Seewölfe Paket 13. Roy Palmer

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Seewölfe Paket 13 - Roy Palmer


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hatten im Handumdrehen die Back leer gefegt. Nur durch einen gewaltigen Satz hatte sich Selim noch nach achtern retten können. Jetzt lag er flach auf den Planken und verfluchte unter den Trümmern der Vordecksbalustrade und der Nagelbank, die auf ihn und seine Männer niederprasselten, Allah und den Scheitan gleichzeitig.

      „Weiter anluven!“ schrie der Seewolf in das Johlen und Pfeifen seiner Männer.

      Die „Isabella“ drehte ihr Vorschiff ganz nach Westen und segelte, hoch am Nordwestwind liegend und immer noch stark über Backbordbug krängend, auf Kollisionskurs mit der „Jane“.

      „Shane! Batuti!“ rief Hasard. „Brandpfeile in die Segel der Galeone!“

      Big Old Shane und der Gambia-Mann hatten ihren Bestand an Pulverpfeilen nun nahezu aufgebraucht. Sie griffen zu den normalen Brandpfeilen und schickten sie in die Takelage der „Cruel Jane“ hinüber. Wenige Augenblicke später züngelten die Flammen aus den dunkel gelohten Segeln des Piratenschiffs hoch. Die „Jane“ verlor an Fahrt. Das Geschrei an Deck nahm nicht ab.

      Deutlich war nach wie vor Henrys Stimme zu vernehmen. Er brüllte auf seine Männer ein und traktierte sie mit Hieben und Fußtritten.

      Dalida war nirgends zu entdecken, sie hatte sich vorsichtshalber ins Achterdeck zurückgezogen.

      Mechmed und seine Berber standen am Schanzkleid des vorderen Hauptdecks und begannen, nun ebenfalls mit Pfeilen auf die „Isabella“ zu schießen. Und nur kurze Zeit später tauchte auch die schwarzhaarige Ägypterin wieder auf, wie Hasard und seine Männer verfolgten. Auch sie hatte sich mit Pfeil und Bogen bewaffnet und legte auf den Todfeind an. Im Schein der an Bord der „Jane“ entstandenen Feuer waren ihr wütendes Gesicht und die verzerrten Mienen der fünf Berber deutlich zu erkennen.

      Doch ihr Einsatz erfolgte zu spät, die „Isabella“ schickte sich jetzt bereits an, ihnen davonzusegeln. Sie hatte an Fahrt gewonnen. Die „Jane“ hingegen fiel zurück.

      Die beiden O’Flynns luden in aller Hast die achteren Drehbassen nach, doch Selims Schebecke schob sich drohend auf das Heck der „Isabella“ zu, und die Türken, die sich von ihrem Schreck erholt hatten, standen schreiend auf der halb zertrümmerten Back und schwangen ihre Entermesser.

      „Ferris!“ schrie Hasard. „Flaschenbomben zur Schebecke!“

      Ferris Tucker brauchte seine selbstkonstruierte Abschußvorrichtung nur leicht herumzudrehen und neu zu justieren, dann konnte er sich der „Grinta“ widmen.

      Eine Höllenflasche segelte durch die Dunkelheit und senkte sich auf das Vordeck der Schebecke nieder. Sie landete mit hartem Schlag auf den Planken, explodierte aber noch nicht, weil die Lunte nicht ganz abgebrannt war. Sie bestand aus dickwandigem grünen Glas, und deswegen zerbrach sie bei dem Aufprall auch nicht. Sie rollte über die Planken nach vorn, weil die Schebekke in diesem Moment eine stampfende Bewegung vollführte und ihren Bug ein wenig senkte.

      Selim hatte vorher beobachtet, daß es eine ähnliche Flasche gewesen war, die auf der Kuhl der „Jane“ die größte Explosion herbeigeführt hatte. Deshalb schrie er jetzt auf und rannte ein Stück vor, um die Flasche festzuhalten.

      „Helft mir!“ brüllte er. „Greift euch die Flasche! Werft sie ins Wasser!“

      Dobran, Firuz und zwei andere Kerle stürmten sofort quer über die Back. Dobran versuchte sogar, sich auf die Flasche zu werfen und sie mit seinem Leib zu bremsen. Doch sie hatte die Abbruchkante des Kastells bereits erreicht, und da es keine Balustrade mehr gab, die sie aufhalten konnte, polterte sie auf die Galionsplattform hinunter.

      „In Deckung!“ schrie Selim noch und zog sich zurück. Dann war es soweit. Die Flasche ging in die Luft und riß der Schebecke das Galion samt dem Bugspriet weg. Der Druck der Detonation warf Selim, Dobran, Firuz und die anderen zurück, aber sie wurden nicht verletzt.

