Seewölfe Paket 13. Roy Palmer

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Seewölfe Paket 13 - Roy Palmer


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zu Carberry, der seinerseits dem alten Mann nachstürmte.

      Der Alte stieß wieder einen Schrei aus, laut und anhaltend, offenbar in panischer Todesangst.

      „Ja, bist denn du von allen guten Geistern verlassen?“ rief der Profos. „Hier wird nicht rumgebrüllt, verstanden? Hölle und Teufel, was tust du denn da?“

      „Er will über Bord“, sagte Bob Grey, ließ die Brasse los, deren Ende er gerade um einen Koffeynagel belegt hatte, und stürzte ebenfalls zu dem verzweifelten Alten.

      Erschüttert stand der Kutscher vorm Kombüsenschott.

      „Allmächtiger“, sagte er. „Daran habe ich nicht gedacht. Der Alte denkt, er sei ein Gefangener an Bord unseres Schiffes. Es ist ein Wunder, daß er überhaupt wieder auf die Beine gekommen ist, aber das hier – das gibt ihm jetzt den Rest.“

      Hasard und der Profos erreichten den alten Mann gleichzeitig und hielten ihn an den Schultern fest, ehe er sich über das Schanzkleid weg in die Fluten stürzen konnte.

      Der Alte wehrte sich aus Leibeskräften. Es war erstaunlich, welche Energie er noch zu entwickeln vermochte. Fast gelang es ihm, Carberry die Faust ins Gesicht zu schlagen, fast entglitt er dem Griff der beiden Männer.

      Carberry packte jetzt jedoch ein wenig fester zu und hielt dem Alten, der wieder zu schreien anfangen wollte, den Mund zu. Hasard bückte sich und hob die strampelnden Beine des Mannes hoch. Gemeinsam trugen sie ihn zurück ins Achterkastell. Mit sanfter Gewalt beförderten sie ihn in seine Koje.

      „Paß auf, daß du ihm nicht den Atem nimmst, Ed“, sagte der Seewolf. „Du kannst seinen Mund jetzt wieder loslassen.“

      „Damit er wieder wie am Spieß brüllt?“

      „Hier unten ist es weniger gefährlich.“

      Carberry zuckte mit den Schultern und tat, wie ihm geheißen war. Der alte Mann keuchte und zappelte, wollte sich erneut befreien und gab keine Ruhe. Hasard ließ seine Beine los und wich den Tritten und Stößen aus, die für ihn bestimmt waren. Er beugte sich über den Alten und begann, beruhigend auf ihn einzureden, zuerst auf englisch, dann auf spanisch, auf portugiesisch und auf italienisch.

      Der Schiffbrüchige stieß Worte in einer Sprache hervor, die weder Hasard noch sein Profos verstanden.

      „Er kapiert nichts von dem, was du ihm erklären willst, Sir“, sagte Carberry. „Und aus seinem Kauderwelsch wird auch keiner schlau.“

      „Dann hol die Zwillinge, Ed.“

      „Das ist eine verdammte Situation. Was haben wir uns mit diesem Burschen bloß eingehandelt!“

      „Ed, beeil dich.“

      Mit einem gebrummten „Aye, Sir“, verließ der Profos die Kammer und lief auf die Kuhl zurück. Hier hatte sich inzwischen die Crew vollzählig versammelt. Wer in den Kojen des Logis gelegen hatte, war bei dem Geschrei des alten Mannes natürlich hochgefahren und hatte sich alarmiert ins Freie begeben.

      Der Kutscher erschien mit seinem Arzneimittelkoffer, Philip und Hasard junior schlossen sich ihm an, als der Profos ihnen heftig zuwinkte.

      „Du verdammter Quacksalber“, sagte Carberry mit drohend umwölkter Miene zum Kutscher. „Hättest du dem Kerl nicht gleich eins von deinen elenden Giften geben können, damit er sich beruhigt? Halt ihm gefälligst die Flasche mit dem Riechsalz unter die Nase. Tu was, oder du verbringst den Rest der Nacht in der Vorpiek.“

      Der Kutscher betrat die Kammer und stellte seinen Koffer auf dem Boden ab. Er erschrak, als er sah, in welchem Zustand sich der alte Mann befand – er war ganz bis ans Kopfende seiner Koje gerutscht und preßte beide Hände gegen die Brust. Sein Gesicht hatte die Farbe alten Talges angenommen, er schien nach Luft zu ringen.

