Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen. Emile Zola

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Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen - Emile Zola


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Absätzen in große Falten gelegt; Spitzeneinsätze schieden diese Falten von einander und Reifstäbe aus verziertem Silber erstreckten sich von der Krone, an beiden Seiten der Einsätze entlang bis zum Boden hinab. Das rosenrothe Grau des Schlafzimmers wurde hier etwas heller und ging in ein röthliches Weiß über, in die Farbe des lebenden Fleisches. Und unter diesen wogenden Spitzen, unter diesen Vorhängen, die von der Decke durch den Reif der Krone blos eine kleine runde Stelle sehen ließen, welche der Pinsel Chaplins mit einem lachenden Amor geschmückt hatte, der im Begriffe ist, einen seiner Pfeile abzuschnellen, hätte man sich in eine vergrößerte Konfektbüchse, in ein kostbares Schmucketui versetzt glauben können, welches nicht für den Glanz eines Diamanten, sondern für die entblößten Formen einer Frau geschaffen worden. Der schneeweiße Teppich zeigte keinerlei Muster oder Blumen. Ein Spiegelschrank, dessen Thüren mit Silber eingelegt waren, eine Chaiselongue, zwei niedrige Stühle, Tabourets aus weißer Seide, ein großer Toilettetisch mit rosenrother Marmorplatte, dessen Füße unter einer Wolke von Spitzen und Mousseline verschwanden, bildeten die Einrichtung dieses Raumes. Das Geschirr des Waschtisches, die Gläser, Vasen und das Waschbecken waren aus böhmischem, weiß und roth verziertem Glase. Ferner war noch ein zweiter Tisch vorhanden, der gleich dem Spiegelschrank mit Silber eingelegt war und auf welchem sich das ganze Geräth befand: Toilettegegenstände aller Art, eine Menge kleiner Instrumente, deren Zweck dem Uneingeweihten nicht klar wurde, Rückenkratzer, Nagelfeilen, Messerklingen in allen Formen und Größen, gerade und krumme Scheeren, Nadeln und Zängelchen in allen Abwechselungen. Jeder dieser Gegenstände aus Silber und Elfenbein trug den Namenszug Renée's.

      Dieses Gemach besaß aber einen köstlichen Ort und diesem Ort hatte es eigentlich seine Berühmtheit zu verdanken. Dem Fenster gegenüber öffnete sich die Zeltwand und ließ eine Art Nische sehen, in welcher sich eine Badewanne, ein breites, geräumiges Becken aus rothem Marmor befand, das in den Fußboden versenkt, an den Rändern ausgezackt war, gleich einer großen Muschel und bis zum Teppich reichte. Marmorstufen führten in die Wanne hinunter. Oberhalb der silbernen Hähne, die die Form eines Schwanenhalses hatten, nahm ein venetianischer Spiegel ohne Rahmen, dessen Glas aber mit zierlichen Aetzungen versehen war, die Rückwand der Nische ein. Jeden Morgen nahm Renée ein mehrere Minuten währendes Bad, welches das Gemach für den Rest des Tages mit der Feuchtigkeit und dem Dufte des warmen, lebenden Fleisches erfüllte. Zuweilen vermengte ein entkorktes Parfumfläschchen oder ein nicht in seinem Behälter verwahrtes Stück Seife seinen schärferen Duft mit dieser etwas faden, schläfrigen Atmosphäre. Die junge Frau liebte es, beinahe nackt bis Mittag in diesem Gemach zu verweilen. Das runde Zelt war ja auch nackt. Die rothe Badewanne, die rothen Tische und Waschgefäße, der röthliche Ueberzug der Decke und der Wände, unter welchen man rothes Blut glaubte rieseln zu sehen, nahmen die runden Formen des Fleisches, die weichen Umrisse der Schultern und Brüste an und je nach der Tageszeit hätte man die schneeige Haut eines Kindes oder die liebeswarme Haut einer Frau zu sehen gemeint. Das Ganze war eine einzige große Nacktheit und wenn Renée aus dem Bade stieg, hob ihr blonder Leib blos ein wenig den rosenrothen Ton des Gemaches.

      Maxime entkleidete Renée. Er verstand sich auf diese Dinge und seine flinken Hände entdeckten die Stecknadeln und glitten mit angeborener Gewandtheit rings um ihre Taille. Er löste ihr Haar, nahm die Diamanten aus demselben und richtete das Haar wieder für die Nacht zurecht. Und da er seine Dienstleistungen als Kammerdienerin und Friseur mit Scherzen und Schmeicheleien würzte, lachte Renée leise und wonneschauernd, während die Seide ihres Mieders krachte und ihre Röcke nach einander zur Erde fielen. Als sie völlig nackt dastand, blies sie die Kerzen der Kandelaber aus, umschlang Maxime mit beiden Armen und trug ihn fast in das Schlafgemach. Dieser Ball hatte sie gänzlich berauscht. Trotz ihres Fiebers war sie sich des gestrigen Tages, den sie vor ihrem Kamin verbracht hatte, dieses Tages der verführerischen Träume und abschreckenden Phantasiebilder, klar bewußt. Noch immer vernahm sie die trockenen Stimmen Saccards und der Frau Sidonie mit einander unterhandeln, Zahlen rufen und Gebote machen wie ein Gerichtsdiener. Diese Leute richteten sie zu Grunde, drängten sie zum Verbrechen. Und selbst zu dieser Stunde, da sie in dem großen, dunklen Bette die Lippen des jungen Mannes suchte, sah sie noch immer Maxime vor sich, wie er ihr gestern in der rothen Gluth des Kaminfeuers erschien und sie mit Augen anblickte, die sie schier versengten.

