Das Geheimnis von Fuensanta - Krimi. Rudolf Stratz

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Das Geheimnis von Fuensanta - Krimi - Rudolf Stratz


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braucht euch nicht jetzt schon unter die Stühle zu verkriechen! Ich empfange ihn unter vier Augen! Ich lasse ihn nicht aus dem Zimmer, ehe er mir gesteht, was er mit der Elfi gemacht hat.“

      „Was sagt er denn bis jetzt?“

      „Mit eiserner Stirne und schlecht gespielter Überraschung: Er wisse von nichts!“

      „Und wenn er dabei bleibt?“

      „Dann wüssen wir mit allen Kräften auf andere Weise die Wahrheit entschleiern! Wie, Mama? Dein Gedankenleser — von damals — mit dem gestohlenen Teeservice — ach — ich bitt’ dich — das ist ja reiner Unsinn! Herr Gilg!“ Male Matteis eilte dem eintretenden glattrasierten und respektablen Fünfziger entgegen. „Bestellen Sie Ihr Haus! Verabschieden Sie sich von Ihrer Familie! Sie müssen heute noch nach Spanien fliegen. Ich brauche Sie dort, weil ich doch kein Wort Spanisch verstehe. Ich komme mit achthundert Kilometer täglich im Auto hinterher. Bitte, schicken Sie mir mal gleich den Werkmeister, den Giesebrecht! Ich treffe mich mit Ihnen an der Pyrenäengrenze! Wie? Ja! Ich muss in Spanien das Rätsel des Verschwindens meiner Schwester lösen! Mama — lasse mich um Gottes willen mit deinem Hellseher Strohmeyer in Ruhe! Schreiben Sie mir genau die Route auf, Herr Gilg! Ich schicke Ihnen meinen Pass! Besorgen Sie die ganze Wirtschaft auf dem Konsulat! Verlieren Sie keine Minute! Ich hab’ jetzt nicht die Zeit, Ihnen alles zu erklären! Also auf nachher! Adieu! Adieu! —

      „Herrgott! Ihr macht mich direct nervös mit eurem Gedankenleser!“ Male Matteis wandte sich zu der Mutter und den zappelnden Tanten. „Das weiss ich, dass der gute Mann drüben in der Frankfurter Allee wohnt — nur ’ne Viertelstunde mit dem Auto von hier! . . . Aber mir ist jetzt die Zeit wirklich für solche Kindereien zu kostbar!“

      „Du hast recht! Das sind heidnische Experimente, aber nichts für gutr Christen!“ bestätigte der Pfarrer. Male warf ungeduldig den Kopf zurück.

      „Du machst einen ganz rebellisch, mit deiner salbungsvollen Art, Onkel! Du erreichst gerade das Gegenteil! Ich bin ein ganz moderns Mächen! Warum sollte ich nicht an Hellseherei galuben? Ich tu’s bloss nicht, weil ich zu nüchtern veranlagt bin! Das ist mein persönliches Pech! Gott sei Dank, Giesebrecht: Da sind Sie! . . . Kommen Sie mal fix daher!“

      Paul Giesebrecht, der Berufsrennfahrer der Fabrik, war ein breitschulterig untersetztes, langsames, nervenloses Geschöpf, Voll eherner Ruhe auf dem vollmondrunden, gutmütig bartlosen, hamsterbärtigen Antlitz mit den kleinen, schläfrig halbgeschlossenen Augen. Male nahm ihn vertraulich bei der Hand.

      „Wir müssen zusammen nach Spanien fahren, Paule,“ sagte sie atemlos. „Wann? Heute noch! In ein paar Stunden! Richten Sie unseren mordsbesten Wagen! Wir lösen uns gegenseitig am Steuer ab! Dann kommen wir schon schnell genug durch Europa! Es ist ja jetzt im Juni so lange hell! Herr Gilg fliegt voraus! Auf Wiedersehen! Martha — packen Sie meine Sachen in den Autokoffer! Martha! Wo steckt denn wieder die Martha?“

      „Es hupt draussen!“ verkündete die Primanerin Lotte bang.

      „Es fährt ein Taxameter vor!“ Die Stimme des Pfarrers schwankte unsicher.

      „Der Onkel Christof sitzt darin!“ schrie der Bankbeflissene.

      „Er springt heraus!“

      „Er läuft ins Haus!“

      „Martha . . . sind Sie endlich da?“ sagte Male Matteis ruhig. „Herr Vohwinkel? Ja. Ich habe ihn schon gesehen! Führen Sie meinen Schwager in das grüne Zimmer! Ich komme gleich!“

      Der schöne Mann stand stumm in der Mitte des Gemachs. Leise öffnete sich die Tür ein wenig. Males hübscher Kopf spähte misstrauisch durch den Spalt nach dem Besucher.

