Frauenlob. Der Roman eines jungen Mannes. Rudolf Stratz
Читать онлайн книгу.aber meistens so! Warum? Weil Ihr zwei Hauptbücher zusammen einsegnet! Nachher folgt natürlich Jeder und Jede dem Zug des Herzens. Ich finde diese Seitensprünge in den Ehen nicht einmal so unmoralisch wie diese Ehen selber! Aber ich werde deswegen den Propst der lutherischen Kirche Südrusslands nicht bemühen. Da verlass’ dich drauf . .“
„Diese petites liaisons und faux ménages sind durchaus nicht nötig!“ sprach der Ehrenbürger gereizt. „On peut faire bon ménage, Katja! . . Man kann in ungetrübtester Ehe leben! Man muss nur den Rechten heiraten!“
„Wo ist er, Papa?“
„Glaubst du, ich hab’ ihn hier in der Tasche?“ brauste der alte Herr auf. „Du hast doch weiss Gott die Wahl in der ganzen Welt!“
„Aber mein Mann ist nicht von dieser Welt!“ sagte Katja. „Ich meine von unserer Welt! Die ist scheinbar gross und doch betrübend eng. Es sind überall in Europa dieselben Menschen. Sie sind langweilig.“
„Bildest du dir denn ein, du könntest mit einem Mann in kleinen Verhältnissen glücklich werden?“
„Nein. Niemals. Dazu habt Ihr mich viel zu blödsinnig erzogen!“
„Katja . . . . .“
„Uns alle! Die Anderen merken es nur nicht so wie ich! Wir sind Luxus-Artikel! . . Aber ich bin innerlich ernster wie die anderen! Und das sag’ ich dir, Papa: Eh’ ich einen Mann heirate, den ich nicht liebe und mich nachher mit einer Garnitur Cicisbeo’s tröste — eher bleib’ ich ein melancholischer freier Vogel und heirate überhaupt nicht!“
„Erwäge — prschaluite — dass du mein einziges Kind birt!“
„Nun eben!“ Das junge Mädchen zuckte die Achseln. Ihr schönes, bräunliches Gesicht hatte sich in Unmut gerötet. Sie strich sich ärgerlich, mit einem Blick in den Spiegel, die glänzenden dunkelbraunen Haare an den Ohren glatt. Es war eine heftige Bewegung der dünnen, erhobenen Arme. „Hungern werde ich ja nicht im Leben! Für mich ist ja gesorgt.“
Der Vater schwieg eine Weile und sah mit gefalteten Händen vor sich hin. Dann räusperte er sich mit einem Entschluss:
„Katja . . . Heute Mittag . . in einer halben Stunde kommt Herr Murussi.“
„Ich weiss . .“, schrie Katja erbittert und lief im Zimmer auf und ab. „Aristide Murussi kommt seit einiger Zeit so ziemlich jeden Tag . . .“
„Das hat doch etwas zu bedeuten, mein kleines Schaf! Ganz Odessa spricht schon darüber!“
„. . weil Euer tout Odessa nie etwas Vernünftiges im Kopf hat, sondern nur Klatsch und Weizenpreise!“
„Murussi hat seine Lebensweise geändert . .“
„Höchste Zeit war’s!“
,,Er vermeidet seinen bisherigen Verkehr . . .“
„Ja. Er hat seine Tänzerin beurlaubt!“ sagte Katja zerstreut und wegwerfend und ordnete sich wieder vor dem Spiegel die Frisur. „Ich weiss nicht: Ich fand die Person nie so berückend . . Die Männer haben ja ’nen verdrehten Geschmack . . . .“
„. . . auch wenn sein Auge auf dich gefallen ist . . . Katja? Nun überlege doch ’mal . .“ Der alte Grosskaufmann erhob sich langsam. „Wir sind eine der ältesten und reichsten Familien von Odessa. Aber gestehe selbst: Was ist eine Firma Gebauer gegen einen Murussi?“
„Nichts . . Nichts . . Nichts!“ rief Katja laut und lachend.
„Also gut . . .“
„Aber ich bin keine Firma, Papa, sondern ein Frauenzimmer! Sogar ein höchst lebendiges! Das wehrt sich! Ich steche um mich wie ein Skorpion!“
„Niemand wird versuchen, dich zu zwingen, Katja!“ Der kleine Handelsherr trat dicht vor die grosse, schöne Tochter hin. „Es soll ja nur zu deinem eigenen Besten sein. Ich hab’ dich doch lieb, mein Kind! Ich möchte nicht, dass du, wenn wir einmal tot sind, Jahrzehnte lang als verdrehte alte Jungfer mit einem Gefolge von Schosshunden und Dienerschaft Europa unsicher machst . . .“
„Nette Perspektive!“ sagte Katja gähnend.