      Der junge Mann entfernte sich erst um sechs Uhr Morgens. Sie übergab ihm den Schlüssel zu der kleinen Thür des Monceau-Parkes, nachdem er ihr hatte geloben müssen, daß er jeden Abend wiederkehren werde. Das Ankleidekabinet stand mit dem kleinen goldenen Salon durch eine in der Wand verborgene Dienertreppe in Verbindung, welche auch den Zugang zu den übrigen Räumen des Thurmes vermittelte. Aus dem Salon war es ein Leichtes, in den Wintergarten und von hier in den Park zu gelangen.

      Als sich Maxime bei anbrechendem Tage und dichtem Nebel entfernte, war er von seinem Liebesabenteuer ein wenig betäubt. Indessen fand er sich dank seiner neutralen Schmiegsamkeit gar bald mit demselben ab.

      »Nun, umso schlimmer!« sagte er sich. »Schließlich will sie es ja haben... Sie hat verteufelt schöne Formen; auch hat sie Recht, im Bette ist sie bedeutend kurzweiliger wie Sylvia.«

      Sie waren der Blutschande entgegengeglitten von dem Tage an, da Maxime in seinem zerknitterten Schülerkittel sich Renée an den Hals gehängt hatte, wobei er ihre elegante Toilette in Unordnung brachte. Von da an herrschte Verderbtheit unter ihnen, die sich jeden Augenblick neuerdings bethätigte. Die absonderliche Erziehung, welche die junge Frau dem Kinde gab; die Vertraulichkeiten, die aus ihnen zwei Kameraden machten; späterhin die lachende Kühnheit ihrer gegenseitigen Geständnisse, – all' diese gefährliche Vermengung vereinigte sie schließlich mit einem eigenthümlichen Bande, welches die Freuden der Freundschaft beinahe zu fleischlichen Genüssen gestaltete. Seit Jahren hatten sie sich einander ergeben und der brutale Akt selbst war nichts weiter gewesen, als der Abschluß dieser ihnen selbst unbewußten Liebeskrankheit. Inmitten der tollen Welt, welche sie umgab, war ihre Schuld wie auf einem von zweideutigen Säften strotzenden Düngerbeete gediehen; sie hatte sich mit einem seltsamen Raffinement entwickelt, inmitten von ganz eigenartigen Bedingungen des Lasters.

      Wenn der große Landauer sie nach dem Bois führte und sie dort langsam durch die Alleen rollten, wobei sie sich allerlei Zweideutigkeiten in's Ohr flüsterten und aus ihrer Kindheit Erinnerungen hervorholten, die für Ausflüsse des Instinkts gelten konnten, so war dies nichts weiter als eine uneingestandene Befriedigung ihrer Wünsche. Sie fühlten sich gewissermaßen schuldig, als hätten sie sich flüchtig berührt und selbst diese merkwürdige Schuld, diese Mattigkeit, welche aus ihren schlüpfrigen Unterhaltungen resultirte und ihnen eine wollüstige Erschöpfung bereitete, berührte sie noch angenehmer, als wenn sie sich geradehin geküßt hätten. Ihre Kameradschaft bildete somit nichts Anderes als die langsam nach abwärts gleitende Bahn zweier Verliebten, welche sie unbedingt eines Tages in das Kabinet des Café Riche und in das große, rosig und grau verzierte Bett Renée's führen mußte. Als sie einander umschlungen hielten, empfanden sie die Erschütterung ihres Fehltrittes nicht; man hätte sie für alte Liebende halten können, deren Küsse alte Erinnerungen erweckten. Sie hatten so viele Stunden in der Berührung ihres ganzen Wesens verbracht, daß sie unwillkürlich von dieser Vergangenheit sprachen, die voll unbewußter Zärtlichkeiten war.

      »Du erinnerst Dich des Tages, da ich in Paris anlangte?« sagte Maxime. »Du hattest eine sonderbare Toilette angelegt und ich bezeichnete mit dem Finger einen Winkel auf Deiner Brust und rieth Dir, dort einen spitz zulaufenden Ausschnitt anbringen zu lassen ... Ich fühlte Deine Haut unter dem Hemde und mein Finger drückte ein wenig hinein ... Und dies war so gut ...«

      Renée lachte, küßte ihn und murmelte:

      »Du warst schon damals recht lasterhaft ... Wie herzlich lachten wir bei Worms über Dich; erinnerst Du Dich? Wir nannten Dich »unseren kleinen Mann« und ich glaubte immer, daß Dich die dicke Susanne gerne hätte gewähren lassen, wenn die Marquise sie nicht wüthenden Blickes bewacht hätte.«

      »Ach ja, wir haben viel gelacht ...« murmelte der junge Mann. »Das Photographie-Album, nicht wahr? Und alles Andere: unsere Fahrten durch Paris, unsere Imbiße bei dem Kuchenbäcker auf dem Boulevard; erinnerst Du Dich, wie gerne Du die kleinen Erdbeeren-Kuchen aßest? ... Ich werde mich immer des Nachmittags erinnern, da Du mir das Abenteuer Adelinens erzähltest, die im Kloster Briefe an Susanne schrieb, die sie als


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