      „Geh mal bitte bis zum Fenster hin!“ sagte sie. „So! Danke!“ Sie trat vorsichtig, auf den Fussspitzen ein und setzte sich hart neben der Türe auf einen Stuhl, den Blick immer fest, wie eine Löwenbraut im Käfig, auf den dunklen Schattenriss ihres Schwagers drüben vor der hellen Scheibe gerichtet.

      „Bitte — nimm dort Platz! Auf dem Fauteuil neben dem Fenster! Komme mir nicht näher! Du erlaubst schon, dass ich der Vorsicht halber die Breite des Zimmers zwischen uns lege! Ich bin darin komisch! Ich hab’ es nicht gern, am Hals gewürgt zu werden. Auch nicht von den nächsten Verwandten! —

      Was diese Art von Familienleben betrifft,“ Male Matteis öffnete, unter einem Stoss Zeitungsblätter, die sie in der Linken hielt, hervor die rechte Faust. In der Handfläche ruhte schussgerecht ein winziger Revolver. „Bilde dir nicht ein, dass das ein Kinderspielzeug ist! Das Ding ist scharf geladen! Es schiesst und trifft! Ich hab’ es auf den Lendstrassen immer im Auto mit! Das nur beiläufig! Du verstehst . . .“

      „Ich habe gar keine Waffe bei mir!“ Der Architekt Vohwinkel murmelte es in einem müden, beinahe gleichgültigen Ton. Er sass, in der Haltung eines ganz erschöpften Menschen, am Fenster, die Hände auf den Knien ineinander gekrampft, bleich in dem hellen Tageslicht. Vonder Wand blickte, in Öl und Gold, der verstorbene Fabrikant Matteis, ein bärtiger, energischer Charakterkopf, auf seine hübsche Tochter und seinen schönen Schwiegersohn nieder. Der schwieg. Starrte vor sich hin. Es zuckte unstet über seine verstörten Züge. Sein Mund stand halb offen. Er schluckte zwei-, dreimal, bis er ihm gequält ein paar leise, gepresste Worte abrang.

      „Ich weiss, Male . . . Du bist innerlich ein leidenschaftlicer Mensch . . . Bei dir geht alles tief . . .“

      „Von mir ist nicht die Rede!“

      „. . . wenn du auch nach aussen noch so kühl und flott auftrittst!“ Christof Vohwinkel holte sich sein Taschentuch heraus und trocknete sich den kalten Schweiss von der Stirne.

      „Bitte — komm zur Sache!“

      „Ich weiss, dass du mich hasst, so wie du eben hassen kannst — weil du die Elfi geliebt hast, so wie du lieben kannst . . .“

      „Was willst du hier?“

      „. . . und dass du sie furchtbar an mir rächen willst . . .“

      „Ein Verbrechen rächt man nicht, sondern man bestraft es. Und das ist nicht meine Sache, sondern die der Gerichte, die dich unbegreiflicherweise immer noch auf Berlin loslassen . . .“

      „. . . weil sie wissen, dass ich unschuldig bin! Und das weisst auch du!“ Der Architekt warf seiner Schwägerin einen verzweifelten Blick zu. In seinen weichen, südlich dunklen Augen flehte die stumme Angst eines gehetzten Tiers. „Du bist doch eine Frau! Du bist doch ein Mensch! Du kannst doch nicht kaltblütig, wider besseres Wissen, einen Menschen morden . . .“

      „Ich?“

      „. . . indem du behauptest, ich hätte meine Frau ermordet!“

      „Sage doch, wo du während ihres Todes warst! Aha — du schweigst!“

      „Sage du lieber . . .“ Christof Vohwinkel richtete sich, wachsgelb im Gesicht, langsam, wie ein erwachender Scheintoter auf. Male Matteis umfasste umwillkürlich, mit einem prüfenden Blick auf ihn, den Kolben ihres Damenrevolvers. „. . . Sage du lieber, ob du nicht in der Zeit, wo ich nicht dort war, in Fuensanta warst und im Einverständnis mit der Elfi ihren angeblichen Tod in Szene gesetzt hast!“

      „Glaubst du immer noch an den hellen Unsinn?“

      „Die Elfi selber ist ja zu so etwas unfähig! Du must ihr geholfen haben!“

      „Warum bist du nicht, wenn du in dieser Geistesverfassung bist, im Sanatorium geblieben?“

      „Du hast es dort fertig gebracht, den leeren Sarg zu verschliessen . . .“

      Male Matteis stand behutsam auf, ging Fuss vor Fuss bis in die Mitte des Zimmers und legte die Zeitungen, die sie in der Hand hielt, dort auf den Tisch. Dann schritt sie rücklings, mit dem Gesicht gegen ihren Schwager, nach der Türe zurück und setzte sich.

      „Es sind alte Nummern, vom vorigen Jahr, die daliegen!“ sagte sie. „Hole sie dir und lese sie bitte am Fenster! Du findest in jeder Nummer, durch acht Tage, meinen Namen als Teilnehmerin an der österreichischen Zuverlässigkeitsfahrt genannt. Es sind genau


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