Letztes Blind Date - Norwegen-Krimi. Magnhild Bruheim

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Letztes Blind Date - Norwegen-Krimi - Magnhild Bruheim


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aus der Distanz zu betrachten. Als Erstes fiel ihr auf, dass sein blondes Haar dünner war, als sie es sich vorgestellt hatte. Die Beine waren kürzer. Vielleicht war er ein wenig o-beinig. Aber warum mit den Mängeln beginnen? Er war höflich, freundlich, ein Mann, der einem in die Augen sah. Aus den E-Mails wusste sie, dass sie gemeinsame Interessen hatten. Er hatte Kontakt zu ihr aufgenommen, nachdem er ihr Profil gelesen hatte.

      Tones Chataktivitäten hatten mit der Idee zu einer Sendereihe begonnen. Sie wollte eine Reportage über die verschiedenen Methoden der Partnersuche von Singles machen. Eine davon war das Internet. Sie loggte sich in einen Chatroom ein und erstellte ihr Profil. Ehe sie sich versah, wurde sie mit E-Mails von unbekannten Männern überschwemmt. Warum nicht einen Schritt weiter gehen?, dachte sie. Warum nicht einen oder zwei der Männer treffen und sehen, was passiert?

      Mit einem von ihnen war sie jetzt verabredet. In den Mails war sie forsch aufgetreten, hatte geschrieben, dass sie Herausforderungen liebe. Dass sie sich für Bergsteigen, Gletscherwanderungen und Wildwasserfahrten interessiere, aber niemanden habe, mit dem sie diese Sportarten betreiben könne. Er hatte geantwortet, dass er gerne mitmachen wolle. Im Laufe des Abends sollte sich zeigen, wie risikobereit sie wirklich waren.

      Håkon Arfoss kehrte dem Bartresen den Rücken und kam mit einem Weinglas auf sie zu. Tone versuchte, die Gedanken an die tote Frau aus ihrem Kopf zu verbannen. Sie konnte jetzt nicht über sie reden, nicht mit einem Fremden. Die Lokalnachrichten um 18 Uhr hatten berichtet, dass die Polizei das Gebiet um den Fundort der Leiche abgesperrt hatte. Das konnte nur bedeuten, dass etwas an ihrem Tod verdächtig war. Vielleicht konnte sie den Vorfall ganz beiläufig erwähnen. Sagen, dass sie zufällig im Radio davon gehört hatte.

      »Prost, auf unsere Verabredung!«, Tone hob ihr Weinglas. Der Wein war sauer. Billiges Gesöff, dachte sie.

      Er antwortete, indem er das Pilsglas hob, das er schon zur Hälfte geleert hatte. »Findest du die Situation eigentlich merkwürdig?«, fragte er.

      »Natürlich ist sie irgendwie merkwürdig«, sagte Tone und begegnete seinem festen Blick. Seine Augen schienen grau zu sein, doch konnte das Licht in der Bar auch täuschen. »Sehr merkwürdig«, antwortete sie und versuchte sich an einem Lachen.

      »Hast du dich schon mit vielen Männern getroffen?«, fragte er direkt. In den Mails hatten sie darüber nichts geschrieben.

      Eigentlich kann ich auch ehrlich sein, dachte sie und sagte: »Mit drei oder vier.«

      »Drei oder vier?«

      »Mit dir sind es vier. Und du?«, fragte sie schnell zurück.

      »Zwanzig, dreißig«, lachte er. Tone lachte nicht. »Das war etwas übertrieben«, fügte er hinzu und lächelte. Seine Zähne waren gerade und schön. »Ungefähr so wie du. Vier oder fünf vielleicht.«

      »Wie lange machst du das schon?«

      »Bald ein halbes Jahr. Ohne die Richtige gefunden zu haben.« Es war schwer zu sagen, ob er versuchte, einen Scherz zu machen, oder ob er es ernst meinte. »Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf. Und du?«

      Und sie? Was sollte sie darauf antworten? Sie hatte ihm nichts von der Sendereihe erzählt. »Mit einigen habe ich immer noch E-Mail-Kontakt«, sagte sie ausweichend. »Mehr nicht.« Tone hatte keine Lust, über die anderen zu reden. Das war privat. »Hast du wenigstens Leute gefunden, mit denen du ein paar Touren machen kannst?«

      »Doch schon, ich war ein paarmal unterwegs«, sagte er ohne Begeisterung. Vielleicht war es nicht der große Erfolg gewesen? Ihr kam der Gedanke, dass er nicht gerade wie ein hartgesottener Bergsteiger aussah. Dass er nur eine große Klappe hatte, genau wie sie. Vor dem PC sah alles so einfach aus.

      Das Handy in ihrer Handtasche unterbrach die schleppende Unterhaltung. Es war das Lokalradio. Tone entschuldigte sich und ging nach draußen. Eine Mitarbeiterin des NRK wollte sie live in der Morgensendung haben. Tone hatte die Leiche gefunden und jetzt sollte sie den Hörern von ihrem Erlebnis erzählen.

