Crazy Love. Eva Kah
Читать онлайн книгу.schlichtes Modell eines bekannten asiatischen Herstellers. Es konnte Musik spielen, Videos, Fotos und Audiodateien aufnehmen, hervorragend im Internet herumsurfen, notfalls auch das nicht vorhandene Navigationsgerät meines nicht vorhandenen Autos ersetzen und natürlich auch telefonieren. Vor allem aber besaß es angeblich eine lange Akkulaufzeit und lag gut in der Hand.
Ich hatte ja keine Ahnung gehabt, wie günstig man an so ein Smartphone kam. Klar, der Vertrag war nicht komplett geschenkt und hatte eine Laufzeit von zwei Jahren, aber die monatliche Rate war alles in allem halb so teuer wie der Uralt-Vertrag meines Beißknochens, der sich seit ungefähr zehn Jahren immer automatisch von selbst verlängert hatte.
Ich hatte auch gar nicht gewusst, dass es so viel tolles Zubehör für Smartphones gab. Die wieder auferweckte Glitzerbarbie in mir ließ sich kaum davon abhalten, eine mit Straßsteinchen besetzte Hülle aus rosa Pfauenlederimitat zu erwerben.
„Das brauchst du nicht, du Zwölfjährige“, seufzte Freddy. „Das Einzige, was du bei deinem Geschick vielleicht noch abschließen sollest, ist eine Versicherung gegen Runterfallen.“
Das tat ich. Die Versicherung kostete nur einen Euro pro Monat zusätzlich. Ich verließ den Laden glücklich und in dem Gefühl, gerade noch den Anschluss an den Zeitgeist geschafft zu haben. Vielleicht, ermahnte ich mich, sollte ich neuer Technik (und neuen Bekanntschaften!) nicht von vorneherein immer gleich so negativ gegenüber stehen. Der Verkäufer zum Beispiel war ja schon mal gar nicht so übel gewesen.
„Ich werde es Schorschi nennen“, sagte ich feierlich zu Freddy, während wir mit unseren Tüten und Päckchen behängt auf der Rolltreppe der U-Bahn entgegen schwebten.
Wenn das auf der Rolltreppe möglich gewesen wäre, wäre Freddy entsetzt stehen geblieben. So aber fiel ihr nur eine Tüte mit Schuhen herunter. Abrupt wandte mir Freddy ihre weit aufgerissenen grünen Augen zu, während die Rolltreppe gelassen weiter ratterte. „Wen? Was? Schorschi? Bist du etwa… schwanger?!“
„Aber Nein! Ich bin Krankenschwester, da weiß ich doch, wie man die Pille nimmt!“ Jetzt fiel mir eine Tüte herunter, ausgerechnet die mit den Dessous. Prompt rutschte das Päckchen mit den halterlosen Strümpfen ein paar Stufen weiter und einem älteren Herrn vor die Füße, der es erst stirnrunzelnd betrachtete und mir dann mit einem dreckigen Grinsen nach oben reichte. Mit knallroten Ohren verstaute ich es wieder und erklärte der schockierten Freddy meine Idee: „Ich will einfach nicht immer Smartphone sagen müssen. Smartphone ist doch ein blödes Wort, das holpert so. Aber Telefon trifft es ja auch nicht ganz. Also nenne ich das Ding halt Schorschi!“
Ich gebe den Dingen in meiner Umgebung gern Namen. Vor allem griffige, männliche Namen. Normalerweise sage ich das nur in Gedanken, weil Max mich sonst für total plemplem gehalten hätte. Igor will mal wieder gefüllt werden, und für Wolfgang ist auch kein einziges Böhnchen mehr da. Hätte ich das bei unserem finalen Streit so ausgedrückt, hätte Max immerhin einen Grund zum Gehen gehabt. So bleiben mir aber wenigstens ein paar Kerle, die auf mich hören.
„Schorschi, das Smartphone.“ Freddy ließ die Silben auf ihrer Zunge zergehen. „Klingt gut. Da bin ich aber erleichtert. Wobei ich natürlich dringend Patentante werden möchte, wenn du in der Zukunft doch noch mal etwas anderes Kleines Schorschi nennen möchtest. Nur für den Fall. Aber kannst dir damit auch noch etwas Zeit lassen.“
„Keine Angst, im Moment käme ich ja gar nicht erst in die Verlegenheit.“
„Das werden wir schon ändern! Und zwar mit Schorschis Hilfe“, sagte Freddy und klaubte ihre Sachen zusammen, weil wir das Ende der Rolltreppe erreichten.
Wir fuhren eine Station mit der U-Bahn, bis ich Lust auf frische Luft bekam und Freddy überredete, auf die Trambahn umzusteigen. Am Horizont zeichnete sich schon rosa die Dämmerung ab. Auf Freddys Frage, was ich heute noch tun würde, antwortete ich mit einem Schulterzucken.
„Wahrscheinlich koche ich mir was und geh dann ins Bett. Jetzt hab ich all die schicken neuen Sachen, aber immer noch keine Lust auf Ausgehen“, gab ich zu.
