Franziska von Hohenheim - Die tapfere Frau an der Seite Carl Eugens. Utta Keppler

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Franziska von Hohenheim - Die tapfere Frau an der Seite Carl Eugens - Utta Keppler


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Sommer ging hin. „Hier in Pforzheim hab’ ich nicht viel von Blumen und Bäumen, auch wenn du mich ausfährst, Reinhard“, sagte Franziska traurig, „laß mich doch einmal heim nach Adelmannsfelden, ich hab’ dort viel zu bereden, meine Kleider möchte ich selber in Ordnung bringen, und erst kürzlich ist mein Vater krank gewesen – wer weiß, wie lang er’s noch macht.“

      „Unsinn, Frau“, Leutrum sah kaum auf und duckte den großen Kopf hinter einem Nachrichtenblatt, „dort ist nichts für dich zu lernen, was einer Dame von Stand zukommt, zwischen den Kühen und Geißen und Hennen – was willst du bei denen?“

      „Du hast mich da herausgeholt und hast gewußt, woher ich kam“, sagte sie vor sich hin; dann hob sie die Augen, als hoffte sie, doch noch verstanden zu werden. „Es sind ja die Eltern und es ist ein altes, gutes Geschlecht – nichts Unrechtes haben sie mir mitgegeben.“

      Leutrum wurde das Thema langweilig. „Geh, wenn’s dir so viel gilt“, warf er hin, „aber bleib nicht zu lang – ich mag mich nicht anstieren lassen, nur weil meine Frau nicht hier ist.“

      Sie schaute auf, spürte seinen unsicheren Blick und fürchtete, er nähme die Zusage zurück. „Danke – das ist eine gute Aussicht –“, sprach sie schnell in sein Gesicht hinein. „Der Herbst ist schön bei uns, ein paar Wochen beim Äpfelpflücken … und die große Stube ist warm und gemütlich.“

      Leutrum sagte nichts mehr. Er rief den Hund, der in der Ecke schlief, und ging hinaus. Unter der Tür drehte er sich um. „Du dozierest heut wie ein Buch und gar nicht mehr so schwäbisch – ist das dem Heimfahren zulieb?“

      Franziska mußte ihm innerlich recht geben. Unbewußt wurde ihre Sprache steifer und gemessener, wenn sie mit Leutrum zu tun hatte, weich und ohne Zwang fühlte sie sich nie bei ihm. Aufwachen und keine Angst haben, dachte sie sehnsüchtig, und sich nicht grausen vor dem, was am Abend war und wieder sein würde!

      Ein paar Tage später kam er angetrunken heim – er sah häßlich aus, wenn er, verschwollen vom Wein, mit glitzernden kleinen Augen, in einer meckernden Angeregtheit hereintrat. Franziska kannte ihn so. Aber sie hatte in den Monaten, die sie mit ihm zusammenlebte, gelernt, ihm zu begegnen: mit freundlicher Aufgeräumtheit, damit er nicht spürte, wie sie sich zusammennahm. Ruhig, mit einer Handbewegung, lud sie ihn zu sich ans Tischchen, das ihr die Zofe gerade gedeckt hatte. Sie schenkte ihm Tee in ihre Tasse, noch ehe eine zweite gebracht wurde, lächelte und reichte ihm Konfekt. Dann erzählte sie beiläufig, der Medikus Raiser sei eben dagewesen, nur einer privaten Visite halber, ohne Anlaß. Und er habe sie gefragt, warum sie so durchscheinend blaß aussehe, und sie habe ihm gesagt, es sei leider nicht das, was sie gern als Grund gesehen hätte; er habe darauf gemeint, so möchte sie doch die Landluft suchen, ein paar Wochen, das helfe oft auch dazu.

      Leutrum nickte verlegen und riet jetzt selber, aufs Land zu reisen. Sie werde glücklicher, robuster, lebhafter zurückkehren.

      Schon zwei Tage später fuhr Franziska nach Adelmannsfelden. „Ich hab’ geschwindelt“, beichtete sie abends Louise, „denn es wär mir bang und angst, wenn ich Kinder haben sollt vom Leutrum; aber darauf hat er mich endlich reisen lassen.“

      „Morgen kommt Besuch, oder eigentlich nur einer, der sich vorstellt“, berichtete die Schwester später, „ein junger Mann, der sich beworben hat, den Kleinen Unterricht zu geben. Der Dorfschullehrer ist ein Schafskopf, und den Weber hat ja der Vater verjagt – leider!“