      »Weißt du etwas Neues – ich meine, weil die Sache jetzt im Radio kommt?«, fragte Tone.

      »Der Todesfall ist verdächtig. Die Polizei ermittelt«, sagte die Journalistin. »Das haben sie gerade bestätigt.«

      Tone war schwindelig, sie musste sich an die Wand lehnen. Sie hatte es die ganze Zeit geahnt, doch es in klaren Worten bestätigt zu bekommen, war etwas anderes.

      »Hallo, bist du noch da?«

      »Das hat mich jetzt erst einmal umgehauen«, brachte Tone hervor. Im Moment hatte sie nicht die geringste Lust, im Radio über ihr Erlebnis zu berichten. Sie müsse darüber nachdenken, sagte sie. »Außerdem kann ich morgen früh nicht«, fügte sie hinzu.

      »Wir können jetzt eine Aufnahme machen«, sagte die Journalistin eifrig.

      »Ich bin gerade bei einem Geschäftsessen«, schwindelte Tone, da ihr nichts Besseres einfiel. Es war albern, sie ging nie zu Geschäftsessen. Aber sie wusste aus Erfahrung, dass es nichts brachte, mit Zweifeln zu argumentieren.

      »Das muss ein schreckliches Erlebnis gewesen sein«, lockte sie die Journalistin voller Verständnis.

      »Ich war geschockt«, sagte Tone, froh, darüber reden zu können. »Ich habe ja nur einen Waldspaziergang gemacht ... und plötzlich stand ich vor einer Leiche.« Unversehens war sie mitten in einem längeren Bericht.

      »Du schilderst das sehr lebendig«, sagte die Journalistin, nachdem sie mehrere Minuten miteinander geredet hatten. »Kannst du das nicht einfach für eine Aufnahme wiederholen? Es dauert auch nicht lange.«

      »Leider nicht«, sagte Tone bestimmt. Sie musste die Eindrücke sortieren, bevor sie im Radio einfach drauflosplapperte. »Ich rufe dich an, wenn ich hier fertig bin. Falls es nicht zu spät wird.«

      »Was war dein erster Eindruck, als du mich heute Abend gesehen hast?«, fragte er, als sie später im Restaurant saßen und auf ihr Essen warteten.

      »Ich weiß nicht«, sagte sie, kam jedoch zu dem Schluss, dass sie ruhig ehrlich sein konnte: »Dass du keine Ähnlichkeit mit dem Bild hast, das ich mir von dir gemacht habe.«

      »Hattest du einen Robert-Redford-Typen erwartet?«, fragte er und lächelte.

      »Brad Pitt trifft es eher«, sagte sie schnell. Sie fühlte sich langsam wohler, weil sie merkte, dass er nicht ganz ohne Charme war. »Und du? Hast du gehofft, eine Julia Roberts zu treffen?«

      »Daneben. Sie ist nicht mein Typ«, antwortete er. »Aber ich gebe zu, dass ich mir dich ... ein bisschen anders vorgestellt habe.«

      »Dunkel und geheimnisvoll?«

      Er lachte wieder. »Ich wusste, dass du blond bist, das hast du erzählt. Aber da du geschrieben hast, dass du dich für Risikosport interessierst und Herausforderungen liebst, hatte ich mir dich nicht ... so feminin vorgestellt, ja, vielleicht ist es das. Aber ...«, er hob das Glas, um ihr zuzuprosten, »feminine Blondinen gefallen mir am besten.« Er machte einen selbstsicheren Eindruck, selbstsicherer, als sie zuerst gedacht hatte.

      »Du meinst dumme Blondinen?«, rutschte es ihr heraus.

      »Ganz im Gegenteil. Blondinen können äußerst klug und gefährlich sein«, sagte er und zwinkerte ihr zu. »Was dich angeht, halte ich dich für eine Frau mit unterschiedlichen Seiten. Die womöglich etwas zu verbergen hat. Etwas, das sie nicht erzählen will.«

      Tone kam sich irgendwie interessant vor. Fast hätte sie ihm von ihrem Erlebnis im Wald erzählt. Das Gespräch mit der Journalistin ging ihr durch den Kopf. Die Polizei hielt den Todesfall für verdächtig. War es Mord? Sie griff nach ihrem Glas und versuchte, etwas zu sagen, was mit all dem nichts zu tun hatte. »Ich musste gerade an eine Sendung denken, an der ich arbeite«, sagte sie.

      »Apropos Sendung ..., ist deine Sendung über die Tanzveranstaltung für Singles schon ausgestrahlt worden?«

      »Sie kommt am Freitag.«

      »Wenn ich kann, höre ich sie mir an«, sagte er. »Du hast einen interessanten Job.«

      »Und


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