„Nun liegt jetzt etwas — etwas ganz Märchenhaftes in der Luft! Nie wieder bietet sich dir eine derartige Riesenpartie . .“
„Ja — wie ist der Unglücksmensch nur gerade auf mich verfallen?“ frug sich Katja kopfschüttelnd, den Blick am Boden, und zog mit der Fussspitze das Muster des Tifliser Teppichs nach.
„Die Murussi stehn turmhoch über unserer Klasse! Du würdest eine der ersten Frauen von Europa . . . denke doch nur . . .“
„Ich denke mir die Märchenprinzen ein bisschen anders, Papa,“ Fräulein Gebauer hob unwillig das Haupt, „als so stark ramponierte Pariser Ware — mit diversen Sprüngen und Beschädigungen vom Cabinet-Particulier und dem Spieltisch und hinter den Kulissen! Ich käme mir einfach dumm vor, wenn mich, in den Champs-Elysées an seiner Seite, eine von diesen Lebedamen im Vorbeifahren nachsichtig mustert, als wollte sie fragen: Nun — gefällt dir mein ehemaliger Kleiner?“
„Katja! Sei nicht frivol!“
„Das sind wir ja alle hier! Und bei mir ist es doch nur äusserlich! Das weisst du doch! . . Man muss ja den Ton mitmachen. Sonst gilt man ja für eine Gans! Ach — und ich hab’ manchmal so eine Sehnsucht nach etwas ganz Reinem — das von einem Mann ausgeht — und Wahrem und Starkem . . . . Es muss doch irgendwo auf der Welt einen solchen Mann geben . . .“
„Katja — verscherze über diesen Träumereien dein Glück nicht! Es kehrt nicht wieder. Es entscheidet sich vielleicht schon bald! Es herrscht ein allgemeines Vorgefühl, als ob Aristide Murussi vielleicht schon heute . . .“
„Dann ist’s wenigstens überstanden!“ sagte Katja kurz. „Ich werde ihm schon eine Antwort geben! Und nun genug davon, bitte! Revenons à nos moutons! . . . Ich meine Sascha! Ich bemuttere ihn! Ich werde nicht leiden, dass die Seeräuber in Marseille dies Kind kapern! . . . Sascha ist doch überhaupt jetzt lange genug in Frankreich gewesen! Französisch spricht er wie Wasser. Die Seiden-Branche hat er inne. Was tut er denn noch dort?“
„Wo sollte er hin?“
„Gott — hierher, Papa! In seine Vaterstadt Odessa!“ Katja sprach es verwundert . . . „Das ist doch das Natürlichste von der Welt! Wo wir sind — seine nächsten Verwandten — und du dabei noch sein Vormund, und wo er sein Vermögen hat! In ein paar Jahren wird er ohnedies einundzwanzig und mündig und muss nach Odessa kommen, um sein Vermögen von dir zu übernehmen!“
„Er wird jetzt nicht hierher kommen! . . . Ich verbiete es . . .“
„Um Gotteswillen, Papa . . . Man könnte sich ja vor dir fürchten? . . . . Warum schreist du denn auf einmal so? Warum haust du mit der Faust auf den Tisch?“
„Ich verbiete dir, ihm zu schreiben, und ihm etwa einen solchen Floh ins Ohr zu setzen! . . . Man kann ihn jetzt hier nicht brauchen! Verstanden!“
„Aber Papa — Was ist denn in dich gefahren? So kenne ich dich ja gar nicht! . . Du bist ja ganz bleich . . . Bloss wegen Sascha . . . .“
„Sascha soll in Lyon bleiben! . . . Er ist dort sehr gut aufgehoben! . . . Ich will ihn hier durchaus nicht sehen!“
„Setze dich doch! Die Knie zittern dir ja . .“
„. . . dass er mir ja nicht auf die Idee kommt, hierher zu reisen . .“ Otto Gebauer nahm mühsam Platz. „Bestelle ihm das von mir . . . .“
„Da werde einer daraus klug . . .“
„. . . und du mische dich nicht in Dinge, die sich nichts angehen! Wenn Sascha diese Mademoiselle Nezot heiratet, dann ist es das Beste für ihn . . . das Beste. . . Schweig! . . .“
„Papa . . .“
„Schweig!“ schrie Otto Gebauer mit einer Stimme, dass die Tochter erschrocken zwei Schritte zurücktrat und ihn kopfschüttelnd mit verschlungenen