Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen. Emile Zola

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Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen - Emile Zola


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Schmuckstücke für seine Frau erstand. Dieser Verkauf ergab eine Summe von ungefähr vierhunderttausend Francs, mit welchen er die Gläubiger Laura's befriedigte, denen sie annähernd das Zweifache dieses Betrages schuldig war. Es ist sogar anzunehmen, daß er bei dieser Manipulation einen Theil seiner fünfundsechzigtausend Francs zurückerhielt. Als man nun sah, daß er die finanzielle Lage der Aurigny glättete, galt er sofort für deren Liebhaber; man glaubte, er bezahle ihre gesammten Schulden und begehe Thorheiten für sie. Alle Hände streckten sich ihm nun entgegen und er erfreute sich eines unbeschränkten Kredits. An der Börse neckte man ihn mit seiner neuen Liebe; man lächelte, machte Anspielungen und dies entzückte ihn. Während dieser Zeit gab sich Laura d'Aurigny, die durch den Lärm allgemeines Aufsehen erregt hatte und bei der er nicht eine einzige Nacht verbrachte, den Anschein, als betröge sie ihn mit acht oder zehn Dummköpfen, die erpicht darauf waren, sie einem so kolossal reichen Manne abwendig zu machen. Innerhalb eines Monats besaß sie zwei Wohnungseinrichtungen und mehr Diamanten, als sie verkauft hatte. Saccard hatte die Gewohnheit angenommen, am Nachmittag, nach dem Schluß der Börse, eine Zigarre bei ihr zu rauchen und gar häufig erblickte er die Zipfel von Ueberröcken, die erschrocken hinter die Thür flüchteten. Allein geblieben, mußten sie lächeln, wenn sie einander anblickten. Er küßte sie auf die Stirne gleich einem ungerathenen Töchterchen, dessen Schelmerei ihm Vergnügen bereitet. Sie erhielt keinen Sou von ihm; ja, einmal lieh sie ihm sogar Geld, damit er eine Spielschuld begleichen könne.

      Renée wollte nicht nachgeben und sprach davon, das Geschmeide wenigstens zu verpfänden; ihr Gatte machte ihr aber begreiflich, daß dies nicht möglich sei und ganz Paris morgen die Schmuckgegenstände an ihr sehen wolle. Da die Schneiderrechnung der jungen Frau aber Sorgen bereitete, suchte sie nach einem anderen Mittel.

      »Aber das Unternehmen in Charonne geht ja gut!« rief sie mit einem Male aus. »Neulich sagten Sie mir ja erst, daß die Erträgnisse vorzügliche seien... Vielleicht würde mir Larsonneau diese 136 000 Francs vorstrecken?«

      Seit einigen Minuten lehnte die Zange unthätig zwischen den Beinen Saccard's. Jetzt erfaßte er dieselbe wieder hastig, bückte sich und verschwand beinahe in dem Kamin, von wo Renée seine Stimme dumpf herausdringen hörte:

      »Ja, ja, Larsonneau könnte vielleicht ...«

      Endlich gelangte sie aus eigenem Antrieb zu dem Punkte, zu welchem er sie seit Beginn der Unterhaltung unmerklich geleitet. Seit zwei Jahren bereitete er seinen Geniestreich in Bezug auf die Besitzungen in Charonne vor. Stets hatte sich seine Frau geweigert, die Güter der Tante Elisabeth zu veräußern; sie hatte der Letzteren gelobt, dieselben unangetastet zu bewahren, um sie ihrem Kinde vermachen zu können, wenn sie Mutter werden sollte. Angesichts dieser Hartnäckigkeit war die Erfindungskraft des Spekulanten unablässig thätig und endlich hatte er ein ganzes Gedicht ersonnen. Es war das ein Werk der höchsten Schurkerei, ein kolossaler Betrug, dem die Stadt, der Staat, seine Frau und Larsonneau zum Opfer fallen sollten. Er sprach nicht mehr davon, die Grundstücke zu verkaufen; nur beklagte er täglich, wie unverantwortlich, wie lächerlich es sei, dieselben nicht zu fruktifiziren und sich mit einem Erträgniß von zwei Perzent zu begnügen. Renée, die stets in Geldnöthen war, willigte endlich ein, die Besitzungen zum Gegenstande einer Spekulation zu machen. Seine Operation basirte er auf die Gewißheit einer bevorstehenden Expropriation behufs Anlegung des Boulevard du Prince-Eugène, dessen Richtung noch nicht endgiltig bestimmt worden. Und nun führte er seinen ehemaligen Genossen Larsonneau als seinen Geschäftstheilhaber in's Treffen, der mit seiner Frau den folgenden Plan vereinbarte: sie gibt die einen Werth von 500 000 Francs repräsentirenden Grundstücke her, während sich Larsonneau seinerseits verpflichtete, mit dem Aufwande eines gleich hohen Betrages auf denselben ein Café-Concert mit einem großen Garten zu erbauen, wo man alle Arten des Spiels, Schaukel, Kugel- und Kegelspiel, pflegen würde. Der Reingewinn sollte natürlich getheilt werden, ebenso wie beide Theile den etwaigen Verlust gleicherweise tragen sollten. Wenn sich einer der beiden Theilhaber zurückziehen wollte, so stünde ihm das frei und dürfte er dabei den nach der entsprechenden Schätzung auf ihn entfallenden Antheil beanspruchen. Renée war einigermaßen überrascht, als sie von 500 000 Francs sprechen hörte, während die Grundstücke höchstens 300 000 Francs werth waren. Er machte ihr aber begreiflich, daß dies ein gutes Mittel sei, um später Larsonneau die Hände zu binden, da seine Baulichkeiten einen derartigen Werth niemals erreichen würden.

