Seewölfe Paket 23. Roy Palmer

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Seewölfe Paket 23 - Roy Palmer


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brummte der Profos und warf Dan O’Flynn einen schiefen Blick zu. „Du sagst es, Bruder David, und ich bemühe mich ständig, sanft wie ein Reh zu sein und die Vulgärsprache zu vermeiden, die manche Affenärsche als übellaunig auffassen. Dabei ist es nur der Herr, der in mich fährt und mir befiehlt, gewisse Kuhkacker in die Schranken zu weisen.“

      „Du lieber Gott“, murmelte Dan O’Flynn und blickte zur Stollendecke hoch.

      „In Ordnung“, sagte Hasard energisch, bevor der Profos und Dan O’Flynn erneut das Thema der Vulgärsprache zu erörtern begannen. „Pater David sei gedankt, daß er freiwillig hierbleibt. Nehmt etwas Proviant mit, Männer, und eure Waffen.“ Er grinste zu Jean Ribault hinüber. „Du siehst, Jean, mit der Ruhe ist es bereits vorbei.“

      „Hab’s begriffen, Sir“, erwiderte der schlanke Franzose und grinste ebenfalls. „Du hattest wohl doch was auf der Pfanne.“

      „Noch mehr, mein Freund“, sagte Hasard. „Wir werden uns über Langeweile nicht zu beklagen haben.“

      Der Kontrast zwischen Potosi und der Bergwelt ringsum war nahezu greifbar – hier quirlendes, lautes Leben, dort schweigende Einsamkeit; hier einmalige Prunkbauten, von Menschenhand geschaffen, dort karge Felsen, zum Teil von bizarren Formen, entstanden in einer Zeit, die man die Schöpfungsgeschichte nennt.

      Der Trupp unter Führung von Pater Aloysius bezog am frühen Nachmittag eine Lauerstellung in einer kleinen Schlucht, durch die der Weg nach Miraflores zu den Thermalbädern verlief. Sie waren in einem Bogen – Potosi östlich lassend – nach Nordwesten marschiert. Niemand war ihnen begegnet. Man hätte meinen können, es gäbe kein Potosi.

      Die Schlucht verlief von Südosten nach Nordwesten. Felsen vulkanischen Ursprungs begrenzten die beiden Seiten, etwa hundert Fuß hoch, zum Teil nackt oder von Flechten und Moosen bewachsen. Es war ein sonniger Tag, aber ein kalter Wind strich von Süden her über das rauhe Bergland und erzeugte zwischen den Felsen einen singenden Ton, flötenähnlich und von eigentümlicher Wehmütigkeit.

      Am Fuß der beiden Schluchtseiten lagen Geröllbrocken, zum Teil groß genug, um dahinter Deckung nehmen zu können. Der Platz war ideal für einen Überfall.

      Dan O’Flynn war am Schluchtanfang im Südosten auf einen Felsturm geklettert, von dem aus er den ganzen südlichen Bereich einschließlich der Route nach Miraflores überblicken konnte. Am Nachmittag meldete er das Herannahmen der Sänfte, die wieder von sechs Indios getragen wurde. Eine weichgefederte Prunkkarosse mit prächtigen Pferden wäre dem Dicken mit dem Froschgesicht wahrscheinlich lieber gewesen – weil schneller und aufwendiger –, aber die Route zwischen Potosi und Miraflores war nichts weiter als ein Trampelpfad und völlig ungeeignet für ein Gefährt auf Rädern.

      „Keine Knallerei, Leute!“ sagte Hasard noch einmal. „Setzt die Pistolengriffe ein, das genügt. Außerdem sind wir in der Überzahl.“

      Die Männer nickten und verschwanden hinter den Steinbrocken – fünf auf der einen und fünf auf der anderen Seite.

      Die Sänfte wurde von der vierköpfigen Leibwache und dem Teniente eskortiert. Die Tätigkeit des Teniente bestand darin, die sechs Indios anzutreiben. Er benutzte dazu eine Reitgerte mit einem sehr fein ziselierten silbernen Griffstück. Von dem, was das Ding gekostet hatte, wären vermutlich ein paar Indiofamilien für einige Wochen satt geworden.

      „Vorwärts, ihr faulen Hunde!“ krähte der Gockel-Teniente. „Hier wird nicht geschlafen! Schneller, schneller!“ Die Reitgerte pfiff durch die Luft und fetzte über einen Indiorücken, einen aufquellenden Striemen hinterlassend.

      Im Vergleich zum Tampen war diese Reitgerte eine höllisch scharfe Sache, dem schnappenden Zubiß einer Schlange nicht unähnlich. Der Indio war zusammengezuckt und hatte einen kurzen Schmerzlaut ausgestoßen.

