Crazy Love. Eva Kah

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Crazy Love - Eva Kah


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musst. Das ist heilsam. Wenn man das nicht tut, hat man einen an der Waffel und wird ein verkorkster alter Spinner mit komischen Hobbies.“

      „Pff! Sagst du!“

      Freddy hörte auf, meinen Rücken zu streicheln, stellte sich vor mich und ergriff meine Handgelenke, um mich in Richtung Badezimmer zu manövrieren.

      „Jawohl, und in meiner Funktion als deine beste Freundin sage ich dir direkt noch was. Es ist gleich Montagmittag und da draußen wartet eine Millionenstadt auf dich. Ich gebe dir fünf Minuten zum Duschen und zwei Minuten zum Anziehen. Ich mach’ dir in der Zwischenzeit einen achtfachen Espresso, wenn du mich an diese Höllenmaschine in deiner Küche ranlässt. Wir gehen jetzt einkaufen.“

      „Aber Max ist weg!“, jammerte ich. „Ich will nicht einkaufen, ich will meinen Max zurück!“

      Natürlich brach bei der Gelegenheit auch noch alles andere aus mir heraus – zehn Jahre Beziehung, Jubiläum, hübsche Haare, hässliches Sofa, pingelige Langweilerin, mit der das Leben und vor allem der Sex einfach keinen Spaß machen – aber Freddy fiel mir einfach ins Wort.

      „Ach, das weiß ich doch längst. Und ich bin froh, dass du ihn endlich los bist. Und dir werde ich schon auch noch beibringen, dich drüber zu freuen. Aber jetzt ist erst mal Ablenkung angesagt. Wenn du jemals einen neuen Typen abkriegen willst, dann brauchst du ein paar neue Klamotten, und zwar sofort!“

      „Was ist denn an meinen alten Sachen auszusetzen?“

      „Nichts, sie sind halt alt. Aber wenn du gerne aussiehst wie eine Religionslehrerin, ist das natürlich deine Sache.“

      „Eine Religionslehrerin?!“

      Freddy hörte auf, meinen Rücken zu streicheln, und zupfte nachdrücklich an meiner Bluse.

      „Genau, die Blümchenmuster und das ganze Gedöns. Schau mal, bei dieser Bluse haben sogar die Knöpfe Blumenform. Und sie sind rosa. Wie alt bist du denn, Icki, zwölf?“

      „Ich finde das halt mädchenhaft und romantisch!“

      „Du suchst aber keinen verwirrten Pädophilen, du bist eine Frau Ende Zwanzig und brauchst dringend einen Kerl. Aber aus dir machen wir schon noch was Flottes. In neuen Lebenssituationen braucht man einfach einen neuen Stil. Komm jetzt, du pingelige Kuh, oder bist du dafür auch zu langweilig?“

      Wenn irgendjemand auf der Welt die Diplomatie nicht mit dem Löffel gefressen hat, dann meine beste Freundin Freddy. Ich wundere mich immer wieder darüber, wie sie überhaupt als Physiotherapeutin arbeiten kann, ohne permanent Beleidigungsklagen an den Hals zu kriegen. Bei der Arbeit reißt sie sich zusammen. Bei mir nicht. Mir gegenüber ist sie direkt und unverblümt, da muss sie sich nicht verstellen. Echte Freunde sind ehrliche Freunde. Und genau für diese Ehrlichkeit liebe ich sie auch – denn ich selbst gehe immer viel zu weichherzig in die Welt hinein und bin dann ganz erstaunt, wenn ich eins auf die Nase kriege. Freddy würde das nie passieren, die rollt über alles hinweg wie ein fröhlicher Panzer. Irgendwann, hoffe ich, wird ihre Unverfrorenheit auch ein bisschen auf mich abfärben.

      Auch in Sachen Beziehungen zur Männerwelt besteht zwischen Freddy und mir ein Unterschied wie zwischen Tag und Nacht. Während ich noch nie einen anderen Typen als Max auch nur geküsst habe, herrscht rund um den Unterleib meiner besten Freundin so etwas wie Freibier-Stimmung. Jeder darf mal, jeder ist willkommen, aber niemand sollte allzu lange bleiben, damit er nicht irgendwann vom Wirt rausgeschmissen wird. Keiner ihrer „Freunde“ bleibt länger als zehn Wochen, doch der nächste steht immer schon in den Startlöchern. Manchmal hat sie sogar mehrere nebeneinander. Der Stau auf dem Mittleren Ring ist ein Dreck dagegen. Entschuldigung, dass ich das so ausdrücke, aber Freddy hat eine sehr lockere Einstellung und macht selbst Witze über ihr uferloses Sexualleben: „Wenn man Physiotherapeutin ist, muss man den ganzen Tag Leute zu Bewegung und Sport zwingen. Nach Feierabend will ich dann nicht auch noch selber Sport machen. Nach achtzehn Uhr kann ich kein Theraband, keine Gummibälle und keine Weichschaummatten mehr sehen. Aber irgendeinen Work-out brauch’ ich ja trotzdem, also habe ich eben Sex! Mein Schlafzimmer ist im Grunde nur ein getarntes Fitnessstudio. Wobei die Männer heutzutage ja nicht mehr robust sind. So ein einzelner Trainingspartner hält meistens nicht lange vor. Kein Wunder, ich hab’ das schließlich studiert!“