      Wütend blickte der Seewolf, der nach wie vor neben der Koje kauerte, zu seinen Männern. „Kann ihm denn keiner erklären, daß wir seine Freunde sind, nicht seine Feinde? Philip und Hasard, versucht es mal auf türkisch. Wenn er wirklich von Zypern stammt, müßte er Türkisch verstehen.“

      Die Zwillinge traten an den Rand der Koje. Sie taten ihr Bestes, um den alten Mann zu besänftigen. Mal sprach Philip, dann Hasard, dann wieder Philip, und immer wieder erklärten sie dem Patienten in der seltsamen Sprache, die allen anderen an Bord so völlig fremd war, wie ihr Vater ihn aus der Tartane geholt und an Bord der „Isabella“ gebracht hätte.

      Der Mann schien sie zu verstehen, seine Augen drückten jetzt keine Angst mehr aus. Immer noch kämpfte er um Atem, doch in seinem ganzen Gebaren war etwas weniger Panisches, auf Abwehr Bedachtes. Der Kutscher bemühte sich um ihn, hielt ihm die Flasche mit dem Riechsalz unter die Nase und tastete mit der anderen Hand nach einer seiner vielen Kräuteressenzen, die er in dem Koffer aufbewahrte.

      Das Salz schien dem Alten zu helfen. Er atmete jetzt ruhiger. Mit stokkender Stimme sprach er auf die Zwillinge ein.

      „Was sagt er?“ wollte der Seewolf wissen.

      Die Jungen sahen zu ihm und schüttelten die Köpfe. „Er spricht einen ganz verflixten, verzwickten Dialekt, Dad, Sir“, entgegnete Philip junior. „Damit kommen wir nicht so schnell klar. Scheint eine Mischung aus Türkisch und Griechisch zu sein.“

      „Ich hab’s ja gesagt, das ist ein furchtbares Kauderwelsch“, sagte der Profos. „Was fangen wir jetzt bloß mit ihm an?“

      Old O’Flynn, der ebenfalls die Kammer betreten hatte, deutete mit dem ausgestreckten Finger auf den Alten. „Er ist vom Teufel verführt und weiß nicht, was er sagt. Man könnte ihn in ein Faß voller lebendiger Aale stecken, das würde auch nichts nützen.“

      „Willst du damit sagen, daß er fallsüchtig ist, Donegal?“ fragte der Kutscher verblüfft. „Nein, das glaube ich wirklich nicht. Er hat nur Angst gehabt, das ist alles. Es war mein Fehler, daß ich nicht bei ihm geblieben bin, sonst wäre das nicht passiert.“

      „Unsinn, Kutscher“, sagte der Seewolf. „Niemand konnte ahnen, daß er eine solche Bärennatur hat, die ihm erlaubt, auf der Kuhl zu erscheinen und einen derartigen Spektakel zu veranstalten. Versuche, ihn vor einem weiteren Herzanfall zu bewahren.“

      „Aye, Sir.“

      „Die Zwillinge bleiben bei dir.“ Hasard wandte sich an seine Söhne. „Ihr sprecht so lange mit ihm, bis ihr etwas von seinen Worten versteht. Wir müssen uns irgendwie mit ihm auseinandersetzen und erfahren, was ihn so in Panik gebracht hat.“

      „Aye, Sir“, sagten die Jungen gleichzeitig.

      Der Seewolf wandte sich an die anderen. Hinter Carberry und Old O’Flynn erschienen Ben, Ferris, Shane und Will Thorne. Sie reckten die Köpfe und versuchten, etwas von dem zu erkennen, was in der Kammer vorging.

      „Alle Mann raus“, sagte Hasard. „Ihr stört hier nur und regt den Alten unnötig auf. Wir kehren aufs Oberdeck zurück. Donegal, hör mit deinem Gerede von Teufeln und Dämonen auf, es geht mir auf die Nerven. Wenn du deine Freiwache unbedingt opfern willst, dann habe ich andere, wichtigere Aufgaben für dich.“

      „Und zwar?“ erkundigte sich der alte O’Flynn mit mürrischer Miene.

      „Wir gehen Klarschiff zum Gefecht. Die Schreie des alten Mannes könnten von unseren Verfolgern gehört worden sein.“

      „Ja, allerdings.“

      „Er bringt uns eben doch nur Unheil, nicht wahr?“

      „Ja, das behaupte ich nach wie vor.“

      Hasards Augen verengten sich ein wenig. „Mister O’Flynn, ein Unheil passiert, wenn du nicht sofort abschiebst und die Kampanje enterst. Dort warten die Drehbassen auf dich, ich verlange von dir, daß du sie allein lädst und bedienst.“

      „Glaubst du vielleicht, das könnte ich nicht mehr?“ Old O’Flynn stieß einen schnaubenden, unwilligen Laut aus. „Paß mal auf, ich werde dir zeigen, wie fix ich mit den Dingern fertig bin.“ Er verließ das Achterkastell und enterte im nächsten Moment in Windeseile das Achterdeck.


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