      Larsonneau war ein eleganter Lebemann geworden, der feine Handschuhe, blendend weiße Wäsche und verblüffende Halsbinden trug. Er hatte sich für seine Geschäftsgänge einen Tilbury bauen lassen, der so fein war wie ein Uhrwerk, einen hohen Sitz hatte und den er selbst lenkte. Seine Bureaux in der Rue de Rivoli bestanden aus einer Reihenfolge prächtig eingerichteter Räume, in welchen man keinerlei Papiere oder Schriftenbündel sah. Seine Angestellten schrieben auf Tischen aus gebeiztem Birnbaumholz, die mit Messingverzierungen eingelegt waren. Er nahm den Titel eines Agenten für Expropriationen an, – ein neues Gewerbe, welches seine Entstehung den umfassenden Neubauten in Paris zu verdanken hatte. Seine Verbindungen mit dem Stadthause brachten es mit sich, daß er über die Richtung der neuanzulegenden Straßenzüge genau unterrichtet war. Wenn es ihm gelungen war, von einem Mitgliede der Kommission die geplante Richtung eines neuen Boulevards in Erfahrung zu bringen, ging er zu den bedrohten Hauseigenthümern, um denselben seine Dienste anzubieten. Darauf ließ er seine kleinen Mittelchen spielen, um eine je höhere Entschädigungssumme zu erzielen. Sobald ein Hausbesitzer sein Dienstesanerbieten annahm, erklärte er sich zur Tragung sämmtlicher Unkosten bereit, ließ einen Expropriationsplan entwerfen, ein Gesuch aufsetzen, verfolgte den Gang der Angelegenheit vor den Behörden und bezahlte einen Advokaten gegen Zusicherung eines gewissen Prozentsatzes der Differenz zwischen dem Angebot der Stadt und der von der Jury bewilligten Entschädigung. Doch betrieb er außer diesem nicht gerade unsauberen Gewerbe noch mehrere andere. Er ertheilte Darlehen gegen Wucherzinsen. Doch war er nicht mehr der Wucherer aus der alten Schule, der zerrissen, unsauber einherging, weiße, stumme Augen hatte, wie Hundertsousstücke und blasse, zusammengezogene Lippen, den Schnüren eines Geldbeutels gleichend. Er verstand es zu lächeln, bezaubernde Blicke zu machen; er ließ seine Kleider bei Dusautoy anfertigen, dejeunirte bei Brébant in Gesellschaft seines Opfers, das er »mein Guter« nannte und dem er beim Dessert Havannazigarren anbot. Hinter dieser glatten Außenseite und der an den Leib geschnittenen Weste war Larfonneau ein gar schrecklicher Herr, der auf Bezahlung eines Wechsels bestanden wäre, selbst wenn sich der arme Schuldner vor seinen Augen umgebracht hätte, ohne dabei etwas von seiner Liebenswürdigkeit einzubüßen.

      Gerne hätte Saccard einen anderen Geschäftstheilhaber gesucht; doch konnte er sich wegen des falschen Inventars, welches Larsonneau sorgfältig verwahrt hielt, einer gewissen Unruhe noch immer nicht erwehren. Er zog es also vor, ihn in die Sache einzuweihen, wobei er sich der Hoffnung hingab, daß es ihm durch irgend einen glücklichen Zufall gelingen werde, wieder in den Besitz dieses kompromittirenden Schriftstückes zu gelangen. Larsonneau erbaute das Café-Concert aus Brettern und Gips und setzte mehrere gelb und roth gestrichene Thürmchen aus Blech auf das Dach. Der Garten und die volksthümlichen Spiele fanden in dem stark bevölkerten Charonne-Viertel bedeutenden Anklang und nach zwei Jahren schien das Unternehmen zu gedeihen, obschon die finanziellen Erfolge bis dahin sehr unbedeutende gewesen. Saccard aber hatte sich seiner Frau gegenüber stets nur mit Begeisterung über die Zukunft einer so schönen Idee geäußert.

      Als Renée sah, daß ihr Gatte aus dem Kamin, in welchem seine Stimme immer mehr erstickte, nicht hervorkommen wolle, sagte sie:

      »Ich werde Larsonneau morgen besuchen ... Dies ist meine einzige Hoffnung, die ich noch habe.«

      Nun ließ er von dem Scheit ab, mit welchem er kämpfte.

      »Dies ist schon besorgt, meine liebe Freundin,« erwiderte er lächelnd, »Ich errathe ja jeden Ihrer Wünsche... Ich habe gestern Abend mit Larsonneau gesprochen.«

      »Und er hat Ihnen die 136 000 Francs zugesagt?« fragte sie angstvoll.

      Zwischen den beiden brennenden Scheitern errichtete er einen kleinen Hügel aus Gluth, indem er mit dem Ende der Zange die kleinsten Kohlenstückchen erfaßte, wobei er mit befriedigter Miene das Entstehen des kleinen Scheiterhaufens beobachtete, auf den er seine ganze Aufmerksamkeit zu verwenden schien.

      »Sie würden das


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