Seewölfe Paket 13. Roy Palmer

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Seewölfe Paket 13 - Roy Palmer


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schlimm genug zu sein.

      Die Schebecke hatte Wasser genommen, und für das Leben seiner Gefangenen gab der Sarazene keinen lausigen Piaster mehr.

      Sie kämpften sich weiter durch die See, blind, taumelnd, schwer angeschlagen und warteten auf die Morgendämmerung, die so unendlich lange auf sich warten ließ.

      Mit dem heraufziehenden Morgen beruhigte sich auch der Sturm, das Meer wurde nicht mehr so aufgewühlt, und die Wellen wurden nach und nach kleiner.

      Dann schob sich der Morgen bleigrau und düster über die Kimm, und die erschöpften Männer sahen das Ausmaß der Verwüstungen.

      Der Sarazene ging nach vorn und ließ das Luk öffnen.

      „Das hat niemand überlebt“, meinte Muhmad. „In dem Raum steht ganz sicher eine Menge Wasser, wir haben ziemlichen Tiefgang.“

      Der Kapitän schwieg. Er war übernächtigt, durchnäßt und ihn fror ganz erbärmlich.

      „Schneller, schneller!“ schimpfte er. „Nehmt die Enterbeile und schlagt die Luken ein – oder beeilt euch gefälligst.“

      Aus dem Raum waren keinerlei Geräusche zu hören. Dort blieb alles unheimlich still und ruhig – totenstill.

      „Es kann auch ein Trick sein“, warnte ein Mann in türkischen Bundhosen, die ihm bis an die Waden reichten. „Sie warten, bis wir öffnen, und dann fallen sie über uns her. So ähnlich tun wir es ja auch, wenn wir ein Schiff aufbringen.“

      „Quatsch kein dummes Zeug“, sagte der Sarazene. „Sieh lieber zu, daß die Luke bald offen ist. Von diesen Leuten haben wir ganz sicher nichts zu befürchten.“

      Endlich war das Luk geöffnet, die letzten dicken Bretter lagen an Deck, und der Kapitän beugte sich hinunter.

      Er sah nur Wasser und Leiber, die in der Brühe herumschwammen, als lebten sie noch.

      Das Wasser war etwa brusthoch, und es schwappte leicht hin und her. Aber diese Höhe und der Seegang hatten genügt, um fast alle ertrinken zu lassen.

      Einundvierzig ungläubige Giaurs waren ertrunken. Fünf lebten noch, und merkwürdigerweise waren die überlebenden Frauen in der Überzahl.

      Zwei Männer, drei Frauen hatten überlebt, sie hatten diese Höllennacht überstanden, wenn auch in allerschlechtester Verfassung.

      Der Sarazene stieß einen erbitterten Fluch aus, als er sich wieder aufrichtete. Das war ihm in seinem ganzen Leben nur sehr selten passiert, daß so viele umgekommen waren.

      Die See beruhigte sich weiter, die Wellen gingen nur noch als leichte Dünung.

      „Bringt sie alle nach oben“, befahl der Sarazene. „Gebt die Toten über Bord. Die anderen werden verpflegt und verarztet. Die anderen kümmern sich um das Schiff. Lenzt die Räume leer, untersucht, wo das Wasser eindringt.“

      Die grausige Arbeit nahm ihren Anfang. Leitern wurden in den Raum gestellt, die Ertrunkenen nach oben gebracht und über Bord gegeben. Bei jedem ließ der Kapitän feststellen, ob auch wirklich kein Fünkchen Leben mehr in ihm war.

      Zwischendurch wurden die Überlebenden verarztet, behandelt und anschließend mit heißem Pfefferminztee und viel Zucker wieder zum Leben erweckt.

      Die Schebecke selbst sah wüst aus, und sie ließ sich mit Bordmitteln auch nicht wieder aufriggen. Das konnte erst auf der Insel geschehen, die sie morgen anlaufen würden.

      „Setzt das Segel!“ befahl der Sarazene einem Mann mit müdem, grauem Gesicht. „Und beginnt gleich damit, das Schiff zu lenzen.“

      „Wo bleiben die Gefangenen Sidi?“

      Der Kapitän überlegte einen Augenblick und fuhr mit der Hand durch seinen Kinnbart.

      Ein anderer brachte ihm einen Becher kochend heißen Tee mit Rosenöl und Zucker, den er in kleinen Schlucken gierig schlürfte.

