Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen. Emile Zola

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Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen - Emile Zola


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ist er bereit, Ihnen gefällig zu sein ...«

      Er blinzelte hastig mit den Augen, denn ein größeres Stück Gluth, welches heruntergerollt war und wieder hinausgeschafft werden sollte, gab ihm viel zu thun. Dieses Spiel begann die Gedanken der jungen Frau zu verwirren. Unwillkürlich beobachtete sie das Treiben ihres Gatten, dessen Ungeschicklichkeit immer klarer hervortrat. Sie fühlte sich versucht, ihm Rathschläge zu ertheilen und Worms, die Rechnung, den Geldmangel vergessend, sagte sie:

      »Setzen Sie dieses große Stück doch hierher; die übrigen werden es halten.«

      Ihr Gatte kam der erhaltenen Weisung willig nach, wobei er sagte:

      »Larsonneau vermag blos fünfzigtausend Francs zu geschaffen, was immerhin eine nette Anzahlung bedeutet... Nur möchte er diese Angelegenheit nicht mit dem Charonner Unternehmen vermengen, zumal er blos den Vermittler macht, Sie verstehen doch, meine liebe Freundin? Die Person, die das Geld vorzustrecken bereit wäre, verlangt hiefür ungeheure Zinsen ... und beansprucht einen sechsmonatlichen Wechsel über achtzigtausend Francs.«

      Und nachdem er dem kleinen Hügel noch ein Stück glühender Kohle als Abschluß aufgesetzt, kreuzte er die Hände über der Zange und blickte seine Frau fest an.

      »Achtzigtausend Francs!« rief diese aus. »Das ist ja ein Raub! Und Sie rathen mir zu einer solchen Thorheit?«

      »Nein,« sagte er entschieden. »Doch verbiete ich sie Ihnen nicht, wenn Sie unbedingt Geld benöthigen.«

      Damit stand er auf, als wollte er das Gemach verlassen. In grausamer Unentschlossenheit blickte Renée ihren Gatten an und dann die Rechnung, die er auf der Kaminplatte liegen ließ. Dann faßte sie den Kopf in beide Hände und murmelte:

      »Oh, diese Geschäfte! ... Mein Kopf ist wie eine Mühle ... Ich will diesen Wechsel über achtzigtausend Francs unterschreiben. Thäte ich es nicht, so würde es mich ganz krank machen. Ich kenne mich, ich würde während des ganzen Tages mit mir selbst kämpfen ... Ich ziehe es vor, die Thorheiten sofort zu begehen. Das bringt mir wenigstens eine gewisse Erleichterung,«

      Sie sprach davon zu klingeln, damit man ihr ein gestempeltes Wechselblanket hole. Er wollte ihr diesen Dienst aber selbst erweisen. Sicherlich hatte er das Blanket in der Tasche, denn seine Abwesenheit währte kaum zwei Minuten. Während sie auf einem kleinen Tische schrieb, den er vor das Feuer geschoben, betrachtete er sie mit Augen, in denen sich ein bewunderungsvolles Verlangen kundgab. Es war sehr warm in dem Zimmer, in welchem man noch den Duft des Bettes der jungen Frau, den Parfüm ihrer ersten Toilette verspürte. Während des Gespräches hatte sie die Bänder des Morgengewandes, in welches sie sich gehüllt, losgelassen und der Blick ihres vor ihr stehenden Gatten glitt über ihren Kopf, zwischen dem goldschimmernden Haar weit, bis zu dem weißen Nacken und dem zarten Busen hinab. Er lächelte so sonderbar, das Feuer, welches beinahe sein Gesicht versengte, das geschlossene Zimmer, dessen schwere Luft einen Duft der Liebe bewahrte, diese gelben Haare und die weiße Haut, die ihn mit einer gewissen ehelichen Verachtung in Versuchung führen zu wollen schien, – all' dies stimmte ihn nachdenklich, gab dem Drama, in welchem er soeben eine Scene gespielt, eine größere Ausdehnung und ließ in diesem brutalen Börsenspekulanten einen geheimen, sinnlich berechnenden Gedanken auftauchen.

      Als ihm seine Frau den unterschriebenen Wechsel übergab und ihn bat, die Angelegenheit zu Ende zu führen, nahm er denselben an sich, doch ohne den Blick von ihr zu wenden.

      »Sie sind entzückend schön ...« murmelte er.

      Und als sie sich ein wenig bückte, um den Tisch zurückzuschieben, drückte er einen ungestümen Kuß auf ihren Nacken. Sie stieß einen leisen Schrei aus. Darauf richtete sie sich zitternd empor und versuchte zu lächeln, da sie unwillkürlich an die Küsse des Anderen von gestern Abend denken mußte. Doch bedauerte er bereits seine pöbelhafte Derbheit und als er von ihr ging, drückte er ihr freundschaftlich die Hand, nachdem er ihr die fünfzigtausend Francs noch für denselben Abend zugesagt.

