Franziska von Hohenheim - Die tapfere Frau an der Seite Carl Eugens. Utta Keppler

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Franziska von Hohenheim - Die tapfere Frau an der Seite Carl Eugens - Utta Keppler


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Blondine in einen erleuchteten Ballsaal zu treten und alle Blicke auf sich zu ziehen, auch die von Leuten, die sich sonst abwenden, wenn ich hereinkomme; schön müßte es sein, sich mit einem so köstlichen Besitz zu schmücken wie mit einem seltenen Juwel!

      Bernerdin saß mit kaum beherrschtem Mißmut an der Tafel. Serenissimus ist das Maß aller Dinge, wiederholte er sich, „und das Mädchen stiert er an wie ein Aufkäufer!

      Leutrum spürte die Veränderung. Er sagte mit einem boshaften Lächeln: „Ihr habt Schwierigkeiten bei der Erbteilung Eures Besitzes gehabt? Die Herren von Junkhenn und Gültlingen waren keine bequemen Partner dabei, nehme ich an?“

      Bernerdin verschluckte den Ärger über das ungehörige „Ihr“.

      „Die Verhältnisse sind verwickelt“, antwortete er kurz, „die Eidame der Tanten haben sich nicht immer benommen wie Edelleute.“

      „Mein Vater scheint aber Wege gefunden zu haben, sie zufriedenzustellen? Es kam mir so vor – nach seinen Andeutungen …“

      Bernerdin sah seine Frau an. Sie schloß die Lippen in einer mahnenden Grimasse: Man soll einen mächtigen Gläubiger nicht reizen … Bernerdin runzelte die Stirn und blickte bedeutsam auf Franziska und Louise, die eben hinausgingen, um dem ungeschickten Diener beim Servieren zu helfen.

      Leutrum verstand den Wink: Auch Bernerdin bot etwas von Wert, das die Vorschüsse des Ritterschaftsrats wohl aufwiegen konnte.

      Franziska spürte, welcher Art die Gedanken waren, die wie Ströme hin- und hergingen. Sie preßte den Mund zusammen und sah zu den Männern hinüber, die jetzt am Tisch standen, die Hände aufgestützt. Sie schaute die Mutter an: Sie und der Vater gaben ihre Tochter preis. An dieses dunkle krumme Wesen.

      Leutrum hatte Franziskas Blick erfaßt. Ich kaufe sie gegen ihren Willen, dachte er und schämte sich plötzlich. Aber – ich bin doch nicht schuld an meiner Ungestalt. Ich habe keinen Grund zur Dankbarkeit und keinen zur Güte. Ich werde sie alle zwingen, zu tun, was ich will.

      Er beugte sich vor. „Darf ich die Herrschaften zu einer Wagenfahrt einladen, am kommenden Sonntag? Ich würde eine kleinere ‚Wurst‘ mieten, denn meine Fahrzeuge könnten doch die ganze liebe Familie nicht fassen!“

      Jetzt fingen die beiden kleinen Mädchen zu lachen an. Frau von Bernerdin rief sie zur Ordnung. Die „Wurst“ sei ein offenes Fuhrwerk, erklärte sie, das bis zu zwölf Leute aufnehmen könne.

      „Der Hof benutzt es bei gutem Wetter zu seinen Touren“, ergänzte Leutrum gewandt, „es hat kommode Polster und Lehnen. Ich möchte mit der verehrten Sippschaft auf den Neresheimer Klosterberg fahren, von da aus ist das Land schön zu überblicken, und die Benediktiner schenken einen guten Wein aus.“

      Frau von Bernerdin verbeugte sich im Sitzen und flüsterte mit halbem Lächeln etwas von Ehre und delikatem Vergnügen; sie sagte im Namen aller zu, auch, fügte sie hinzu, auch der Töchter …

      Die Spazierfahrt

      Franziska hatte die Woche vor der Spazierfahrt in einer trostlosen Stumpfheit zugebracht. In der Nacht zum Sonntag lagen beide Schwestern wach in ihrem Zimmer. Louise sprach der Jüngeren gut zu, sie fände den Reinhard gar nicht so übel, er habe immerhin Geschmack, sei ein gebildeter Mann und könne sich unterhalten, wie es einem adligen Herrn zukomme. Sie selber, Louise, würde im gleichen Fall schon mit ihm fertigwerden.

      Ob das ihr Ernst sei? fragte Franziska begierig, ob sie sich wirklich getraue, mit diesem Menschen zu leben?

      Louise zögerte; ganz deutlich hatte sie sich das noch nie ausgemalt. Sie spürte, wie Franziskas heiße Hand in der ihren zitterte.