      „Bringt sie nach achtern in die Kammer neben der meinen. Und stellt eine Wache mit gezogenem Schiffshauer davor auf.“

      Das Lateinersegel wurde gesetzt, und ein Mann, der den Schiffszimmermann ersetzte, der vor ein paar Tagen erschlagen worden war, meldete sich beim Kapitän.

      „Nur ein kleines Leck, Sidi, mehr nicht“, meldete er. „Wenn wir etwas Wasser abgepumpt haben, gelange ich besser heran. Nur an Deck können wir nicht arbeiten, wir haben keine Ersatzhölzer.“

      „Allah hat uns verschont“, sagte der Sarazene, warf sich auf die Knie und stieß ein kurzes Gebet aus.

      Nach dem Gebet schlürfte er weiter seinen Tee und blickte nachdenklich auf eine Spanierin mit nassen aufgelösten schwarzen Haaren und zerrissener Kleidung. Der Mann mit den Türkenhosen hob sie gerade auf und brachte sie nach achtern in die Gästekammer.

      „Wir haben keinen einzigen Mann verloren“, sagte der Kapitän. „Die Ungläubigen hingegen sind fast alle ums Leben gekommen.“

      „Ja, wir sind Allahs Söhne“, sagte der Gaffir, hütete sich aber zu bemerken, daß es von ihnen vermutlich auch keiner in dem engen Raum und dem vielen Wasser überlebt hätte.

      Die Schebecke lag jetzt auf Ostkurs, und der Wind blies sie handig über das wieder ruhige Meer.

      Der Sarazene ging nach unten und wechselte seine Kleider. Als er zurückkehrte, wirkte er bedrückt und ratlos. Mal blickte er über das Wasser, mal sah er Muhmad an.

      Der Gaffir merkte, daß sein Herr und Meister etwas loswerden wollte, was ihn bedrückte, und er konnte sich auch schon denken, was es war, um was die Gedanken des Kapitäns kreisten. Aber er fragte nicht, er verhielt sich nur abwartend.

      Nach einer Weile stampfte der Sarazene mit dem Fuß auf.

      „Beim Scheitan!“ schrie er. „Diese Reise war umsonst, damit ihr das nur gleich wißt. Einen Anteil wird es nicht geben.“

      „Wir haben noch fünf Gefangene, Sidi“, erinnerte Muhmad sanft.

      „Fünf Gefangene! Pah, was ist das schon! Wir brauchen mindestens dreißig oder vierzig, lieber noch mehr. Ich kann nicht hingehen und die Bezahlung aus dem Versteck holen, wenn ich dafür keine Gegenleistung erbringe. Ich kann es auch vor meinem Gewissen nicht verantworten, Ali Rasul zu betrügen.“

      „Er wird sicher von unserem Mißgeschick erfahren, Sidi. Aber das Gold oder die Perlen können wir wirklich nicht holen, wenn wir uns nicht seinen Zorn zuziehen wollen.“

      Auch der Gaffir war bekümmert und starrte auf die Planken.

      Nein, das konnten sie wirklich nicht, dachte er. Alis Rache würde sie alle furchtbar treffen. Ali konnte man nur einmal betrügen, dann nie mehr, denn nur der Kopf betrog, und den hatte man dann nicht mehr.

      Auf den Gang zu den Felsen mußten sie also verzichten, und dabei war das jedesmal eine kleine feierliche Handlung, die nach einem ganz bestimmten Ritual ablief.

      Nach der Landung auf der Insel wurden zunächst die Gefangenen in die Höhle gebracht und so ausreichend verpflegt, daß sie gut eine Woche lang von dem Proviant leben konnten. Dann schritten zwei Männer, meist der Sidi und Muhmad, zu den Felsen, wo sich das seltsame Zeichen im Gestein befand. Das Zeichen stellte einen Menschen mit einem Stierkopf dar, einen Minotaurus, ein Ungeheuer der griechischen Mythologie, den Minos, der König von Kreta, Sohn des Zeus und der Europa, im Labyrinth gefangenhielt.

      Dieses Zeichen aber barg ein Geheimnis, und wer es kannte, der war in der Lage, den kleinen Felsblock zurückschwingen zu lassen. In dem dahinterliegenden Hohlraum lag die „Bezahlung“, meist Gold, Perlen oder silberne Piaster, wie Ali Abdel Rasul es für angemessen hielt.

      Dieser Gang würde also jetzt entfallen, überlegte Muhmad, denn sie konnten das deponierte Gold nicht nehmen, ohne eine entsprechende Gegenleistung zu erbringen.

      Das tat ihm zwar in der Seele weh, ließ sich aber nicht ändern.

      Er fand aber doch noch einen Ausweg, denn die Piaster ließen ihm keine


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