      Während des ganzen Tages schlummerte Renée vor dem Feuer. Wenn sie innerliche Krisen zu bestehen hatte, so war sie von der Lässigkeit einer Kreolin. Ihre ganze sonstige lärmende Heiterkeit schien alsdann eingeschlummert und einem fortwährenden Frösteln gewichen zu sein. Sie fror, bedurfte glühender Feuerherde, einer erstickenden Hitze, die ihr den Schweiß auf die Stirne treten ließ und sie ganz schlaff machte. Von dieser heißen Luft umgeben, gleichsam in Flammen gebadet, litt sie beinahe gar nicht mehr; ihr Schmerz wurde zu einem leichten Traum, zu einem unbestimmten beklemmenden Gefühl, dessen Unentschiedenheit allmälig sogar angenehm wurde. Derart schläferte sie die Gewissensbisse des gestrigen Tages in der rothen Beleuchtung des Kamins, vor dem mächtigen Feuer ein, welches die Möbel rings um sie her krachen machte und sie zeitweilig sogar des klaren Bewußtseins beraubte. Sie konnte an Maxime wie an einen flammenden Genuß denken, dessen sengende Strahlen sie zu verbrennen drohten; sie träumte von unerhörten Liebeslüsten, umgeben von lodernden Scheitern, auf einem weißglühenden Lager. Céleste kam und ging mit dem ruhigen Gesicht einer Dienerin, in deren Adern eiskaltes Blut rollt. Sie hatte Befehl erhalten, Niemanden einzulassen und selbst die Unzertrennlichen, Adeline d'Espanet und Susanne Haffner abgewiesen, die von einem Dejeuner heimkehrten, welches sie gemeinsam in einem Pavillon eingenommen, den sie in Saint-Germain gemiethet. Doch gegen Abend meldete Celeste ihrer Gebieterin, daß Frau Sidonie, die Schwester des Herrn, mit ihr sprechen wolle; sie erhielt Befehl, dieselbe vorzulassen.

      Frau Sidonie kam gewöhnlich nur bei Einbruch der Nacht, trotzdem ihr Bruder durchgesetzt hatte, daß sie seidene Kleider anlege. Doch wußte Niemand, was eigentlich die Ursache davon war, daß wenn die Seide auch vollkommen neu aus dem Laden kam, sie niemals neu aussah; sie schien zerdrückt, verlor allen Glanz und glich eher einem alten Lappen. Ebenso hatte sie eingewilligt, bei Saccard ohne Korb vorzusprechen; dagegen hatte sie alle Taschen mit Papieren und Schriftstücken angefüllt. Renée, die sie nicht zu einer vernünftigen Klientin machen konnte, welche sich den Anforderungen des Lebens fügen würde, flößte ihr Interesse ein. Sie besuchte sie regelmäßig und lächelte mit der discreten Miene eines Arztes, der einen Kranken nicht durch die Nennung seines wirklichen Leidens erschrecken will. Sie hatte Mitleid mit ihren kleinen Angelegenheiten, als hätte es sich um unbedeutende Dinge gehandelt, welchen sie sofort abzuhelfen vermöchte, wenn die junge Frau nur wollte. Letztere, die sich in einer jener Stimmungen befand, da man bedauert werden will, ließ sie nur hereinkommen, um ihr sagen zu können, daß sie einen unerträglichen Kopfschmerz habe.

      »Ach, meine Schönste,« murmelte Frau Sidonie, indem sie in das dunkle Zimmer glitt, »Sie ersticken ja hier!... Schon wieder Ihre neuralgischen Schmerzen, nicht wahr? Das macht der Kummer. Sie nehmen das Leben zu tragisch.«

      »Ja, ich habe so viele Sorgen,« erwiderte Renée schmachtend.

      Die Nacht brach herein. Sie hatte nicht zugegeben, daß Céleste eine Lampe anzünde. Blos das Kammfeuer verbreitete einen hellen, rothen Schein, welcher sie kaum beleuchtete, während sie in ihrem weißen Morgengewand, dessen Spitzen rosenroth schimmerten, in einem Fauteuil lag. Dort wo der Schatten begann, sah man blos ein Stück des schwarzen Kleides der Frau Sidonie, sowie ihre gekreuzten zwei Hände, die in grauen Baumwollhandschuhen stacken. Ihre zärtliche Stimme tönte so eigenartig aus dem Dunkel heraus.

      »Schon wieder Geldsorgen!« sagte sie in einem Tone voll Mitleid und Erbarmen, als hätte sie »Herzleid« gesagt.

      Renée senkte den Blick und machte eine zustimmende Geberde.

      »Ach, wenn meine Brüder auf mich hören wollten, so wären wir Alle reich! Doch die zucken nur mit den Achseln, wenn ich ihnen von dieser Schuld von drei Milliarden spreche, Sie wissen doch? ... Ich aber gebe die Hoffnung nicht auf, weniger denn je. Seit zehn Jahren will ich eine Reise nach England antreten; doch habe ich so wenig freie Zeit! ... Nun aber habe ich mich entschlossen, nach London zu schreiben und erwarte ich die Antwort von dort.«

      Und da die junge Frau lächelte, so fügte sie hinzu:

      »Ich weiß, daß auch Sie mir nicht glauben. Und dessenungeachtet wäre es Ihnen ganz recht, wenn ich Ihnen eines Tages eine niedliche kleine Million zum Geschenk machen würde. ... Sehen Sie, die Sache ist ja ganz einfach: ein Pariser Bankier hat dem Sohne


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