Frauenlob. Der Roman eines jungen Mannes. Rudolf Stratz

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Frauenlob. Der Roman eines jungen Mannes - Rudolf Stratz


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meine Liebe: Hat es seit Jahrzehnten einen Freier von diesem Reichtum gegeben? Einen Mann mit einem Palais in Paris — einer Villa in Rom, einem Schloss an der Riviera, einem Königreich an Gütern bei uns da hinten in der Steppe . .? Dieser Mann kommt zu dir . . . zu dir . . .“

      „Zwicke mich doch nicht so, du abscheuliche Katze . . .“

      „Doch. Ich zwicke dich, bis du Vernunft annimmst! . . . Beliebe: Ein Mitglied aller internationalen Klubs . .“

      „Was habe ich davon?“

      „. . . Ein Rennstallbesitzer. Ein Elegant, der selbst auf den Boulevards Aufsehen erregt. Ein Mann der grossen Europäischen Welt — Man hat ihn in Monte Carlo Arm in Arm mit Petersburger Grossfürsten gesehen!“

      „Das sagt ja auch genug“, ergänzte Fräulein Gebauer ungerührt. „Ein Don Juan — Ein Spieler — Nun — seien wir offen: Ein Taugenichts!“

      „Deswegen soll er dich ja heiraten!“ schrie die schöne Kobeko verzweifelt. „Du bist eine Deutsche!“

      „Wenigstens halb . .“

      „Du hast Energie! Du hast kühles Blut . . .“

      „Oh gar nicht . . .“

      „Dann hast du Selbstbeherrschung! Um so besser! Du bist sehr schön! Du wirst ihn zähmen! . . .“

      „Ich bin ja sehr geschmeichelt, dass Herr Murussi am Ende seiner galanten Laufbahn gerade mir das Schnupftuch zuwirft!“ Die Deutsch-Russin zuckte die Achseln. „Aber trotzdem . . .“

      „Nie in deinem Leben, mein Augapfel, bietet sich dir wieder dieser grosse russische Haupttreffer unserer Zeit! Bete, dass Gott dich erleuchtet! Nun — da hat man Briefe für dich!“

      Herr Geiger, der zweite Buchhalter des Hauses Gebauer, ein rotblonder, blauäugiger Reichsdeutscher, war mit dem Droschkenkutscher, den Katja vorhin gesehen, aus der Stadt gekommen. Er überreichte ihr lächelnd einen Brief.

      „Aus Lyon!“ sagte er, mit dem Gesicht eines Mannes, der weiss, dass er etwas Angenehmes bringt, und Katja Gebauer nahm rasch und freundlich nickend das Schreiben, küsste die Kobeko und lief, den Bademantel über die weissen Knöchel schürzend, hinauf in ihre Zimmer des weitläufigen Landhauses, während Herr Geiger bei dem Chef der Firma eintrat.

      Der sonnenüberflutete Raum war, im Geschmack eines englischen Cottage, mit Chippendale-Möbeln ausgestattet. In der Mitte wippte ein Schaukelstuhl auf dem kostbaren kaukasischen Teppich. Otto Gebauer sass darin. Der alte Grosskaufmann war von Kopf zu Fuss blendend weiss, wie ein Europäer in den Tropen, gekleidet. Weiss rahmte auch der kurze Rundbart das feine, gefurchte Gesicht mit dem goldenen Zwicker. Nervös gereizt schaukelte sich der nüchterne Handelsherr und sog stossweise an einer schon erloschenen Havannah zwischen den Fingern. Er fuhr den mit leeren Händen eintretenden Buchhalter an:

      „Wo haben Sie die heute eingelaufene Geschäfts-Korrespondenz?“

      „Es ist heute russischer Feiertag . . .“

      „Das weiss ich! Es ist jeden dritten Tag russischer Feiertag. Deswegen konnten Sie doch wenigstens die Auslandsbriefe . .“

      „Herr Gebauer hatten nichts davon gesagt . . .“

      ,,Dann sage ich es jetzt!“ rief — heftig wider seine Gewohnheit — der alte Erbliche Ehrenbürger und schlug ärgerlich mit der flachen, rechten Hand aufs Knie. „Haben Sie Ihren Iswoschtschik draussen? Karaschô! Fahren Sie sofort in die Stadt zurück und bringen Sie mir wenigstens den Brief aus Wien — von Tschereuth und C. — falls er angekommen ist! Das Andere mag in Gottesnamen bleiben!“

      „Man hat ewigen Verdruss mit seinen Leuten“, wandte er sich dann, nachdem der von ihm Angerüffelte ängstlich die Türe hinter sich geschlossen, an seinen Schwager Malbasá, den Bruder seiner Frau, der schweigend am Fenster sass und im ,Odesski Listok‘ die Auslandkurse studierte. Der Weizengrosshändler war ein grosser, etwas plumper Mann mit breiten Händen, dessen bartlosem, sackigem und grobem, schläfrig-schlauem Gesicht die leicht geschlitzten Augen etwas Tatarisches, etwas von Asien gaben. Eugen Malbasá rollte Tabak aus seiner Tulabüchse in das Seidenpapier, wickelte es, leckte es zu und versetzte, während er die Papyros anzündete, langsam mit tiefer Stimme auf russisch:

