Crazy Love. Eva Kah

Читать онлайн книгу.

Crazy Love - Eva Kah


Скачать книгу
Besonderheit, die sie von allen anderen Dating-Apps unterscheidet: Den Fick-Mich-Radar. Der heißt natürlich nicht Fick-Mich-Radar, sondern luvjah Benutzersuche, aber wozu sollte man andere Benutzer sonst suchen wollen? Wohl kaum zum Briefmarken- Tauschen oder Museumsbesuch. Der Fick-Mich-Radar oder, pardon, die Benutzersuche ist eine Funktion, mit der man schnell mal nachsehen kann, ob sich im Umkreis von einem Kilometer ein paarungswilliges Gegenüber befindet. In so einem Fall wird einem dann auf einer Umgebungsmappe ein hektisch blinkendes rotes Herz angezeigt. Der Radar ist nicht so genau, dass man einzelne Fenster oder gar Stockwerke zuordnen könnte, aber für den richtigen Häuserblock reicht es allemal. Theoretisch wäre es möglich, zu der Adresse hinzurennen und laut schreiend mit den Armen zu wedeln oder sich gleich schon mal die Klamotten vom Leib zu reißen, um den möglichen Bumspartner sofort aus der virtuellen in die reale Beziehungsebene zu locken. Praktisch tut man so was ja doch nicht.

      In meiner eigenen Wohnung hatte ich mich noch nie getraut, den Radar anzuschalten. Was, wenn in meiner nächsten Nachbarschaft Dutzende Suchende säßen? Wenn mein eigenes Haus vor hormonell überladenen luvjah-Mitbenutzern überquölle? Ich käme ja nie mehr auch nur bis zum Briefkasten, geschweige denn zum Bäcker oder gar zur Arbeit.

      Aber, Stichwort Arbeit, dort war das ja etwas ganz anderes. Wenn man grundsätzlich schon keinen Handyscheiß veranstalten darf, ist die Hemmschwelle eine ganz andere. In einer müßigen Minute in der Umkleide probierte ich den Fick-Mich-Radar also einfach mal aus. Wieder einmal war ich auf meinen eigenen Wecker hereingefallen und saß eine Stunde zu früh in der Klinik. Anstatt mir den fünften Kaffee zu holen oder gar freiwillig eine Überstunde zu leisten, dödelte ich mit Schorschi herum. Aus Jux schmiss ich die Benutzersuche an. Einfach so. In diesem relativ noblen Viertel, mit all den schicken Villen und Anwaltskanzleien rundherum, würde sowieso niemand mit dem Telefon auf Partnersuche gehen.

      Es dauerte eine Weile, bis die Daten durch die dicken Betonwände der Klinik drangen, doch dann saß ich kerzengerade vor Schreck: Es gab tatsächlich andere luvjah-Benutzer in der näheren Umgebung, und zwar genau dort, wo ich mich gerade aufhielt! Das hektisch blinkende rosa Herz erschien ziemlich genau über meinem eigenen zentralen Standpunkt. Wie auf einer Schießscheibe. Voll ins Schwarze. Freddy konnte es auch nicht sein, die hatte an diesem Tag, es war ein Montag, frei. Bei meiner Suche hatte ich sowieso nur „Männer“ angetippt. Der andere Nutzer musste sich also direkt hier in der Klinik befinden!

      Ein Patient? Ein Besucher, dem ebenso langweilig war wie mir? Der Pförtner? Gar unser Chef? Nein, der war doch glücklich verheiratet. Oder etwa nicht…? Dieses Rätsel durfte nicht ungelöst bleiben. Ich musste wissen, wer das war. Wenn ich sein Profil anguckte, würde er zwar auch meines sehen können, aber das machte nichts. Mein Profil war anonym genug. Außer meinem Alter und meiner Körpergröße würde er nichts erfahren, und in der Kragenweite gab es noch mindestens zwei weitere Schwestern hier.

      Sein Profil war leider auch anonym genug. Er nannte sich Rappelvollachtzehn, war 28 Jahre alt und 1 Meter 82 groß. Dazu fielen mir auch mindestens vier Kollegen ein. Hobbies: „Auf Achse sein.“ Das traf auf die meisten Angestellten einer Klinik zu, ob männlich oder weiblich. Wer nicht gern auf Achse war, für den war das hier nichts. Und wenn es doch ein Patient…? Nein, meine Überlegungen würden nicht ausreichen. Kurz entschlossen tippten Schorschi und ich eine Nachricht an Rappelvollachtzehn.

       Hey. Ich sehe gerade, dass wir uns gleichzeitig an diesem schönen Ort befinden. Also ich hätte heute noch etwas Freizeit. Du?

      Die Antwort kam prompt.

       Ich auch. Wann denn?

       Öh, jetzt gerade. Die nächste halbe Stunde.

       Prima. Das reicht genau für einen Quickie in der Putzkammer im zweiten Stock. Wir treffen uns dort in zwei Minuten!

