Bullseye - Bull & Tiger. Monica James

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Bullseye - Bull & Tiger - Monica James


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fahre mit dem Finger eine blaue Linie nach, die durch die Stadtmitte führt.

      „Wenn ich mich richtig erinnere, ja. Du willst mit dem Bus fahren?“

      „Ja. Das habe ich mir so gedacht.“

      „Hast du kein Auto?“

      Ich schüttele den Kopf und begegne ihrem Blick. „Ich habe keinen Führerschein.“

      Sie zuckt erschrocken zusammen. „Wie alt warst du, als man dich eingebuchtet hat?“

      Ich reibe mir den Nacken. „Ich war gerade achtzehn geworden.“

      Mitleid überschattet ihr Gesicht. „Tut mir leid, das zu hören.“

      Sie braucht kein Mitleid mit mir zu haben. Und sie sollte besser aufhören, mich so mitleidig anzusehen. „Das braucht es nicht. Das Gefängnis war wahrscheinlich der beste Ort für mich.“

      Sie lehnt an der Arbeitsplatte und hört mir aufmerksam zu. „Weswegen musstest du sitzen?“

      Und da ist sie, die gefürchtete Frage. Ich muss mich daran gewöhnen, darauf zu antworten. Also fange ich besser gleich damit an.

      „Mord“, sage ich ganz offen und sehe, wie ihr die Gesichtszüge entgleiten. Auch an diesen Anblick sollte ich mich besser gewöhnen.

      Nach ein paar unbehaglichen Sekunden räuspert sie sich. „Wenn jemand eine zweite Chance verdient, bist du es.“

      Sie überrascht mich mit dieser unerwarteten Antwort. Aber sie kennt mich nicht. Und wenn sie von meiner Geschichte und meinen Plänen wüsste, wäre sie nicht so schnell mit diesem gefühlsduseligen Kram bei der Hand.

      „Wir sehen uns später.“ Ich ziehe den Reißverschluss meiner Lederjacke hoch. „Ich habe einen Job.“

      „Tatsächlich? Wo?“

      „Im Pink Oyster.“

      Sie lächelt und beugt sich auf ihrem Hocker zurück. „Die Frauen können sich einfach nicht von dir fernhalten, was?“

      Meine Lippen zucken in der Andeutung eines Lächelns.

      Es ist wieder ein eiskalter Morgen, also setze ich meine graue Beanie auf und gehe die Meile bis zur Bushaltestelle. Zum Glück muss ich nicht lange warten. Es ist seltsam, obwohl ich so lange nicht mehr mit einem Bus gefahren bin, sind der Anblick, die Geräusche und Gerüche immer noch genau die gleichen.

      Ich schließe die Augen und rufe mir das letzte Mal in Erinnerung. Es war mit meinem Bruder Damian, in der Nacht des großen Spiels. Er hätte mit Freunden fahren können, wollte aber mit mir fahren.

       „Komm schon, Kleiner. Das wird Spaß machen.“

       „Ich mag Football nicht mal.“

       Damian lachte. „Das wirst du, wenn du die Cheerleader siehst.“

       Ich verzog das Gesicht und antwortete: „Widerlich. Mädchen sind seltsam.“

      „Das liegt daran, dass du gerade mal fünfzehn bist. Warte ein paar Jahre, dann sind sie alles andere als widerlich.“ Er zerzauste mir das Haar, als wir bei unserer Schule vorfuhren, um das große Spiel zu sehen.

       „Ich bezweifle es.“

       „Vertrau mir, Kleiner. Du wirst deine Meinung ändern.“

      Er nahm seine Sporttasche und seinen Helm. Mein Bruder, der Quarterback.

      Ich reiße die Augen auf, als der Bus zu einem langsamen Halt kommt. Ich reibe mir den Schlaf aus den Augen und sehe, dass ich nur noch einen Block von meinem Ziel entfernt bin. Nichts hat sich verändert. Es ist genauso, wie ich mich erinnere und immer noch so deprimierend wie an dem Tag, als ich das letzte Mal hier war.

      Raureif bedeckt das Laub, und selbst die Blumen welken in dem rauen Herbst. Es scheint, dass jedes Lebewesen vergessen will, dass es hier existiert.

      Das Gras knirscht unter meinen Schuhen, und leichter Regen setzt ein. Aber ich lasse mich nicht vom Wetter abhalten, das zu tun, was ich seit Jahren tun will. Meine Erinnerung lässt mich nicht im Stich und ich gehe wie auf Autopilot zu dem letzten Grab in einer Reihe, die genauso aussieht wie die davor und dahinter. Aber diese Reihe ist etwas Besonderes.