      „Warum bist du in solcher Sorge wegen eines Briefes aus Wien?“

      „. . wo ein Krach die Börse verwüstet, wie ihn die Welt seit ihrer Erschaffung bis zu unserm Jahre des Heils 1873 nicht erlebt hat . . .“

      ,,Wozu die Aufregung auf deine alten Tage? Du springst in die Höhe wie eine Heuschrecke in der Steppe!“ Malbasá streifte träge die Asche in die Elfenbeinschale aus sibirischem Mammuth. „In diesen alten Wiener Patrizier-Familien wie den Tschereuths steckt Reichtum seit Generationen. Der Vetter Leopold ist ein Geschäftsmann von vorsündflutlicher Vorsicht! Was sollte ihm also viel passieren?“

      „Daran ist kein Zweifel, dass das Bankhaus Tschereuth den Sturm übersteht!“

      „Nun also! Warum erhitzt du dich? Es ist schon heiss genug heute!“ Der Kellerbass des Schwagers wurde immer langsamer, immer tiefer. Er trocknete sich mit dem Tuch die Schweissperlen auf der niederen, von einem beinahe kahlgeschorenen Grauschädel überwölbten Stirn. „Du selbst, Ottinka, hast gar keine Geschäftsverbindungen mit Wien . . .“

      „Nicht eine Kopeke!“

      „Also lasse dort die Toten die Toten begraben!“ Eugen Malbasá sprach es mit seiner tiefen Stimme und stand auf, um sich zu verabschieden. Otto Gebauer begleitete ihn bis zu seiner Equipage. Er sah dem Schwager müde nach. Dann trat er in die Halle zurück. Seine Tochter kam die Treppe herunter, in einem luftig wehenden, weissen Sommerkleid, ganz einfach und ländlich, mit natürlichen schlanken Hüften, ohne alle rückwärtigen Auswüchse der Pariser Mode. Sie schwenkte einen Brief in der Hand.

      „Sascha hat aus Lyon geschrieben, Papa!“ meldete sie.

      Der alte Kaufmann schrak zusammen.

      „Etwas Besonderes?“ frug er dann dumpf und starrte geistesabwesend vor sich hin.

      „Nein. Wie gewöhnlich! Das heisst: im Gegenteil: Nicht wie gewöhnlich! Verliebt ist der Sascha ja im Handumdrehen . . Sein Herz ist wie die Steppe im Herbst . . . Man braucht nur ein Streichholz hinzuhalten, und sie brennt lichterloh! Aber diesmal seid Ihr die Brandstifter — hier und in Marseille — das erschwert den Fall . . . Komm’ mal da ’rein, Papa. Ich muss dir ins Gewissen reden!“ Und als sie den alten Herrn in sein Arbeitszimmer gedrängt hatte, fuhr Katja vorwurfsvoll, immer auf deutsch, mit eindringlicher Zungengeläufigkeit fort:

      „Papa! . . Es sind doch noch beides Kinder! Das gäbe ja die reine Puppenhochzeit . . . Sascha und diese kleine Nezot! . . . Was kuppelt Ihr denn da wieder zusammen?“

      „Mein Kind: Je früher ein junger Mensch . . .“

      „Nein! Nein! Nein! Ein Mensch muss selber über sich entscheiden! Das kann der Sascha noch gar nicht! Dafür ist er viel zu jung! Ihr dürft ihn nicht in die Ehe schmeissen wie den Mops ins Wasser! Ich dulde das einfach nicht!“

      „Ich möchte nur wissen,“ der Kaufherr entzündete umständlich, mit zitterigen Fingern, die erloschene Havannah . . ., „ich möchte nur wissen, was dich das angeht!“

      „Ich vertrete doch Mutterstelle an ihm!“ rief Katja Gebauer triumphierend und empört. „Er hat doch sonst Niemanden auf der Welt — der arme kleine Kerl! Man muss ihn gegen uns schützen — ich meine uns Frauen — bis er gross ist und sich selber wehren kann. Statt dessen kommt Ihr und treibt ihn ins Garn, bloss damit die Frachtrate Marseille—Odessa und die Rimessen Odessa—Lyon in der Familie bleiben! Ach — ich kenne Euch doch! Schämt Euch!“

      Otto Gebauer hatte sich müde hingesetzt.

      „Du solltest dich lieber um deine eigenen Angelegenheiten kümmern!“ sagte er. „Du bist jetzt mit Gottes Hülfe fünfundzwanzig Jahre alt und noch nicht vermählt! Das, meine Liebe, ist eine Schande!“

      „Ja. Für die jungen


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