Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen. Emile Zola

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Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen - Emile Zola


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im Parlament und geeigneter, um die Berechtigung der Regierung zu beweisen und die Skeptiker zu bekehren, beglückwünschte seine Schwägerin zu ihrem kühnen Zuge, ihr Leibchen zwei Finger breit mehr als gebräuchlich auszuschneiden. Beinahe die ganze gesetzgebende Körperschaft war zugegen und die Blicke, mit welchen die Deputirten die junge Frau betrachteten, verhießen dem Minister einen schönen Erfolg in der morgigen Debatte über die städtische Anleihe, welche einigem Widerstande zu begegnen drohte. Man konnte unmöglich gegen eine Regierung stimmen, die in der von den Millionen gebildeten Düngererde eine Blume wie Renée hervorsprießen ließ, eine Blume der Freude, mit einer Haut wie Seide und den Formen einer Statue, ein lebender Wonnerausch, der einen Duft genossenen Vergnügens hinter sich zurückließ. Allgemeines Geflüster erregten aber das Halsband und das Diadem. Die Männer erkannten das Geschmeide, während die Frauen mit verstohlenen Blicken auf dasselbe hindeuteten. Dies bildete das ausschließliche Gesprächsthema des Abends. Und in dem weißen Lichte der Kronleuchter lagen die von einer glänzenden Menge erfüllten prächtigen Gemächer da, als wäre eine Unzahl flimmernder Sterne auf einen engen Raum herniedergefallen.

      Gegen ein Uhr Morgens verschwand Saccard. Er hatte an dem Triumph seiner Frau theilgenommen wie Jemand, dem ein kühner Streich gelungen ist. Abermals hatte sein Kredit eine beträchtliche Kräftigung erfahren. Noch mußte aber bei Laura d'Aurigny eine Angelegenheit erledigt werden und indem er sich entfernte, ersuchte er Maxime, Renée nach dem Ball nach Hause zu begleiten.

      Maxime verbrachte den Abend klüglich an der Seite Luise von Mareuils und Beide waren gänzlich in ihre Beschäftigung vertieft, die darin bestand, daß sie den anwesenden Frauen, die an ihnen vorüberkamen, alles mögliche und unmögliche Schlechte nachsagten. Hatten sie dann etwas gefunden, was toller war als das Bisherige, so erstickten sie ihr Lachen hinter ihren Taschentüchern. Renée mußte den jungen Mann selbst auffordern, ihr seinen Arm zu reichen, als sie den Ball verlassen wollte. In dem Wagen war sie von nervöser Heiterkeit; der Rausch des blendenden Lichtes, des betäubenden Geräusches und der starken Gerüche, welche sie soeben durchkostet hatte, zitterte noch nach in ihr. Im Uebrigen schien sie den »dummen Streich«, wie Maxime das neuliche Boulevardabenteuer nannte, ganz vergessen zu haben. Sie fragte ihn auch blos mit absonderlicher Betonung:

      »Die kleine buckelige Luise ist also sehr amüsant?«

      »Ach ja!« erwiderte der junge Mann lachend. »Du hast doch die Herzogin von Sternich mit dem gelben Vogel im Haar gesehen, nicht wahr? ... Luise behauptete, dies sei ein mechanisch beweglicher Vogel, der die Flügel bewegt und dem armen Herzog jede Stunde zuruft: Kukuck! Kuckuck!«

      Renée fand diesen Scherz des emanzipirten jungen Mädchens sehr komisch. Als man zuhause angelangt war und Maxime von ihr Abschied nehmen wollte, sagte sie:

      »Du kommst nicht hinauf? Céleste hat sicherlich einen kleinen Imbiß für mich vorbereitet.«

      Mit seiner gewohnten Sorglosigkeit gehorchte er ihrer Aufforderung. Oben aber war kein Imbiß vorbereitet und Céleste zu Bett gegangen. Renée mußte die Kerzen eines kleinen dreiarmigen Leuchters selbst anzünden, wobei ihre Hand ein wenig zitterte. Darauf sagte sie mit Bezug auf ihre Kammerzofe:

      »Die Närrin! ... Sicherlich hat sie meine Anordnungen falsch verstanden ... Ich kann mich ja gar nicht allein auskleiden.«

      Damit begab sie sich in ihr Ankleidezimmer. Maxime folgte ihr, um ihr ein neues Scherzwort Luisens zu erzählen, dessen er sich erinnerte, ruhig, als hätte er sich bei einem Freunde befunden und schon griff er nach seiner Zigarrentasche, um sich eine Havannah anzuzünden. Als Renée aber den Leuchter niedergestellt hatte, wendete sie sich um und sank stumm in die Arme des jungen Mannes, wobei sie ihre Lippen auf die seinigen preßte.