      Freddy kauft auch so ein, wie sie Typen aufreißt. Schnell, zielstrebig und ohne die geringsten Selbstzweifel pickt sie sich heraus, was sie brauchen könnte. Ob Männer oder T-Shirts: Sie findet immer etwas. Nicht unbedingt in der besten Qualität, aber für zwei, drei Mal reicht’s schon…

      Auch an diesem Mittag im größten Einkaufszentrum Münchens bestätigte sich ihre Schnäppchenmentalität wieder einmal. Während ich angesichts der drängelnden, laut herumtelefonierenden Menschenmassen um uns herum schon in der U-Bahn zu hyperventilieren begonnen hatte, fand Freddy gleich im ersten Laden ein Paar neuer Stiefeletten und ein atemberaubendes Partykleid. Beides war beschämend tief reduziert und passte ihr perfekt. An der Kasse nahm sie souverän auch die Telefonnummer des ganz ansehnlichen Verkäufers entgegen. Weil mein Gesicht immer noch länger wurde, sah Freddy ein, dass mir durch weitere Vorführungen ihres Schnäppchenglücks nicht geholfen wäre. Seufzend hakte sie mich unter und dirigierte mich durch die Menschenmenge in das nächste Eiscafé. Dort gab es eine weitere Telefonnummer vom süßen italienischen Kellner für sie und (nachdem der Laden zwar Wodka, aber keinen Pfirsich-Eistee führte) einen extragroßen Prosecco für mich. Zusätzlich zwängte mir Freddy drei Viertel ihres Baguettes mit Parmaschinken auf, das ihr angeblich zu viel wurde. In Wirklichkeit hörte sie mein übersäuertes Magenknurren nur deutlicher als ich. Manchmal war sie eben doch diplomatisch, aber nur ganz im Geheimen.

      Hinterher war mir etwas wohler. Die fünfzigtausend Teenager, die an diesem Montag ebenfalls das Einkaufszentrum heimsuchten, machten mich nicht mehr ganz so kirre. Und Freddy erklärte sich bereit, meine persönliche Shoppingberaterin zu spielen.

      Seltsamerweise wirkte ihr Schnäppchenglück auch bei mir. Innerhalb von weniger als einer Stunde hatte sie mich ebenfalls mit neuen Stiefeletten, einem Kleid und einer passenden Handtasche versorgt. Eigentlich trage ich so was gar nicht, aber in diesem Moment war mir das egal. Darin bin ich bestimmt nicht langweilig, schoss mir durch den Kopf, als ich mich in dem engen weinroten Jerseykleid im Spiegel der Umkleidekabine erblickte. Es war gerade lang genug, um nicht obszön auszusehen, und die Wickeloptik in der Taille ließ meine Birnenhüften vorteilhaft geschwungen wirken. Dazu die Stiefel und das albern kleine Lackhandtäschchen – ein perfektes Aufreißer-Outfit. Freddy war zufrieden.

      „Wenn du meinst, dass das irgendwie hilft“, protestierte ich.

      „Oh ja, tut es, dafür werde ich schon sorgen“, grinste Freddy und zog mich in den nächsten Laden. „Und was bei akuter Trenneritis auch hilft, ist neue Unterwäsche. So richtig wilde, teure Teile, dass es einem selber peinlich ist.“

      „Dass einem was peinlich ist – das Wilde oder das Teure?“, fragte ich, doch Freddy lachte nur und blieb vor einem Regal mit halterlosen Strümpfen stehen. Erschrocken stellte ich fest, dass wir uns in einem Sexshop befanden. Jedenfalls sah es für mich auf den ersten Blick so aus: nichts als Strapsgürtel, durchsichtige BHs, Stofffetzen mit roten Marabufedern und Höschen mit sehr zweifelhafter Textillage im Schritt. Wie ich nach ein paar Schocksekunden feststellte, handelte es sich natürlich um einen ganz normalen Wäscheladen. Nur dass ich mit solchen Läden ungefähr ebenso vertraut war wie mit „richtigen“ Sexshops. Meine BHs besaß ich alle schon seit der Schulzeit oder hatte sie als Fehlkäufe von meiner Schwester bekommen, und meine Unterhosen, die ich bis dahin immer im Kaufhaus erworben hatte, waren alle aus Baumwolle. Eine Unterhose hatte in meinen Augen vorrangig eine Pflicht zu erfüllen: den Popo verpacken und dabei möglichst wenig stören und kneifen.

      Das Sortiment dieses Ladens hier spielte in einer ganz anderen Liga. Hier gab es keine Unterhosen, hier gab es Dessous. Doch als sich das Blut aus meinem Kopf zurückgezogen hatte und die erstaunlich wenig modelähnliche Beraterin freundlich sich unser angenommen hatte, kam doch die lang verdrängte Glitzerbarbie in mir zum Vorschein. Das kleine Mädchen, das auch


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