      Aufrichten konnten sie sich trotzdem noch nicht wieder, denn jetzt wummerten wieder die beiden achteren Drehbassen der „Isabella“, und zwei Brandpfeile, von Shane und Batuti abgegeben, bohrten sich zischend in die Lateinersegel der Schebecke.

      „Buggeschütz – Feuer!“ schrie Selim außer sich vor Wut.

      Die Kanone wurde gezündet, und die Kugel brachte der „Isabella“ ein drittes Loch im Heck bei. Doch schon flog die nächste Höllenflasche Ferris Tuckers. Diesmal landete sie im Wasser, doch die Glut der Zündschnur hatte sich bereits durch den Korken gefressen, so daß sie auch im Naß nicht erlöschen konnte. Dicht unter der Oberfläche der See explodierte auch dieses Geschoß, und die Schebecke erzitterte bis in ihre äußersten Verbände.

      „Selim!“ schrie einer der Piraten aus dem Inneren des Vordecks. „Wir haben ein Leck!“

      Selim rannte selbst ins Vordeck, wo die Männer ihre Posten am Buggeschütz verlassen hatten und in fieberhafter Hast versuchten, das Leck abzudichten, durch das das Wasser in einem breiten Strahl hereinschoß. Fluchend eilte Selim ihnen zu Hilfe.

      Jetzt wurde auch die Schebecke langsamer und fiel zurück.

      5.

      Hasard hatte neue Anweisungen gegeben. Jeder Mann an Bord der „Isabella“ wußte, was er zu tun hatte. Das Feuer wurde vorläufig eingestellt. Der Seewolf wollte keine Munition vergeuden.

      Auf schätzungsweise zwanzig Yards Abstand segelte die „Isabella“ am Vorsteven der „Cruel Jane“ vorbei und luvte weiter an. Lord Henry und seine Kumpane zogen nicht mehr mit, sie hatten jetzt genug damit zu tun, die Feuer zu löschen.

      Mit Steuerbordhalsen und hart über Backbordbug liegend, lief die „Isabella VIII.“ knapp eine Viertelmeile nach Westnordwest, dann ging sie über Stag und befand sich somit in der Luvposition. Die „Jane“, auf der die Ordnung inzwischen halbwegs wiederhergestellt war, schwenkte viel zu langsam herum. Die „Grinta“ befand sich in Lee der „Jane“ und konnte absolut nichts mehr ausrichten, denn sie wurde durch Henrys Schiff behindert, das die „Isabella“ in diesem Moment völlig zu verdecken schien. Außerdem hatten Selim und seine Männer noch alle Hände voll mit dem gefährlichen Leck im Vorschiff zu tun, das ihren Zweimaster zum Sinken bringen konnte.

      Die „Isabella“ segelte mit Kurs Nordosten – jetzt über Steuerbordbug liegend – auf entgegengesetztem Kurs an der „Cruel Jane“ vorbei. Die „Jane“ traf gerade erst Anstalten, ihren Bug nach Westen zu drehen und dann auch über Stag zu gehen – viel zu spät.

      „Feuer!“ schrie Lord Henry voll Zorn und Haß, doch die Kugeln seiner Steuerbordgeschütze konnten dem Feind nicht mehr viel anhaben. Fünf- bis sechshundert Yards betrug die Entfernung zwischen beiden Schiffen mittlerweile. Eine Schiffskanone des Zwölfer- oder Siebzehner-Kalibers verfügte zwar über eine Reichweite von nahezu einer Meile, doch ein sicheres Zielen und Treffen war bei dieser Dunkelheit ein Ding der Unmöglichkeit.

      So trieben die acht Kugeln, die Henry noch wutentbrannt auf seinen Erzfeind losließ, nur neben und hinter der „Isabella“ Wassersäulen hoch, die zischend wieder in sich zusammenfielen. Der Seewolf schoß nicht zurück.

      Nur der Schlachtruf seiner Männer gellte noch einmal herüber: „Arwenack!“

      Dann segelte die „Isabella“ sehr schnell nach Osten ab und war in der Nacht verschwunden, ehe die „Jane“ und die „Grinta“ ihr Wendemanöver auch nur halb vollzogen hatten.

      Lord Henrys Hoffnungen hatten sich nicht erfüllt. Wieder war der Seewolf der Stärkere gewesen, als stünde er mit dem Teufel persönlich im Bund.

      „Aber wir kriegen ihn noch“, sagte Lord Henry mühsam beherrscht zu Scoby, Dark Joe und Codfish. „Er wird Zypern anlaufen, um Proviant und Trinkwasser an Bord zu nehmen. Dort fassen wir ihn.“

      Dalida hatte ihren Bogen und den Köcher mit den Pfeilen achtlos auf der Kuhl zurückgelassen, wo jetzt die letzten Flammen gelöscht und die Toten und Verletzten geborgen wurden.

      Sie stieg zu den Männern aufs Achterdeck und sagte auf spanisch: „Killigrew hätte uns alle töten


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