England's Dreaming [Deutschsprachige Ausgabe]. Jon Savage

Читать онлайн книгу.

England's Dreaming [Deutschsprachige Ausgabe] - Jon  Savage


Скачать книгу
ausdrücklich Velvet Underground, William Burroughs und Iggy Stooge seine Anerkennung. Das Album, mit dem er den Druchbruch schaffte, »Ziggy Stardust and the Spiders from Mars«, war die erste postmoderne Platte mit Songs über einen mythischen Popstar. Ein verblüffender Kunstgriff, der ihn selbst zum Star machte.

      Roxy Music erlangten ebenfalls Mitte 1972 Berühmtheit, waren aber intellektueller. Bryan Ferry war von Richard Hammilton in Newcastle unterrichtet worden und verband anspielungssreiche Pop-Art-Empfindsamkeit mit großen Hits wie »Virginia Plain«. Wenn überhaupt, dann war Roxy Music sehr viel ungewöhnlicher konstruiert als Bowie: Ihre Plattenhüllen zeigten extravagant gekleidete Models und nannten die Stylisten. Auch musikalisch waren Roxy radikaler. Ihre größte Innovation war der Einsatz des ungeschulten Brian Eno am Synthesizer. Wie die New York Dolls machten sie darauf aufmerksam, dass Stil wichtig ist, nicht musikalisches Können.

      1974 gingen die Lichter aus: Die Anhebung der Ölpreise durch die OPEC im Vorjahr stieß eine bereits instabile Wirtschaft in die Rezession. Durch die drei-Tage-Woche im vorausgehenden Dezember bereits ins Wanken geraten, war die Heath-Regierung schließlich im Februar einem erfolgreichen Bergarbeiterstreik und dem Zusammenbruch der Kredite, mit denen man die Krise zu meistern gedachte, zum Opfer gefallen. Die lange Nachkriegsparty war vorbei und damit auch das demokratische Konsumentenideal. In der Werbung, die die Erlebniswelt der Teenager verherrlicht hatte, betrachtete man die Jugend jetzt beunruhigt als Problem. Vandalen und Kinder ohne Zukunft waren keine Konsumenten.

      Dieses Gefühl setzte Stanley Kubrick mit dem Film »Clockwork Orange« wirkungsvoll in Szene. Vordergründig die Vision einer hypothetischen, alptraumhaften Zukunft, schien der Film, in dem absonderlich gekleidete und mit Drogen vollgepumpte Jugendliche in einer postindustriellen Stadtlandschaft Amok laufen, vielen Leuten einer Dokumentation über England zu ähneln. »Clockwork Orange« wurde mit Richard Allens Skinhead-Romanreihe, die die verschiedenen Subkulturen der Arbeiterklasse in den frühen 70er Jahren darstellte, in die Gegenwart übertragen. New English Library (NEL) Taschenbücher wie Suedehead, Boot Boys und Glam berichteten vom Hereinbrechen einer brutalen, willkürlichen Welt.

      Das war der Pop, mit dem die spätere Punkgeneration aufwuchs. Cook und Jones wussten die Faces natürlich zu schätzen, aber die affige Brutalität im Glam erweiterte ihren Ausblick auf das, was möglich war. Wenn sie irgendeine Vorliebe hatten, dann für Gruppen, die Glam mit Jungsrock zusammenbrachten, wie Mott the Hoople und die New York Dolls. »Sie waren so lustig in ›The Old Grey Whistle Test‹«, erinnert sich Paul Cook, »sie waren so anti-alles, wie sie herumtorkelten und in ihren Plateaustiefeln übereinander fielen.« Trotz der Tatsache, dass die Sex Pistols später als radikaler Bruch mit der gesamten Vergangenheit des Pop dargestellt wurden, lauerten die Glam-Kadenzen immer in der Rhythmusgitarre und dem Schlagzeug, ob in den geklauten Mud-Riffs von Jones oder in Cooks Schlagzeug, auf das er wie sein Held, Paul Thompson von Roxy Music, eindrosch.

      Die Gruppe, die sich 1973 um die gestohlene Ausrüstung herum formierte, nannte sich nach einem Song von Roxy Music »The Strand«. Steve Jones war der Sänger, Paul Cook spielte Schlagzeug, Warwick Nightingale Gitarre, Jimmy Mackin Orgel und Steve Hayes Bass. »Wir probten im Furniture Cave, ganz unten am Ende der King’s Road«, sagt Warwick. »Wir spielten Coverversionen von Rod Stewart wie ›It’s All Over Now‹, ›Twisting the Night Away‹ und Small Faces-Zeug wie ›All or Nothing‹ oder ›Sha-La-La-La-Lee‹. Wir haben es rausgehauen, aber Steve war kein guter Sänger, er wollte gerne wie Rod Stewart sein, aber irgendetwas hielt ihn zurück.«

      Innerhalb weniger Monate blieben die Freunde von Jones weg:

      »Sie waren nicht wirklich auf Teufel-komm-raus bei der Sache«, kommentiert Paul Cook. Es blieb der Kern: Cook, Jones und Nightingale. Wie Johnny Holland und seine Jolly Green Men in Allens Teenybop Idol brauchten The Strand einen Brennpunkt für ihre kriminelle Energie. Für Steve Jones gab es eine gewisse Notwendigkeit, den Gang in den Knast zu vermeiden. Im Frühjahr 1974 war er bereits wegen Einbruch, Diebstahl von Zündschlüsseln, Diebstahl eines Kraftfahrzeugs und Fahrens ohne Führerschein, unversichert und minderjährig, verurteilt worden.