      „Warum nicht?“ sagte sie tapfer. „Und übrigens hat er ja noch gar nicht gewählt.“

      Franziska seufzte auf. Sie wußte besser, daß Leutrums Entscheidung schon lange gefallen war. Aber sie klammerte sich an die vage Hoffnung, er könnte vielleicht doch Louise …

      Der Morgen kam, ein nebliger Maimorgen mit feinem Sprühregen. Die Blätter der Linde glänzten. In Schwaden wogte das Licht aus der Verhangenheit. Leutrums Wagen fuhr in den Hof ein, die Kleinen stießen sich befriedigt an. „Wie eine richtige Wurst!“ stellte Juliane überzeugt fest.

      Prachtvoll geschirrte Pferde zogen das lange braunlackierte Fahrzeug, zwei Lakaien standen hinten, und einer saß neben dem Kutscher, alle in Leutrumscher Livree.

      Der Freier hatte es so arrangiert, daß Franziska neben ihm Platz nehmen mußte. Er werde sonst geblendet, erklärte er halblaut, wenn er gezwungen sei, immerzu in die Augen eines so reizenden Vis-àvis zu blicken.

      Franziska verbarg ihr Gesicht hinter einem Fächer, schaute angestrengt aus dem Fenster und bog sich soweit als möglich von dem eifrig Redenden weg. Man fuhr durch den leichten Regen, eine Plane war aufgespannt worden. Die Kleineren zappelten vor Unternehmungslust, Vater und Mutter saßen stumm und würdig dazwischen.

      Franziska beobachtete wieder verstohlen Leutrums lange gelbe Hand, die auf seinem Knie lag; Smaragde und Rubine machten sie nicht liebenswerter, und das silbrige Spitzengeriesel am Ärmel wirkte darüber wie ein stilloser Zierat. Verborgenes, vielleicht unbewußtes Leiden schien in dem verästelten blauen Geäder eingedrückt.

      Louise fiel ihr halbes Versprechen ein. Erstaunt beobachteten die Eltern, wie sich die Ältere, die Brauen ernsthaft zusammengezogen, an den Baron wandte, während das Schwanken des Wagens auf den unebenen Wegen sie schaukelte. „Sie haben so reizend vom Hof zu Ludwigsburg erzählt, Herr von Leutrum“, sagte sie mit einem nicht ganz glaubwürdigen Lächeln, „daß ich wohl Lust hätte, diese Feeninsel und Märchenfülle zu erleben. Wenn Sie es auf sich nehmen könnten, mich einmal hinzuführen?“

      Frau von Bernerdin stieß erregt ihren Fuß gegen Louises Bein, das der dunkelrote Rüschenrock verdeckte.

      Louise verlor ihre krampfhafte Heiterkeit und schickte einen verzweifelten Blick zu Franziska hinüber, die müde den Kopf schüttelte.

      Leutrum lachte; er werde es sich zur Auszeichnung rechnen, der teuren Familie sein kleines Ludwigsburger Haus vorzuführen.

      In einer nassen Waldschneise begegnete dem Gefährt eine Holzfuhre, die ein struppiger Greis über den Pfad zerrte. Er erschrak, hetzte weiter und wäre beinahe gefallen. Dann hielt er am Wegrand und zog die verbeulte Kappe. Er bückte sich, bis ihm die grauen Strähnen ins Gesicht fielen. Bernerdin grüßte. „Der gehört nicht mehr zu unserer Herrschaft, sondern zur herzoglichen“, sagte er mit einem Blick auf den zerfetzten Rock des Gebeugten. „Aber die Leute hier dürfen nur selten Holz sammeln; und dieses treibt jetzt schon und ist ganz feucht.“

      Sie fuhren vorbei.

      „Besser als keins“, meinte Leutrum leichthin. Franziskas Augen streiften sein verwelktes Gesicht mit dem zynischen Mund. „Er ist vor lauter Bitterkeit alt und böse geworden“, dachte sie und spürte, wie sie erstarrte.

      In der welligen Felderebene tauchten die Neresheimer Klostertürme auf, vom Baugerüst wie von leichten Gittern umsponnen. Die Pferde gingen im Schritt die Allee hinauf. Leutrum wies mit dem Stöckchen vorwärts; Franziska beugte sich weg. Er legte behutsam und wie probierend den Arm um ihren Nacken. Es war eine Berührung ohne Aufdringlichkeit. Trotzdem wischte sie leicht mit den Fingern über ihre Schulter und streifte ihn ab. Bernerdin lächelte mühsam. Louise vermied es, Franziska anzusehen; sie grübelte beständig darüber nach, wie sie ihr helfen könnte.

      Inzwischen kam die Kutsche im Klosterbezirk an. Leutrum bemühte sich um die Damen, die ihre Reifröcke mit zierlich vorgestreckten Füßen aus der Wagentür quetschten.

      Franziska hielt die Schwester zurück. Die übrigen traten ins Haus, um das Essen zu bestellen.

      „Kannst du dir denken“, flüsterte Franziska scheu, „daß der einmal ein ausgelassener Bub war? Und er soll erst dreiundzwanzig sein!“

      „Das Jungsein hat ihm wohl die Hofettikette ausgetrieben“, tröstete Louise halblaut. „Aber wir müssen jetzt hinein.“

      Nach


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