Franziska von Hohenheim - Die tapfere Frau an der Seite Carl Eugens. Utta Keppler

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Franziska von Hohenheim - Die tapfere Frau an der Seite Carl Eugens - Utta Keppler


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gebe keinen mehr, der es wage, die kühnen hölzernen Gewölbekonstruktionen des Meisters auszuführen. Man erzähle, daß sein Sohn an einem vereinfachten Plan arbeite, der freilich wohl nur einen großartigen Torso zutage bringen würde.

      Leutrum plauderte angerept und unermüdlich über Baukunst – er hatte vorher einiges Passende gelesen. Er deutete in die Wölbungen der Decke, wo der Maler Knoller seine Fresken auf dem Verputz skizziert hatte.

      Bernerdin wollte den Künstler besuchen, aber Knoller war nicht bei seinem Werk. Oft genug – klagten die frommen Brüder bekümmert – hingen nur seine Stiefel oben, er selber sitze in der Klosterschenke statt auf dem Gerüst. Und dabei sehe es von unten aus, als arbeite er demütig und hingegeben an irgendeiner irdischen Rundung oder himmlischen Schwingung. Es sei ein Jammer mit den Herren Künstlern!

      Da die Bemalung sich erst in matten Wolken, in schwebenden Farbtönen zeigte, wirkte die Architektur der Bögen um so stärker. Die Balustraden und Gewölbeecken öffneten immer neue Durchblicke. Es war, als vollziehe sich ein großartig bewegtes Theater für die Augen, als schwebten und wogten die Formen in feierlichem Rhythmus gegeneinander. Franziska starrte gebannt hinauf und zog mit dem Finger die Linien in der Luft nach, als wollte sie den großen Plan aufzeichnen.

      Während der Rückfahrt sprach Bernerdin über die vielfältigen religiösen Strömungen in dem kleinen Württemberger Land und merkte, wie ein Schatten über Leutrums flache Stirn lief, als er mit Sympathie von den Pietisten reden hörte. Sie seien das Salz der Kirche, meinte der Freiherr, auch wenn man es nicht immer wahrhaben wolle. Sie hätten einen tiefen Ernst und eine Einsicht in die Lage des Volkes, von der man bei Hof manches annehmen dürfte.

      „Aber sie murren oft genug, und ihre Prediger halten nicht immer die gebührliche Subordination ein, sie haben hier und dort etwas auszusetzen am allergnädigsten Fürsten; Serenissimus liebt keinen engeren Kontakt mit diesen kleinen Leuten, so generös er sonst in Sachen der Konfession ist!“

      „Er kümmert sich überhaupt nicht um die Religion“, tadelte Bernerdin, „und das ist etwas ganz anderes als bei seinem königlichen Oheim in Brandenburg – der gönnt es jedem, die Seligkeit auf seine Façon zu erlangen, und hält doch alle in der Ordnung.“

      „Friedrich“, murrte Leutrum gelangweilt, „der sich als Mentor unseres allerhuldreichsten Fürsten aufwirft, weil er seinen Ehevertrag mitgarantiert und ihm in seinen Anfängen etliches geholfen hat … Wir machen uns immer unabhängiger von ihm, und wenn er die Subsidienverträge nicht gutheißt …“

      Bernerdin schlug sich mit der Hand aufs Knie. „Den Soldatenhandel sollte er längst verbieten und nicht befehlen, der Herzog! Menschen verkaufen! Aber dahinter steckt dieser Schmeichler Montmartin, dieser gewissenlose, charakterlose … und das will ein Mann von Adel sein, ein Graf? Und der oberste Minister in Wirtenberg?“

      „Soldatenhandel?“ warf Leutrum hin, „es tun’s doch alle: Der Hesse, der Bayer, alle brauchen Subsidiengelder, und wer zahlen kann, kriegt, was er will.“

      Bernerdin schwieg.

      Da unterbrach Leutrum die mißmutig lastende Stille mit einer Einladung. Man müsse doch das Corps de Logis in Ludwigsburg besehen und das kleine Palais, das den Kammerherren und Reisemarschällen zustehe, unter die er sich bald zu zählen hoffe. Niemand widersprach. Frau von Bernerdin verneigte sich zustimmend. Leutrum dankte; er freue sich ungemein, sagte er höflich. Aber dann verfiel er wieder in sein trübseliges Sinnieren. Nach der Heimkehr nahm er keinen Imbiß mehr an, verabschiedete sich rasch und schaute nicht zurück, als seine Karosse gegen die Wälder einbog. Da saß er versponnen und niedergedrückt in der Wagenecke und spielte mit seinen Ringen. Er sah sich wieder im Neresheimer Klostergewölbe, unter Pfeilern und Laibungen.

      „Der Neumann hat’s aufs Papier gerissen“, grübelte er, „nur die vollkommene Gestalt hat er nicht mehr erlebt. Ein gigantischer Wurf. Aber jetzt wird’s verstümmelt und vertan, und was bleibt, ist ein Krüppelgewächs – wie ich!“

      Der Ludwigsburger Schloßhof lag im Mittagslicht. Louise lief. Glücklicherweise hatte sie noch keiner gefragt, wer sie sei und wo sie hin wolle. Drunten im Park saßen die Ihrigen mit Leutrum und schwatzten. Man versuchte das neue, in Italien erfundene Eisgericht, das Casanova eingeführt hatte. Louises „kleiner Gang durch die Parkwege“ hatte bisher niemanden beunruhigt.