      Anderntags rückte in einem rumpeligen Postwagen ein Mann an, der sich erst von der Station zum Schloß durchgefragt hatte, ein rundlicher, rotbackiger Mensch, nicht allzu ordentlich angezogen, mit kleinen feurigen Augen und einer hohen Stirn. Er kam aus Geislingen, wo er Schullehrer war, und hieß Friedrich Christian Daniel Schubart. Franziska führte ihn zum Vater, und solange er auf den Freiherrn wartete, unterhielt sie ihn munter; seit sie wieder zu Hause war, schwatzte sie gern. Er stellte sich vor, mit einem ungewandten Bückling, bei dem ihm das Blut in die Stirn schoß. Der dunkelblaue Schoßrock stand hinten weit ab, die Gestalt wirkte im Aufrichten voll und gedrungen; das ließ ihn älter erscheinen als er war, achtundzwanzig Jahre …

      Die flinken klugen Augen intensiv auf die junge Frau gerichtet, seufzte er: „Solche Mode und solche Haare und Hände gibt es freilich nicht zu Geislingen, und daß es sie zu Adelmannsfelden im Ellwängischen gäbe, hätt ich niemals gedacht!“ Franziska lachte ihn an. „Nein, bei meiner Ehr!“ schwärmte Schubart weiter, „da wird man zum Dichter, so man’s nicht eh schon ist! Der Lippen Purpur, ihre Wangen / Dran tausend Amoretten hangen …

      Sie lachte lauter. „Herr Schulmeister, das wär’ aber ein bißle schwer – da hätt’ ich demnächst die reinsten Hängebacken von Ihren tausend Amoretten!“ rief sie.

      „Es kommt mir von selber, das Reimen“, entschuldigte er sich, „es fließt wie geschmiert, so das Fäßlein angestochen wird!“

      „Ich hab’s aber nicht angestochen!“ Sie konnte vor Vergnügen kaum sprechen. „Und wenn der Herr Vater Sie so reden hört, Herr Schubart, stellt er Sie bestimmt nicht ein für die Juliane und die Eberhardine, das kann ich Voraussagen!“

      Der junge Dichter setzte eben zu einer neuen Beteuerung an, als der Freiherr hereintrat. Eilig, sorgenvoll und kritisch beschaute er den Aspiranten, der hastig aufgesprungen war.

      „Er kommt aus Geislingen und ist gebürtig aus Aalen?“ fragte Bernerdin streng.

      „In Aalen aufgewachsen, aber geboren zu Sontheim.“

      „So, so, evangelisch?“

      Sein Vater sei Diakon zu Aalen, erwiderte Schubart.

      „Gut.“

      Und er sei jetzt in Geislingen Lehrer, aber wenig befriedigt – ein geringes Entgelt, obwohl er nicht anspruchsvoll sei, und in der Schule schmutzige Buben, ungebärdige und …

      „Schon recht“, unterbrach der Freiherr, „das kennen wir alles. Fragt sich aber, was Er weiß!“

      „Ich bin Theologe, wiewohl kein fertiger Pfarr’“, kam die Antwort kleinlauter, „und beherrsche die griechische und lateinische Sprache, Französisch hab ich mir eingetan, Orgel spiel’ ich und das Clavizimbel, auch Harfe und Gitarre und Flöte.“

      „Da ist Er ja mehr ein Musikus denn ein Lehrer?“ „Sprache und Stil üben ist meine Freude – bin im Briefwechsel mit dem Wieland aus Biberach und dem Haug und Böckh …“

      Dem Baron sagten die Namen nichts. „Kann er überhaupt mit kleinen Mädchen umgehen? Die meinen sind zwölf und acht, Mann!“

      „Ich hab’ selber ein Julchen“, erklärte der Besucher scheu und leuchtete auf dabei, „ein herzig’s Ding! Lernt grad laufen! Und ein Söhnchen hab’ ich auch, Ludwig.“

      „So, so“, machte Bernerdin und schaute sich den möglichen Lehrer seiner Töchter genau an. „Und wie kommt Er vom Schuldienst frei?“

      „Das ist keine Sorge, Herr Baron, das ist wie der Aufflug eines Vögleins aus der Misere, aus dem engen, dreckigen Nest unterm Stalldach – das will ich schon schaffen!“

      Er müsse aber doch noch Zeugnisse haben, sagte der Freiherr, über Gebaren und Lebenswandel und sittliche Führung, und seine religiöse Stellung sei wichtig, da er ja anscheinend die Theologia nie ganz zu Ende geführt habe – wieder streifte ein herrischer Blick den Bittsteller –, „und, Er sieht mir aus, als sei Er dem Glase nicht abhold gesonnen!“

      Schubart wurde rot; er ärgerte sich. „Ich bin ein Dichter, halten zu Gnaden, hab’ bekannte Poema drucken lassen und bin auch Organist und Chorleiter; mein Schwieger ist der Oberzoller von Geislingen, ein geachteter Mann …“

      „Hab’s gehört“, brummte Bernerdin. „Mit denen Poeten hab ich nicht die besten Erfahrungen gemacht!“

      Franziska mischte sich erschrocken ein. Es wäre doch gut und hilfreich für die Mädchen, wenn sie einen so vielseitigen und vielbekannten Mann zum Lehrer bekämen, meinte sie drängend.

      Der Vater nickte; er wolle


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