      Oh. So ein Tempo bei der Date-Anbahnung hatte es vermutlich in der ganzen Geschichte von luvjah noch nicht gegeben. Der Fick-Mich-Radar verdiente seinen Namen voll und ganz. Ich ließ Schorschi sinken und kratzte mich im flotten Stufenschnitt. Wollte ich da jetzt wirklich hingehen? Wenn ich die Tür zu dieser Putzkammer öffnete, würde er mich ja sicherlich nicht gleich sofort anspringen. Oder? Aber ich musste einfach wissen, wer das war. Noch hatte ich ja nicht besonders viel herausgefunden außer dem Verdacht, dass es sich doch um einen vom Personal handelte. Wer würde sonst wissen, wo man sich in der Orthopädischen Klinik Nordheide zum Bumsen treffen könnte? Die Putzkammern waren nämlich von innen abschließbar.

      Nach ungefähr dreißig Sekunden innerlichen Ringens sprang ich auf, verließ die Umkleide und machte mich eilig auf den Weg in den zweiten Stock. Noch gut neunzig Sekunden, das sollte zu schaffen sein! Ich nahm den Lift, der ausnahmsweise sogar funktionierte. Leider hielt er aber im ersten Stock, um einen Pfleger mit einem Putzeimer einzulassen. Ich fluchte innerlich. Es war ein arroganter Kerl, den wir Schwestern den „heißen Ivan“ nannten. Keine Ahnung, ob er diesen Spitznamen seiner Herkunft oder nur dem rassigen Äußeren verdankte, jedenfalls behandelte er uns Mädels alle etwas herablassender, als es einem Pfleger zustand. Wir grüßten uns kurz. Er drückte ebenfalls auf den Knopf für die zweite Etage, und wir verbrachten die Fahrt schweigend. Im zweiten Stock angekommen, zog er sofort mit seinem Putzeimer von dannen. Mir blieb noch eine Minute, von der ein Großteil für Warten auf freie Bahn draufging. Möglichst unauffällig lungerte ich im Treppenhaus herum und schielte immer wieder durch die Glastür, bis ich im langen Flur niemanden mehr entdeckte. Dann bog ich um die Ecke, flitzte schnell zu der unauffälligen Tür am Ende des Flurs, riss sie auf und schwang mich in eleganter Geheimagenten-Manier hinein, bevor jemand von draußen auf mich aufmerksam werden konnte.

      Innen stolperte ich nicht ganz so Geheimagenten-mäßig über einen Putzeimer und wäre der Länge nach auf den ekelig klebrigen Linoleumboden gefallen (ist es ein Naturgesetz, dass die Böden von Putzkammern immer am absolut ungeputztesten von allen sein müssen?), wenn nicht starke Männerarme meinen Sturz aufgehalten hätten. Die starken Arme des heißen Ivan.

      „Der heiße Ivan!“, entfuhr es mir.

      „Die Ficki!“, entgegnete er nicht weniger uncharmant.

      Ich brauchte eine ganze Weile, um den Mund wieder schließen zu können. „Bitte waaas?! Ihr Arsch-Pfleger nennt mich Ficki? Ich glaub, ich hör nicht recht!“

      „Na aber mal halblang, junge Frau. Der Name stimmt doch. Du hast dich gerade auf einen Quickie verabredet, Ficki. Mit einem Unbekannten.“

      „Ich wollte ja nur wissen, wer du bist. Und du bist ja gar kein Unbekannter, du Blödsack!“

      „Wärst du denn gekommen, wenn du gewusst hättest, dass ich es bin?“

      „Natürlich nicht! Ich mach’s doch nicht mit einem von euch Pflegern in meiner eigenen Klinik, das wäre ja wie Inzucht im Goldfischteich oder so! Und warum überhaupt der Putzeimer?“

      „Alles Tarnung. Hat doch auch geklappt! Nicht mal du hast es gecheckt.“

      Beim Versuch, sich zu rechtfertigen, stemmte Ivan sogar die Hände in die Seiten. Putzig. Das blaue T-Shirt, das er unter dem offenen weißen Kittel trug, war dadurch etwas nach oben gerutscht. Und weil Ivan seine weiße Pflegerhose eine Nummer zu groß und sehr lässig unterhalb der Hüftknochen trug, sah ich fast eine ganze Handbreit perfekt angebräunte glatte Haut zwischen T-Shirt und der herauslugenden schwarzen Boxershorts. Das besänftigte mich ein wenig. Ficki.

      „Das sehen wir ja gleich, wer hier noch alles kommt“, sagte ich mit ruhiger Stimme und schloss die Tür hinter uns ab. Länger als nötig verharrte ich mit dem Rücken zu Ivan, weil sein Blick so schön in meinem Nacken prickelte. Ich war auch ein klein wenig unsicher, ob er überhaupt noch wollte. Meinte er es tatsächlich ernst mit dem Quickie in der Putzkammer, oder würden gleich seine Kollegen mit der versteckten Kamera hinter dem Schrank hervorspringen? Ich für meinen Teil wollte schon noch. Jetzt erst recht. Der heiße Ivan und ich, eine Viertelstunde Zeit – wo die Peinlichkeit der Enttarnung schon einmal passiert war, konnten wir es doch auch gleich richtig krachen lassen. Wie heißt es so schön: Gelegenheit macht Triebe.

      Dann drehte ich mich um. Wir waren immer noch


Скачать книгу