      „Ich werde die Leute vom Hof nicht anreden“, dachte Louise am Tor, „hier können mir ja die kleinen Kinder sagen, wo ich den Herzog finde.“

      Im weiten Umkreis des Innenhofs lagen die Schloßgebäude. Sie schaute sich neugierig um. Drüben ging ein Diener mit einem Korb voll Weinflaschen auf eine Tür zu, aber ehe sie ihm nahe genug war, um zu rufen, verschwand er schon im Eingang.

      Da kam wieder ein älterer Livrierter quer über die Hofbreite, langsam, als müßte er seine Würde samt seinen weißen Strümpfen deutlich zur Schau stellen. Louise ging auf ihn zu. „Verzeihen der Herr, bitte“, redete sie ihn an, da er ihr durchaus einige Stufen über den Adelmannsfelder Bedienten zu stehen schien. Der Lakai drehte sich erstaunt um; er hatte die junge Dame im Vorbeigehen ganz richtig als ländliches Adelsfräulein eingeschätzt und wunderte sich, daß sie allein kam. „Sie befehlen, Mademoiselle?“ fragte er bereitwillig.

      „Ist der Herzog hier?“ entfuhr es der aufgeregten Louise. Der Diener wurde um einige Grade steifer und legte die behandschuhten Finger an die Hosennähte. „Seine Durchlaucht erteilen seit acht Uhr Audienzen“, rapportierte er in dienstlichem Ton. „Sind die gnädige Demoiselle dafür vorgemerkt?“ Louise stockte nur einen Moment. Aber hier bot sich ihr das Stichwort, das sie brauchte. „Allerdings, und dringlich!“ stieß sie hervor, und wiederholte noch einmal: „Ganz dringlich!“

      „Und wen darf ich dem diensttuenden Kammerherrn melden lassen?“

      „Meld Er“ – sie verbesserte sich – „melden Sie die Demoiselle de Bernerdin in einer ganz persönlichen Angelegenheit!“

      „Jawohl, Euer Gnaden“, bestätigte der Alte devot und verbeugte sich, nicht ganz so wie vor den herzoglichen Verwandten, aber doch wie man etwa eine der Hofdamen oder eine Freundin der Hauptmaitresse grüßte. Louise wurde in einen Vorraum gebeten, sie sah vor zitternder Erwartung gar nicht, in welches Gebäude, durch wie viele Flure und Türen es ging; und dann wurde sie ersucht, auf einem der seidenen Stühlchen Platz zu nehmen; sie tat es nur mit einem winzigen Teil ihrer selbst, so daß sie gerade noch vor dem Abrutschen bewahrt blieb. Um sie herum saßen und standen allerlei Leute, sie verschwammen vor Louises Augen zu einer undeutlich wogenden Masse, fast wie bunte Fische im Aquarium.

      Ein dunkel gekleideter Herr mit Orden erschien unter einem geschnitzten Portal und ließ sich von einem rotbefrackten Lakaien die Neuhinzugekommenen nennen; Louise war darunter. Ihr erster Begleiter hatte ihren Namen mit bedeutsamer Miene angegeben, und betont wurde er jetzt weitergeflüstert, nachdrücklich dem Minister, geheimnisvoll schließlich dem Herzog gemeldet … Carl Eugen hörte schon seit Stunden Anliegen und Anerbieten und war müde; als ihm aber eine ansehnliche junge Dame von Adel präsentiert wurde, ließ er sie schon nach einer Viertelstunde hereinkomplimentieren.

      Louise war ein wenig verstört, durchs Warten ängstlich geworden, und wischte verlegen über ihr wirres Haar, zupfte am Ausschnitt, strich über die Rockfalten. Sie trat in ein kleines Kabinett, trippelte vorsichtig über spiegelndes Parkett und wagte nicht aufzuschauen. Endlich – knapp vor dem Schreibtisch, sank sie zu dem gelernten Hofknicks zusammen. Sie rutschte ein wenig aus mit dem zurückgestellten Fuß, schwankte halb in der Hocke, trat auf die Rockrüsche und fiel vollends zu einem unbeabsichtigten Fußfall nieder. Sie schaute verzweifelt auf, sah schwarze ausgeschnittene Lackschuhe, weißseidene Hosen mit goldenen Strumpfbändern, sie registrierte alles mit der Exaktheit der Verzweiflung. Ein leises gurrendes Gelächter rollte sanft über sie hin, sie lag noch immer hingegossen in ihren fließenden Kleiderfalten und riskierte es endlich, den Kopf ganz zu heben.

      Carl Eugen lächelte aus kleinen Augen. Er beugte sich ein wenig vor und bot ihr die Hand zum Aufstehen. Dann warf sie den ersten bewußten Blick auf ihn: Ein starker, sehr selbstgewisser Mann saß vor ihr, gewichtig und überlegen. Die gewölbten Brauen waren hochgezogen,


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