      Die Antwort lag mit Sicherheit in der King’s Road, die Jones inzwischen nun schon seit gut zwei Jahren aufsuchte. »Als ich anfing, runter in Malcolms Laden zu gehen, hieß er noch Let it Rock«, sagt Steve Jones. »Es gab die anderen Läden, wo die Rock’n’Roller hingingen, Grannys und Alkasura, aber Malcolms Laden war cool, weil man dort rumhängen konnte. Niemand kam angerannt und sagte: ›Kann ich Ihnen helfen‹. Wir saßen einfach nur da und beobachteten die Leute, die reinkamen. Ich fand Malcolm ein bisschen idiotisch, ein bisschen pervers. Aber er war anders. Ich versuchte trotzdem, Zeug zu klauen.«

      McLaren war der naheliegendste Kandidat: Er wusste ein wenig über Musik Bescheid, und er hatte durch die Ladenkundschaft Kontakte. Nach dem Erscheinen von Nick Kents Artikel »The Politics of Flash« fragte Jones: »Weißt du, wo wir einen Proberaum herkriegen? Ich versuche, eine Band zusammenzubekommen.« Mit dem Umbau des Ladens beschäftigt, biss McLaren für ein paar Monate nicht an, bis er, mürbe durch Jones Beharrlichkeit, einen Raum im Covent Garden Community Centre bezahlte.

      Als McLaren einige Tage später kam, um sie sich anzuhören, präsentierte sich ihm eine Gruppe, die keinen ständigen Bassisten hatte und keinerlei Bühnenpräsenz. Als sie mit der Nummer begannen, die sie endlos geübt hatten, »Can’t Get Enough of Your Love«, vergaß Jones den Text und brach mitten im Song ab. Nightingale hatte das Riff drauf, aber sonst nichts. Cook konnte den Rhythmus am Schlagzeug nicht halten, und bei seinem Cousin wurde recht deutlich, dass er nur eingesprungen war. Die Gruppe schlingerte mehrmals durch »Wild Thing«. Es war ein Massaker, aber McLaren blieb dabei: »Ich hatte Sympathie für diese Jungs, weil sie ein bisschen spitzbübisch, schurkisch und ein bisschen wahnsinnig zu sein schienen.«

      Als erstes ging es darum, einen engagierten Bassisten zu finden. Im Sommer hatte Vivienne Westwood einen jungen Kunststudenten, Glen Matlock, während ihrer Reise nach New York als Vertretung im Laden eingesetzt. Obwohl McLaren ihn still und reserviert fand, spürte er eine gewisse bohemienartige Lebendigkeit bei ihm. Matlock hatte Cook, Jones und Nightingale bereits getroffen, aber niemand war auf die Idee gekommen, sie zusammenzubringen, bis McLaren herausfand, dass Matlock in der Schule Gitarre gespielt hatte. Eines Abends, im Marquee Club, brachte McLaren die vier zusammen.

      Obwohl er aus derselben Londoner Gegend kam wie Cook und Jones, hätte Glen Matlock aus einer anderen Welt stammen können. Er wurde am 27. August 1956 geboren und war das einzige Kind zweier Büroangestellter. Er wuchs zu einem Einzelgänger heran: »Sogar jetzt halte ich mich für ein bisschen schüchtern«, sagt er. »Ich gehe einfach gern alleine weg.« Er verbrachte seine frühe Jugend in Kensal Rise, einem traditionellen Arbeitervorort im Nordwesten der Stadt. »Es ist wie ein Dorf innerhalb von London«, sagt Matlock, »aber es liegt ziemlich zentral.«

      Laut eigener Aussage verstand sich Matlock gut mit seinen Eltern. 1968 bestand er die Aufnahmeprüfungen zum Gymnasium und wurde auf der St. Clement Danes Grammar School aufgenommen, direkt neben Wormwood Scrubs. Hier traf er zum erstenmal Paul Cook, improvisierte Fußballspiele auf dem Gelände der Scrubs. Als er noch im letzten Schuljahr war, begann Matlock, samstags in der King’s Road 430 zu arbeiten. »Ich ging in diesen Teddy Boy-Laden, um ein paar Creepers zu holen. Ich mochte ihn und fragte, ob sie eine Aushilfe bräuchten: Ich bekam sieben Pfund für einen sieben-Stunden-Tag. Als ich anfing, hatte sich der Laden gerade verändert: Michael Collins arbeitete dort und ein Mädchen namens Elaine Wood. Sie hatten gerade mit den Zoots angefangen, aber es kamen auch eine Menge jüngerer Kids.«

      Matlock und Warwick Nightingale halfen ohne Bezahlung bei der Renovierung des Ladens im Frühjahr 1974. Matlock sah gut aus, war eifrig und besaß einige musikalische Kenntnisse. »Beim ersten Vorspielen ging ich zu Wally nach Hause, und sie sagten: ›Also, was kannst du spielen?‹ Ich sagte, dass ich die Faces mochte, und das taten sie auch. Ich hatte diesen Faces-Song gelernt, ›Three Button Hand Me Down‹, der eine ziemlich komplizierte Bass-Passage hat, und ich konnte ihn damals viel besser spielen als heute. Also sagte ich, dass ich ihn spielen könnte, und noch bevor ich fertig war, sagten sie: ›Der tut’s‹.« Nachdem seine Eltern nach Greenford gezogen waren, ein trister Außenbezirk, lebte Glen kaum mehr


Скачать книгу