      Das Heim Renée's war ein Nest aus Seide und Spitzen, ein Wunderwerk an Koketterie, Pracht und Luxus. Vor dem Schlafzimmer lag ein sehr kleines Boudoir. Die beiden Räume bildeten eigentlich nur einen, besser gesagt, das Boudoir war blos die Schwelle des Zimmers, eines großen Alkoven, in welchem sich mehrere Chaiselongues befanden; eine richtige Thür war gar nicht vorhanden, blos eine doppelte Portière. Die Wände der beiden Gemächer waren mit mattgrauer Seide überzogen, die mit großen Rosen- und weißen Fliedersträußen gestickt und stellenweise mit mächtigen goldenen Knöpfen besetzt war. Vorhänge und Portièren bestanden aus venetianischen Spitzen, deren Unterlage abwechselnd aus rothen und grauen Seidenstreifen bestand. Im Schlafzimmer stellte der aus weißem Marmor angefertigte Kamin, ein wahres Juwel der Bildhauerkunst, mit seiner kostbaren Einlegearbeit und seinen herrlichen Mosaikbildern einen Blumenkorb dar, aus welchem das Muster der Tapete, als Rosen, weißer Flieder und goldene Knospen hervorragte. Ein großes, in Grau und Rosa gehaltenes Bett, dessen Holzgestell unter dem reichen Polsterwerk gänzlich verschwand und dessen Kopfende sich an der Wand befand, nahm reichlich die Hälfte des Zimmers ein mit seinen Draperien, Spitzen und seinen von der Decke bis zur Erde herabhängenden und mit großen gestickten Bouquets verzierten Seidenvorhängen. Dieser gleich einem Frauenrock sich blähende Vorhang erweckte den Gedanken an eine verliebte Riesin, die sich über die Kissen neigt, nahe daran, auf dieselben hinzusinken. Hinter dem Vorhang breitete sich das Heiligthum der Batistkissen, eine Wolke schneeiger Spitzen, eine ganze Menge der köstlichsten, durchsichtigen Dinge aus, die in einem fortwährenden Halbdunkel schwammen. Neben diesem Bette, dessen Umfang an eine zu einem Feste geschmückte Kapelle erinnerte, verschwanden die übrigen Möbel: niedrige Sitze, ein zwei Meter hoher Spiegel und Schränke mit einer Unzahl von Schubfächern beinahe völlig. Der den Boden bedeckende grau-blaue Teppich zeigte zerstreute zart rosafarbene Rosen. Und zu den beiden Seiten des Bettes lagen zwei mächtige schwarze Bärenfelle mit rothem Sammt eingefaßt und silbernen Krallen; die dem Fenster zugewendeten Köpfe starrten mit ihren gläsernen Augen unablässig den leeren Himmel an.

      In diesem Zimmer herrschte eine wohlthuende Harmonie, eine absolute Stille. Kein schärferer Ton, kein Widerschein von Gold oder sonstigem Metall mengte sich in die träumerische Symphonie der grauen und rosenrothen Farbe. Die Garnitur des Kamins, der Rahmen des Spiegels, die Stutzuhr, die kleinen Kandelaber waren aus altem Sèvres-Porzellan, welches das vergoldete Kupfer der Gestelle beinahe gänzlich verdeckte. Diese Kamingarnitur war ein Meisterwerk, insbesondere die Stutzuhr mit ihrer Schaar pausbäckiger Amoretten, die sich über das Zifferblatt neigten, gleich einer Bande ausgelassener ganz nackter Straßenjungen, die sich über den raschen Gang der Stunden lustig machten. Dieser gedämpfte Luxus, diese Farben und Gegenstände, welche der Geschmack Renée's zart und lächelnd gewünscht, verbreitete hier einen Dämmerlichtschein, das Licht eines Alkoven, dessen Vorhänge zugezogen worden. Es schien, als würde sich das Bett fortsetzen, als bildete das ganze Zimmer ein einziges großes Lager mit seinen Teppichen, Bärenfellen, gepolsterten Sitzen und Tapeten, die die Weichheit des Fußbodens über die Wände, bis zur Decke empor ausdehnten. Und wie in einem Bette ließ die junge Frau hier, auf allen Gegenständen den Eindruck, die Wärme, den Duft ihres Körpers zurück. Wenn man die doppelte Portière des Boudoirs zurückschlug, schien es, als würde man eine seidene Steppdecke emporheben, als träte man in ein großes, noch warm-feuchtes Bett, in welchem man auf dem feinen Linnen die herrlichen Formen, den Schlummer und die Träume einer dreißigjährigen Pariserin wiederfindet.

      In einem anstoßenden Raume, dem Garderobezimmer, das groß und geräumig, mit alten persischen Teppichen bespannt war, befanden sich rings an den Wänden blos hohe Schränke aus Rosenholz, welche die Armee der Toiletten enthielten. Céleste, die in Allem sehr methodisch war, ordnete die Kleider ihrem Alter nach, versah sie mit Aufschriften, brachte ein wenig Symmetrie in die blauen, rothen und gelben Erzeugnisse der Phantasie ihrer Gebieterin und hielt die ganze Garderobe sozusagen in militärischer Zucht. Die Felder der Schränke glänzten kalt und rein gleich den lackirten Feldern eines Coupés.

      Doch der größte Reiz des Appartements, jenes Gemach, von welchem ganz Paris sprach, war das Ankleidezimmer. Man sagte: »Das Ankleidezimmer der schönen Frau Saccard«, wie man sagte: »Der Spiegelsaal zu Versailles«. Dasselbe befand sich in einem der kleinen Thürme des Hôtels, gerade oberhalb des kleinen Salons mit den goldenen Knospen. Wenn man eintrat, dachte man an ein großes rundes Zelt, an ein Zelt wie in den Feenmärchen, wie es eine verliebte Königin in ihrem Liebestraum errichtet haben mochte. In der Mitte der Decke hielt eine Krone aus ziselirtem Silber die Wände des Zeltes zusammen, von wo sie sich in runden Bögen der Mauer zuwandten,


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