„Weißt du, ich glaube auch gar nicht, dass beim Ausgehen heutzutage noch viel geht. Da schleppen sich doch nur noch die Opas zum Tanzen hin und die, die sich lieber in Gesellschaft von Fremden besaufen. Das liegt an der modernen Welt“, sinnierte Freddy. Wir setzten uns an der Trambahnhaltestelle neben einen glücklich betrunkenen Fußballfan, der seinen wackeligen Blick sofort dankbar auf Freddys Brüste heftete.
„Kommunikation zwischen Männlein und Weiblein findet einfach nicht mehr im realen Leben statt. Beim Ausgehen auf Mr. Right zu hoffen, ist eine veraltete Strategie. Da könnte man genauso gut versuchen, seinen Kartoffelacker mit einem Pferd durchzupflügen.“
„Ich würd’ dich sofort durchpflügen!“, rief der besoffene Fußballfan neben uns begeistert. „Von vorne, von hinten, mit allen Finessen!“
„Ach ja…?“ Interessiert wandte sich Freddy zu ihm und unterzog ihn einem gründlichen Check von oben bis unten. Dann zuckte sie die Schultern. „Ich kann im Moment leider nicht beurteilen, ob ich von dir durchgepflügt werden möchte. Dafür hast du zu viel Farbe im Gesicht und zu viele bunte Schals an. Aber wenn du magst, kannst du mir ja mal deine Handynummer aufschreiben.“
Mit professionellem Lächeln reichte sie ihm einen Zettel und einen Kugelschreiber. Natürlich kam der Kerl der Aufforderung eifrig nach, worüber er die gerade einfahrende Tram verpasste. Freddy riss ihm den Zettel mit der unleserlichen Nummer aus der Hand und stieg kichernd ein. Er starrte ihr so selig auf die Beine, dass sich die Türen vor ihm schlossen. Seiner Begeisterung tat das keinen Abbruch. Er winkte uns mit allen verfügbaren Schals.
„Ruf mich morgen an, Süße! Ich schick’ dir auch n’ Schwanzfoto!“, brüllte er der Trambahn hinterher.
„Immer diese Schwanzfotos“, sagte ich, als wir uns auf eine freie Bank quetschten. „Das ist echt so ein Ding heutzutage, oder?“
Freddy sah mich mitleidig an.
„Du, das wird schon noch, Übung macht die Meisterin. Aber ich hab da auch meine geheime Theorie. Na ja, so mittelgeheim. Schon die Urmenschen werden doch als Jäger und Sammler beschrieben, gell? Da geht man ganz automatisch davon aus, dass eben die Männer jagen und die Frauen sammeln. Im Grunde stimmt das ja auch. Aber meine Meinung dazu ist – und die gründet auf jahrzehntelangen Fallstudien – dass sich die Jobs mit der Zeit ändern. Bis sie dreißig, vierzig sind, machen alle Männer einen auf Jäger. Irgendwann ist ihnen das mit den Säbelzahntigern und den Faustkeilen zu anstrengend und sie bleiben zuhause, suchen noch ein paar Blaubeeren oder so was und kümmern sich um ihre Kinder. Oder die Bälger, die sie dafür halten.“
„Ja, und was ist jetzt das bahnbrechend Neue an deiner Theorie?“
Freddy lachte. „Die Rolle von uns Mädels! Frauen sind auch Jäger, und zwar die besseren. Weil wir uns nicht draußen die Köpfe vom Mammut einschlagen lassen, sondern uns zuhause am Lagerfeuer hübsch machen, bis die Männer zurückkommen. Dann schnappen wir uns die stärksten, lassen uns von denen ein paar Kinder machen und von den alten, ehemaligen Jägern versorgen. Genial, oder? Wir jagen keine Mammuts, wir jagen Jäger. Ich verrate dir jetzt einen Trick, meine liebe Icki: Wir sind zwar in Wirklichkeit die Jäger, aber das dürfen die Kerle nie erfahren. Die geschickte Frau legt kein Netz aus, sie legt sich ins Netz! Ins Internet, meine ich. Ich krieg’ meine Fickerles auch schon lange nicht mehr aus der echten Welt. Du solltest dir wirklich auch mal ein Profil anlegen, ist superpraktisch, ich hab dir da auch schon was installiert…“
Für eine Weile hörte ich ihr gar nicht mehr zu. Das hatte sie mir doch schon mal erzählt. Bei Technikkram schalte ich schnell ab. Nur Freddys Theorie hing mir nach. Bei jedem Mann, der ein- oder ausstieg, fragte ich mich, ob er wohl auch ein Jäger war, den man jagen sollte. Mit dem Smartphone. Und ob ich das wollte.
„Kennst du eigentlich die Silberbüchse?“, riss mich Freddy aus den Gedanken.
„Das ist das Gewehr vom Winnetou. Also vom echten Winnetou, dem von Karl May. Der haut immer, wenn er einen Schoschonen oder so was erlegt hat, einen Nagel in seine Knarre. Deshalb ist das die Silberbüchse. So