      Sie ist etwas Besonderes, weil sich dort das Grab meines Bruders befindet.

      „Hey, Damian.“ Ich gehe in die Hocke.

      Vertrocknete Blumen stehen bei seinem Grabstein, und ich könnte mich ohrfeigen, weil ich keine frischen mitgebracht habe. „Ich bin draußen. Zwölf Jahre sind nichts im Vergleich mit der Hölle, die du wegen mir ertragen musstest.

      Ich habe seit über neun Jahren nichts mehr von Mom und Dad gehört. Daraus kann ich ihnen allerdings keinen Vorwurf machen, denn ich habe ihnen gesagt, dass sie sich fernhalten sollen. Wenn es nur mich und nicht dich getroffen hätte, dann wäre es für uns alle besser gewesen. Wenn ich nach dem Spiel direkt nach Hause gegangen wäre, wäre alles so anders gewesen. Vor allem würdest du noch leben.“

      Ich seufze und senke beschämt den Blick. „Es tut mir leid, Bro. Ich bin schuld, dass du … tot bist. Du hast dein Leben geopfert, um mich zu retten. Aber mein Leben war dieses Opfer nicht wert. Das war es nie.

      Aber ich werde nicht zulassen, dass du umsonst gestorben bist. Das verspreche ich“, schwöre ich und umklammere den Anhänger an der Kette um meinen Hals. Er gehörte einst Damian. Es war sein Glücksbringer.

      Dies ist der einzige Ort, an dem ich mir erlaube, zu trauern. Wo ich mir die Buße gestatte, die ich nicht verdiene.

      „Es tut mir leid, dass es dich getroffen hat. Wenn wir die Plätze tauschen könnten, würde ich es sofort tun. Du warst immer der Gute, und ich …“ Ich breche ab und sehe auf die Taschenuhr hinunter, die auf meinen Handrücken tätowiert ist. „Ich habe immer darauf gewartet, dass etwas Besseres kommt. Ich wünschte, ich hätte begriffen, dass du dieses Bessere warst.“

      Ich küsse meinen Mittel- und Zeigefinger und drücke sie auf Damians marmornen Grabstein. Dann stehe ich langsam auf.

      „Sie werden dafür bezahlen. Jeder einzelne. Und wenn das passiert … sehen wir uns wieder. Ruhe in Frieden, Bruder. Ich liebe dich.“

      Damian ist der einzige Mensch, dem ich je gesagt habe, dass ich ihn liebe. Ich habe es nicht einmal zu meinen Eltern gesagt. Aber wir beide waren nicht nur Brüder, sondern auch beste Freunde. Ich habe zu ihm aufgesehen – verdammt, das haben alle getan. Jeder wollte mit ihm befreundet sein. An ihm war etwas Besonderes, etwas, von dem jeder ein Teil sein wollte.

      Dieses Besondere wurde in der Nacht ausgelöscht, als er ermordet wurde. Meinetwegen.

      Da es nichts weiter zu sagen gibt, drehe ich mich um und verlasse meinen Bruder, der seit vierzehn Jahren in seinem Grab verrottet. In meinen Gedanken ist er für immer jung. Ein Siebzehnjähriger, der sein ganzes Leben noch vor sich hatte, bevor es ihm grausam gestohlen wurde.

      Ich balle die Fäuste, als ich an den Grund dafür denke, dass sich Damians und mein Leben für immer veränderten. Eine einzige, verdammte Entscheidung zerstörte das Leben von so vielen Menschen, aber ich kann es nicht rückgängig machen. Was geschehen ist, kann nicht ungeschehen gemacht werden, und ich muss mit dieser Schuld den Rest meiner lausigen Existenz leben.

      Aber ich bin auf dieser Schuld gediehen, seit ich meinen Bruder begraben habe. Es gab nur eine Sache, die mich angetrieben hat, und das war Rache. Und jetzt, wo ich draußen bin … brennt, ihr Dreckskerle, brennt.

      Ich verdränge die Erinnerungen, während ich an der Bushaltestelle warte und nicht sicher bin, wann und ob ich jemals hierher zurückkomme. Meine Eltern sind schon eine Weile nicht mehr hier gewesen. Das schmucklose Grab meines Bruders ist ein sicheres Zeichen dafür, denn es war kurz nach seiner Beerdigung ganz anders. Meine Mom kam jeden Tag her, und mein Dad musste sie praktisch nach Hause zerren.

      Aber am nächsten Tag war sie wieder da, weinte


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