      „Hier wird nicht gejammert!“ schrie der Gockel-Teniente. „Das beleidigt die Ohren unseres Gouverneurs, du Mißgeburt eines Affen!“ Und er schlug noch einmal zu – auf dieselbe Stelle. Es schien ihn zu entzücken, daß die Haut jetzt aufplatzte, denn er stieß ein meckerndes Lachen aus. Dieser Manuel de Olivella war nicht nur ein dummer Laffe, wie ihn Pater Augustin bezeichnet hatte, sondern auch ein Sadist. Ob sein meckerndes Lachen die Ohren des Gouverneurs „beleidigte“, war nicht festzustellen.

      Den sechs Indios lief der Schweiß über die ausgemergelten Gesichter. Zu der Last der Sänfte mit dem dicken Gouverneur schleppten sie auch noch das Gewicht ihrer jeweiligen Kette, mit der sie an die Sänfte gefesselt waren. Drei waren vorn „vorgespannt“, drei hinten. Jeder von ihnen umklammerte einen Holm. Zusätzlich verlief ein breiter Ledergurt quer über ihre Schultern hinunter zu den sechs Holmen.

      Der hohe Herr wurde also „sechsspännig“ getragen – zu wenig für den schweren Prunkkasten. Die sechs Indios schufteten sich die Seele aus dem Leib und die Lunge aus dem Hals.

      „Schneller, schneller!“ gellte die Stimme des Schinders. „Eins-zwei! Eins-zwei! Wollt ihr wohl laufen, ihr dreckiges Pack?“

      Sie keuchten, und die Ketten klirrten.

      Die Sänfte erreichte die Mitte der Schlucht.

      „Ihr kriegt nichts zu fressen, ihr verlausten Affen!“ schrie der Schinder. „Ich werde …“

      Eine helle Stimme unterbrach ihn. Sie klang wie ein Trompetenstoß.

      „Drauf, Männer!“

      Zehn Gestalten schnellten links und rechts der Schlucht hinter Felsen hervor wie rasende Teufel, überbrückten die kurze Distanz bis zur Sänfte mit zwei, drei langen Sätzen und fielen über die Eskorte her.

      Dumpf dröhnten Pistolengriffe auf Helme und trieben sie tief über Gesichter, deren Glotzaugen verständnislos aufgerissen waren. Musketen polterten auf den felsigen Boden, die Kerle sackten in sich zusammen, ohne überhaupt reagiert zu haben. Der blitzschnelle Überfall hatte sie total überrumpelt.

      Innerhalb von einer halben Minute waren sie mit Lederriemen gefesselt.

      Die sechs Indios hatten die Sänfte mit einem Ruck abgesetzt. Sie blickten sich scheu um.

      Aus der Sänfte erklang die zeternde Stimme des dicken Gouverneurs.

      Carberry riß die Tür auf.

      „Aussteigen!“ bellte er. „Hopphopp, du Froscharsch! Die Reise ist zu Ende! Fallen Anker, klar?“

      „Gehen Sie weg, Sie Unhold!“ kreischte der Dicke. „Ich bin der Gouverneur! Teniente! Verhaften Sie diesen Menschen!“

      Carberry langte in die Sänfte und knurrte: „Dir werd’ ich helfen – von wegen Unhold, du vollgefressener Speckkloß!“

      Don Ramón sah die behaarte Riesenpranke, die ihn vorn an der Brust packte, und begann zu quieken wie ein angestochenes Ferkel. Gleichzeitig strampelte und zappelte er, als ihn eine unheimliche Kraft nach draußen zog. Er fiel aufs Gesicht, quiekte in noch höheren Tönen, wurde hochgezerrt und empfing von der Riesenpranke eine Maulschelle, die ihm schier den Kopf abriß.

      Die Maulschelle beendete das Quieken. Dafür folgte ein Schluchzen, und dann heulte Don Ramón de Cubillo, seines Zeichens Provinzgouverneur und damit unumschränkter Herrscher über Tausende versklavter Indios, los wie ein kleines Mädchen, das von einem bösen Buben an den Zöpfen gezogen worden war.

      Er plärrte also, und Carberry war fassungslos.

      Der Profos faßte sich erst wieder, als ihn der Dicke angreinte: „Sie haben mir weh getan, Sie Schlimmer!“

      Da grinste der Profos und säuselte: „Ei-ei-ei, hat der böse Onkel dem Dickerchen was aufs Bäckchen geklopft, ja, ei der Daus! Soll ich das Doktorchen holen, um das Wehwehchen zu heilen?“ Und dann röhrte der Profos: „Du fängst gleich noch eine, du aufgeschwemmte Pißnelke …“

      „Na, na, na, Mister Carberry“, mahnte Dan O’Flynn grinsend. „Denk an die Vulgärsprache …“

      „Der Zorn des Herrn ist in mir“, sagte Carberry aufgebracht und fuhr den


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