Das Geheimnis von Fuensanta - Krimi. Rudolf Stratz

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Das Geheimnis von Fuensanta - Krimi - Rudolf Stratz


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ich hätte meine Frau umgebracht . . . ich meine Frau . . .“

      „Vielleicht versuchen Sie, ein wenig zu schlafen! . . .“

      „. . . meine Frau — meine geliebte Frau . . .“

      „. . . oder, wenn Sie nicht schlafen können — ich schicke Ihnen etwas leichte Lektüre . . .“

      „. . . Ja — bin ich denn ausserhalb von dieser Welt — oder seid Ihr’s?“ Christof Vohwinkel schüttelte den Kopf und flüsterte vor sich hin: „Da macht man den Sarg auf . . . Er ist leer . . . Ja . . . wie kann er denn leer sein? Das ist ja eine Afferei der Augen! . . . Das ist ja nicht möglich . . .“

      „Immer Ruhe — immer Ruhe, Herr Vohwinkel!“

      „Schwatzen Sie nicht!“ Der schöne Mann sprang ungestüm auf. Er stiess den Stuhl zurück, das ser dem Sanatoriumsleiter gegen die dünnen Beine torkelte. „Belästigen Sie mich nicht! Was soll denn der Kram? Da steh’ ich . . .“ Er wandte sich keuchend, wie um Hilfe flehend, dem Arzt zu. „Da steh’ ich, von Feinden umringt! Es geschehen Dinge, die ich nicht begreife . . . für die ich keine Erklärung geben kann . . . Der Sarg ist leer! Der Sarg wurde leer zugenagelt . . .“ Der Architekt fasste den Doktor Kleemüller an einen Knopf seines Pastorenrocks und schüttelte den . . . „Verstehen Sie: leer zugenagelt! Man behauptet: von mir! Und ich darf nicht sagen, wo ich in dieser Zeit war, als der Sarg zugenagelt wurde. Ich werde es nicht sagen! Ich beisse mir lieber die Zunge ab!“

      „Setzen Sie sich . . . Beruhigen Sie sich . . . die Nervenattacken nützen zu nichts!“

      „Begreifen Sie, was das heisst?“ Der Architekt Vohwinkel blieb wildatmend stehen. „Nicht reden zu dürfen — sich nicht rühren zu dürfen — und meine Feinde triumphieren!“

      „Sie haben ja gar keine!“ sagte der Sanitätsrat milde. „Sie sind ja so allgemein beliebt!“

      „Ich habe eine Todfeindin!“ Christof Vohwinkel steckte die Hände in die Hosentaschen und lachte hart vor sich hin. „Sie ist meine Schwägerin und schreibt sich Male Matteis. Das Mädchen ist ungewöhnlich energisch. Dabei nicht dumm. Sehr hübsch dazu. Also alles in allem höchst gefährlich!“

      „Vielen Männern sicherlich! Aber warum gerade Ihnen?“

      „Sie hasst mich wie die Sünde!“ Der Architekt Vohwinkel würgte es aus trockener Kehle. „Weil sie ihre Schwester, meine Frau, vergöttert, und ich leider Gottes meine Frau in unserer Ehe sündhaft vernachlässigt habe! Von ihr wurde — das wird mir allmählich entsetzlich klar — meine Frau angestiftetm sich auf diese teuflische Weise an mir zu rächen, indem sie plötzlich in Spanien verschwand, während ich in jener Angelegenheit, über die ich nicht reden darf, abwesend war. . .“

      „Herr Vohwinkel: Ich werde Ihnen mal den Puls fühlen!“

      „. . . indem dann dieser leere Sarg nach Deutschland expediert wurde und dann die Male hier in Berlin anfing, das Gerücht auszustreuen, ich hätte meine Frau ermordet, bis ich schliesslich selbst die Ezhumierung beantragte — selbst — in meinem guten Gewissen — das spricht doch Bände!“

      „Freilich — freilich, Herr Vohwinkel!“

      „. . . und nun vorhin dastand und meinen Augen nicht traute! Und meine Schwägerin Male steht dabei und reibt sich die Hände! Die Sache ist höllisch schlau von ihr eingefädelt — das Mädchen ist mit allen Hunden gehetzt . . .“

      „Herr Vohwinkel: Ihre Nerven sind hochgradig überreizt!“

      „. . . Sie hat die Elfi zu dem Streich gegen mich willenlos gemacht und ihr vorgespiegelt, sie, die Elfi, müsse mir die Verirrungen meiner Ehe zehnfach heimzahlen und sich von mir befreien! Sie weiss natürlich auch jetzt gang genau, wo die Elfi steckt, und halt sie auf dem laufenden üben den Vernichtungsfeldzug gegen mich!“

      „Sie müssen sofort zu Bett, Herr Vohwinkel!“

      „Glückt die Kampagne, so werde ich hingerichtet. Oder verschwinde auf Lebenszeit im Zuchthaus. Finanziell ruiniert bin ich, im Vertrauen, schon jetzt! Was macht’s? Ein Mensch weniger! Es gibt ja so ’ne Masse!“

