gut wie keine Informationen preis, aber der Chat hatte eigentlich ganz nett angefangen mit ihm.

       Hi, wie geht’s dir? Hamsterette ist ein süßer Name. Ich hoffe, der bezieht sich nicht auf deine Hamsterbacken.

       Danke, mir geht es prima. Nein, die runden Bäckchen habe ich woanders. Und bei dir, worauf bezieht sich das „bombastisch“ so?

       Kannst du dir doch denken, oder?

       Woran soll ich denn denken? Ich kann mir da jedenfalls so Einiges vorstellen…

      Dann änderte er plötzlich seinen Tonfall ins Freche. Ganz unbegründet wurde er fordernd.

       Ich will mehr Fotos von dir sehen. Was hast du denn zu verstecken, bist du etwa fett?

       Hey, ich habe immerhin beinahe mein ganzes Profil ausgefüllt, du Faulpelz. Von dir weiß ich eigentlich nur, dass du gern Rad fährst, aber das kann ja auch gelogen sein.

       Wenn du auch so viel Rad fahren würdest, hättest du nicht so einen fetten Arsch, den du verstecken müsstest.

       Ich glaub, ich hab noch nie im Leben mit einem so unsympathischen Menschen wie dir gechattet.

       Dann lass es doch. Ich bin Kapitalist. Irgendwo befindet sich auch mein Markt.

      Spätestens in diesem Moment hätte ich es auch wirklich einfach lassen sollen, aber irgendwie hatte der Mann meinen Ehrgeiz geweckt. Ich schickte ihm doch drei von den Bildern, die Freddy mit ihrer neuen Kamera gemacht hatte. Es dauerte einen ganzen Tag, bis er zurück schrieb. Ich hatte schon gedacht, ich wäre ihn los.

       Na, die Fotos sind aber schon recht klein.

      Ich war doof genug, darauf auch noch zu antworten.

       Dann schau sie dir doch auf dem Rechner an, Dumpfbacke.

      Etliche Stunden vergingen ohne Reaktion. Erst am nächsten Morgen, ich stand gerade in der Umkleide und zog meinen Kittel an, schmatzte es laut aus meiner Handtasche. Wieder MrBoombastic.

       Kommst du?

      Hä? Wohin? Fast hätte ich geschrieben: Von was denn? Meinte er das etwa sexuell?

       Kommst du?

      Das schrieb er noch ungefähr fünf Mal in länger werdenden Abständen, bis endlich Schicht im Schacht war mit MrBoombastic.

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