      „Wenn Sie zu Bett sind, klingeln Sie der Schwester! Ja!“

      „Ja glauben Sie denn, ich könnte jetzt hier krumm liegen und faulenzen, während draussen mein Fräulein Schwägerin mi rim Schweiss ihres Angesichts mein Grab schaufelt? Nein — ich werde ihr mal vor das Angesicht hintreten! Ich will sehen, ob sie meinen Blick aushält! Ich werde ihr auf den Zahn fühlen, was sie von den Geheimnissen dieses Sarges weiss! Und dann werde ich mir gestatten, dem Staatsanwalt zu melden: Fräulein Matteis gehört vor Gericht! Nicht ich!“

      „Ich kann mich hier nur als Arzt äussern, und ich bin bei Ihnen für unbedingte Ruhe!“ Der Leiter des Sanatoriums Kleemüller schüttelte sein würdiges Haupt aus Hufelands Zeiten. „Was Sie vorbringen, Herr Vohwinkel, macht, klinisch beurteilt, einen durchaus pathologischen Eindruck! Schliesslich kein Wunder in Ihrer merkwürdigen Lage! Nun — nun, das gibt sich auch alles wieder mit der Zeit! Gibt sich! Halten Sie sich nur jetzt recht hübsch still auf Ihrem Zimmer! Verlassen Sie es nicht! Laufen Sie nicht unnütz in der Anstalt herum. Es regt nur Sie und die anderen auf! Na — ich schau’ später wieder nach! Morgen, Morgen, mein Bester!“

      Der Sanitätsrat war geräuschlos wie ein Schatten zur Türe hinausgeweht. Christof Vohwinkel zuckte geistesabwesend die Achseln. Er hatte auf das Milchgeplätscher der vielen Worte gar nicht mehr hingehört. Er trat zu dem einzigen Fenster seines Gemachs. Er schaute nach dem grossen, grünen Garten des Sanatoriums hinaus. Die Bänke neben den Kieswegen, die Liegestühle auf dem Rasen, die Hängematten zwischen den Bäumen waren jetzt noch alle leer, die Patienten noch im Bad, in Wickeln, im Zanderraum, im Röntgenkabinett, in der pneumatischen Kammer, unter den Fäusten des Masseurs, auf der Wage, unter der Dusche. Es klopfte. Die Schwester brachte das Frühstück. Christof Voheinkel blinzelte sie misstrauisch an.

      „Was für ein Schlafmittel habt Ihr denn in die Zichorie getan?“

      „Aber, Herr Architekt!“

      Die Pflegerin ging. Vohwinkel liess Kanne, Tasse und Teller unberührt. Er wartete, bis die leichten Schritte draussen auf dem Gang verhallt waren. Er lauschte in der tiefen Stille, als könnte jeden Augenblick draussen der schwere Schritt von Schutzleuten dröhnen, die kamen, um ihn zu verhaften. Er schaute, mit der fieberhaften Hast eines Mannes, dem plötzlich jede Minute kostbar ist, im Zimmer umher und suchte seinen Hut. Der breitrandige Künstlerhut war nicht zu entdecken! Den hatte die gute Schwester offenbar unbemerkt unter ihrer Schürze mit fortgenommen! Vohwinkel musste lachen: Jetzt, in der Junihitze, fiel in Berlin ein Herr ohne Hut wahrhaftig niemandem auf! Hoffentlich hatten sie nicht auch noch die Türe . . . Nein! Die Türe war offen. Der Architekt Vohwinkel schritt den ausgestorbenen Flur entlang zum Haustor. Dort steckte der Pförtner seinen bärtigen Kopf aus dem Seitenfensterchen.

      „. . . Augenblick, Herr Architekt!“

      „Nun machen Sie doch schon auf!“

      „Ich will nur schnell dem Herrn Sanitätsrat melden, dass der Herr Architekt jetzt ausgehn! Ich weiss nicht, ob es dem Herrn Sanitätsrat recht ist!“

      Christof Vohwinkel machte kehrt und ging in sein Zimmer zur ebenen Erde zurück. Stand unruhig und unschlüssig. Der Garten draussen war noch immer leer. Das Fenster lag ziemlich hoch. Herrgott — wozu war man denn Architekt — an steile Leitern und schmale Planken und Turnerkunststücke auf dem Neubau gewohnt? Er schwang sich über den Fenstersims, er fand, mit den Händen an ihm hängend, draussen in den Holzgevierten des Spalierobstes Stützpunkte für die Stiefelspitzen, er landete mit einem Plumps unten suf der weichen Erde, life schnell, quer über die Blumenbeete, durch den Garten an die Mauer, erkletterte einen Föhrenstamm bis zu deren Krönungshöhe, stand vorsichtig, mit derben Schuhsohlen, auf den eingemörtelten grünen Glasscherben und tat einen weiten Sprung hinunter auf die baumbeschattete, stille Seitenstrasse. Ein paar Leute, die da gingen, blieben starr stehen. Er winkte ihnen flüchtig mit der Hand zu: „Es ist nichts!“ und eilte den Weg entlang. An der Ecke atmete er auf. Da wollte gerade ein leeres Auto vorüber.


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